Ein Leben für die Zigarre

Von Vanessa Loewel · 11.03.2006
Er war nicht einfach nur ein sehr erfolgreicher Zigarrenhändler, er war der "König der Zigarre". In Sachen Tabak gab es keine höhere Autorität als Zino Davidoff. Als kleiner Zigarettenhändler begann seine Karriere, heute trägt ein weltweit erfolgreicher Konzern mit Milliardenumsätzen seinen Namen. Vor 100 Jahren, am 11. März 1906, wurde Zino Davidoff geboren.
Zino Davidoff: "Monsieur Pompidou war im Geschäft, Monsieur Giscard-d'Estaing, Monsieur Erhard, es gibt viele Leute. Sie waren alle da."

Im Gästebuch, das in der Rue de Rive in Genf ausliegt, stehen die Namen von Politikern, Königen, Künstlern und Schauspielern. Brigitte Bardot, Arthur Rubinstein, König Faruk, Peter Ustinov und viele andere kamen in der Hoffnung auf unvergleichlichen Rauchgenuss in den Zigarrenladen von Zino Davidoff. Hier gab es nicht nur die besten Havannas der Welt, sondern auch die beste Beratung, wie Davidoff-Biograf Dieter Wirtz erzählt.

Dieter Wirtz: "Die meisten sind da rausgekommen und haben gesagt, das ist genau die Zigarre, die ich mir schon immer vorgestellt habe. Er hatte also ein Gespür dafür, auf Menschen zuzugehen und sehr schnell zu eruieren, was braucht der für eine Zigarre. Und das ist praktisch sein Ruf."

Zino Davidoff beliefert Churchill, den Fürsten von Monacco und den französischen Präsidentenpalast. Sein Genfer Geschäft wird – neben Kuba – schon bald zum Mekka der Afficionados, der Zigarrenliebhaber.

Zino Davidoff: "Ja sicher – ich bin ein Fachmann im Tabak, und ich habe immer gelebt im Tabak, und ich werde sterben im Tabak."

Schon als Kind verbringt er seine Nachmittage mit dem Drehen von Zigaretten – unter der Aufsicht seines Vaters, eines Tabakhändlers. Zino Davidoff wird am 11. März 1906 als Sussele-Meier Davidoff im ukrainischen Novgorod-Seversk geboren. Doch schon 1911 flieht seine jüdische Familie vor den anhaltenden Pogromen aus dem zaristischen Russland in die Schweiz.

Zino Davidoff: "In Genf hatten wir ein Tabakgeschäft (...) und die russische Kolonie ist immer in unser Geschäft gekommen, weil man hat Russisch gesprochen, man hat Tee getrunken, man hat Hering gegessen (...) Lenin war immer da, er ist immer gekommen, er hat immer unsere Zigaretten geraucht und hat nie bezahlt."

Davidoff Senior hat es nie gewagt, den Revolutionär Lenin zum Begleichen seiner Rechnungen zu drängen. Sein Sohn wird sich als geschäftstüchtiger erweisen. Mit 20 Jahren hat Zino Davidoff alles über das Tabakgeschäft gelernt, was ihm sein Vater beibringen konnte. 1926 schifft er sich nach Südamerika ein.

Der "puro", die Zigarre der Kubaner, ist für den jungen Tabakspezialisten aus Europa eine Offenbarung, wie er rückblickend beschreibt.

Zino Davidoff: "Meine erste Begegnung mit dem 'puro' brachte die große Wende in meinem Leben. Ich wollte sofort alles wissen, alles verstehen. Meine Liebe war fanatisch, eifersüchtig, unnachgiebig."

So beginnt die Liaison zwischen dem Schweizer russischer Herkunft und der kubanischen Zigarre, die beide weltberühmt machen wird. Zurück in Genf beginnt Zino Davidoff mit dem Import von Havanna-Zigarren. Um sie vor dem Austrocknen zu schützen, lagert er sie in feucht gehaltenen Holzkisten und erfindet so den Humidor, der heute millionenfach in Restaurants, Hotels und Zigarrenläden steht.

Aber nicht nur sein Können, auch der Zufall verhilft Zino Davidoff zum Erfolg: Als 1940 die Deutschen kurz vor Paris stehen, klingelt bei ihm das Telefon. Ob er nicht zwei Millionen Havannas, die in Paris lagern, kaufen wolle, bevor die Deutschen sie beschlagnahmen?

Zino Davidoff: "Ich war der einzige Mann, der Zigarren hatte in ganz Europa zwischen dem Krieg. Und alle Diplomaten, die waren in Vichy sind alle nach Genf gekommen, und da haben sie alle Zigarren gekauft."

Um in der Nachkriegszeit das laue Geschäft mit dem Luxusartikel Zigarre anzukurbeln, benennt er seine Havannas nach edlen französischen Weinen. Seine "grands crus de la havanne" werden ein Verkaufserfolg. 1967 dann bietet ihm die staatliche "Cubatabacco" an, eine Zigarre exklusiv für ihn zu produzieren. Davidoff ist weltweit der Einzige, der einer Zigarre aus Kuba seinen Namen geben darf.

Dieter Wirtz: "Das hat vielleicht damit zu tun, dass er ein wahnsinnig guter Botschafter der Havanna war. (...) Und dann haben die gesagt, okay. (...) haben sich wahrscheinlich auch was davon versprochen, nämlich die Havanna noch mehr ins Gespräch zu bringen."

Nur drei Jahre später, 1970, verkauft Zino Davidoff sein Genfer Geschäft und seinen Namen an den Tabakkonzern Oettinger, dem er allerdings als "Botschafter" der Zigarre verbunden bleibt. Aus dem Zigarrenladen in der Rue de Rive wird ein Weltkonzern, aus dem Sohn eines ukrainischen Zigarettenhändlers ein Millionär – auch wenn Zino Davidoff, der 1994 mit 87 Jahren starb, das nie zugeben wollte.

Zino Davidoff: "Ich bin reich mit Zigarren, aber nicht mit Geld. Es ist nur Rauch, das dürfen sie nicht vergessen."