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Ein Leben zwischen Religion und Machterhalt

Konstantin I. gilt als Wegbereiter der Christianisierung des Römischen Reiches. Doch bis heute wird über seine Rolle in diesem Prozess gestritten und die Frage diskutiert, ob er der erste christliche oder der letzte römische Kaiser war. In der Geschichtsschreibung wurde Konstantin als Retter Roms heroisiert und als Totengräber des Römischen Reiches verteufelt.

Von Christian Berndt | 22.05.2012
    Nach Konstantins Tod am 22. Mai 337 nach Christi Geburt folgt die Beisetzung einer eigenartigen Zeremonie. Der Sarg des Kaisers wird in der Apostelkirche von Konstantinopel inmitten von zwölf Grabmälern aufgestellt, die symbolisch für die Jünger Christi stehen. Damit wird der Verstorbene zu Jesus im Kreise der Apostel stilisiert. Noch als Toter bleibt Konstantin ein Meister der Inszenierung – auch das hatte ihm geholfen, der am längsten regierende römische Kaiser seit Augustus zu werden. Eine erstaunliche Karriere für jemanden, der der illegitimen Verbindung eines Offiziers mit einer ehemaligen Sklavin entstammt. Dieser Aufstieg wurde möglich durch die Reformen Kaiser Diokletians, der ein innovatives Vier-Kaiser-System nach Leistungsprinzip eingeführt hatte. Dadurch konnte Konstantins Vater, Constantinus, als fähiger Offizier zum Mitkaiser aufzusteigen. Als Konstantin daraufhin in dessen Legion eintritt, hat das weitreichende Folgen, wie der Historiker Zosimos überliefert:

    "In dieser günstigen Lage fasste Konstantin den Entschluss, sich zu seinem Vater zu begeben, der meistens in Britannien stationiert war. Zufällig starb Kaiser Constantinus genau zu jener Zeit. Die Legionen, die Konstantin für tauglich befanden und zugleich auf große Geschenke sich Hoffnung machten, verliehen ihm die Würde eines Kaisers."

    Im Jahr 306 wird Konstantin Kaiser. Angespornt durch diese illegitime Erhebung eines Kaisersohnes, die einen Bruch mit Diokletians nichterblicher Nachfolgeregelung darstellte, lässt sich in Rom Maxentius – auch ein Kaisersohn – ebenfalls zum Herrscher küren. Im Jahr 312 marschiert Konstantin gegen Rom. Maxentius ist militärisch überlegen, doch dann geschieht etwas, das als "Konstantinische Wende" in die Geschichte eingehen wird. Der Kaiser hat, wie der christliche Zeitgenosse Laktanz berichtet, eine Vision:

    "Im Schlaf wurde Konstantin ermahnt, das himmlische Zeichen Gottes an den Schilden der Soldaten anzubringen und so die Schlacht zu beginnen. Er kommt dem Befehl nach, und mit diesem Zeichen gerüstet greift das Heer zu den Waffen."

    Tatsächlich siegt Konstantin am nächsten Tag in der Schlacht an der Milvischen Brücke. Umstritten ist, ob Konstantin zu dieser Zeit wirklich Christ geworden war. Jedenfalls lässt er nun per Gesetz die bisher bestenfalls geduldeten Christen anerkennen und fördert die christliche Religion, seine Strategie setzt auf deren Integration in den Staat. Konstantin sieht sich ganz in der Tradition römischer Kaiser, deren Aufgabe es immer war, über die Vereinbarkeit von Religionskulten und Staatsinteresse zu wachen:

    "Was muss denn Wichtigeres von mir getan werden, als dass ich alle Irrtümer zerschlage und alle Verwegenheiten ausrotte? Damit alle dem allmächtigen Gott die wahre Religionsausübung und die gebührende Verehrung entgegenbringen."

    Inwieweit Konstantin selbst in diesem Allmächtigen den Christengott sah, ist unklar. Er bekannte sich zwar zum Gott der Christen, hielt aber auch weiterhin an heidnischen Gottheiten fest. Im spätantiken Römischen Reich existierten Hunderte religiöser Kulte, sie miteinander zu verbinden, war normal. Und politische Gegner schaltete der seit 324 allein herrschende Kaiser nach römischer Sitte rücksichtslos aus - sogar in der eigenen Familie, wie der Konstantin-kritische Zosimos berichtet:

    "Er begann, seine Gottlosigkeit gegen die eigene Familie zu richten, indem er seinen Sohn Crispus aus Verdacht des Umgangs mit seiner Stiefmutter Fausta umbrachte. Konstantins Mutter härmte sich sehr darüber. Konstantin aber heilte, als wollte er sie trösten, ein Übel mit einem noch größeren. Denn er sperrte Fausta in ein überheiztes Bad, aus welchem sie tot hinausgetragen wurde."

    Wahrscheinlich hatten Crispus und Fausta ein Komplott gegen den Kaiser geplant, aber der Mord löste Entsetzen aus. Auch diese Grausamkeiten trugen zum widersprüchlichen Bild des Kaisers bei. Der Schweizer Historiker Jacob Burckhardt nannte ihn im 19. Jahrhundert einen prinzipienlosen "Egoisten im Purpurgewand", dem es nicht um Religion, sondern um Machterhalt gegangen sei.

    Doch für einen antiken Herrscher waren Religion und Politik nicht zu trennen, deshalb hat Konstantin das Christentum an den Staat gebunden und ihm damit den Weg bereitet. Für den Pragmatiker war es kein Widerspruch, sich kurz vor seinem Tod taufen zu lassen, gleichzeitig aber vergöttlicht zu werden. Zum Gegensatz stilisierte man die Religionen erst, als das Christentum 43 Jahre später zur Staatsreligion gemacht wurde. Auf die Idee wäre Konstantin wohl nie gekommen.