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Ein Monat Klimanotstand in Konstanz
Kein Auto für den OB

Einen Monat ist es her, dass Konstanz, wie einige andere Städte auch, den kommunalen Klimanotstand ausgerufen hat. Seitdem müssen beispielsweise Gemeinderatsbeschlüsse auf ihre Auswirkung auf das Klima überprüft werden. Der Bürgermeister hat aus dem Notstand sogar eine sehr persönliche Konsequenz gezogen.

Von Thomas Wagner | 03.06.2019
Blick über den Rhein auf die Altstadt, den Rheintorturm und den Konstanzer Münster
Erst wenige Städte in Deutschland bekennen einen Klimanotstand (imago images / Westend61)
"Ganz schön viel los in nächster Zeit! Freitag ist Demo! Und eine Woche später ist Ende Gelände: Da wollen wir zeigen, dass es so nicht weiter geht. Und eine Woche später wollen wir unsere Maßnahmen für das Klimaschutzkonzept Baden-Württemberg vorlegen."
Sie sprühen nur so vor Tatendurst - Noemi, Philipp, Zoe, Manuel, Schüler und Studierende und Auszubildende aus Konstanz. Sie haben sich am Wochenende in lockerer Runde zum Kaffee getroffen, nur einen Steinwurf vom Bodenseeufer entfernt - sie, die Vertreter der Konstanzer `Fridays-for-Future‘-Bewegung, die vor einem Monat den Konstanzer Gemeinderat zu einer spektakulären Entscheidung gedrängt hatte: Nämlich die Ausrufung des ‚kommunalen Klimanotstandes‘.
Der kommunale Klimanotstand hat Wellen geschlagen
"Ich bin überrascht, wie viel doch schon in diesem Monat passiert ist, natürlich noch nicht genug. Aber es sind im Gemeinderat schon die ersten Entscheidungen gefallen, für den Klimanotstand sozusagen. Es gibt jetzt eine Solarpflicht für alle Neubauten."
Noemi Mundhaas, Mitte 20, studiert Physik im Master – und scheint selbst ein bisschen überrascht zu sein, welche Wellen der Konstanzer Gemeinderatsbeschluss vor einem Monat geschlagen hat, vor allem aber: Dass dabei auch konkrete Beschlüsse gefasst wurden. Der ‚Solarpflicht-Beschluss‘ gehört dazu.
"Das heißt, wir erwarten, dass auf Neubauten Solaranlagen gebaut werden. Es beginnt mit einer Beratungspflicht. Wir wollen, dass jeder, der noch baut, sich beraten lässt, beraten werden muss und eine Solaranlage nur ablehnen kann, wenn wirtschaftliche Gründe hart dagegen sprechen, was in der Regel nicht der Fall sein wird."
So Uli Burchardt, CDU-Oberbürgermeister von Konstanz, der auf eine ganze Fülle sehr konkreter Maßnahmen als Folge des Klimanotstand-Beschlusses zu sprechen kommt.
Kein Dienstwagen für den Oberbürgermeister
Alle Gemeinderatsbeschlüsse müssen zukünftig zwingend auf ihre Auswirkungen auf das Klima hin überprüft werden. Die Stadt richtet eine spezielle "Task-Force" ein mit Gemeinderäten, Experten und auch Vertretern der `Fridays-for-Future´-Bewegung. Das Ziel: Die Ausarbeitung von Ideen, wie kurz-, mittel- und langfristig in der Stadt CO-2-Emissionen vermieden werden können, beispielsweise durch mehr öffentlichen Nahverkehr, durch neue Radwege statt neuer Straßen. Und dann hat der Konstanzer Oberbürgermeister noch eine sehr persönliche Konsequenz gezogen:
"Ich habe, denke ich, eine relativ weitgehende Entscheidung getroffen, indem ich die Beschaffung meines nächsten Dienstwagens gestoppt habe und ich beschlossen habe, dass ich zukünftig ohne einen Dienstwagen vorankommen werde."
"Außerdem will die Stadt versuchen, die Stellplatzverordnung neu zu regeln, so dass eben nicht jedes Haus einen bestimmten Schlüssel an Parkplätzen schaffen muss für Autos. Und sie wollen in Verhandlungen mit dem Gemeinde- und Städtebund treten, um eben die Förderung der Sanierung nicht nur von der Kaltmiete, sondern von der Warmmiete abhängig zu machen," ergänzt Manuel Oestringer, der Chemie studiert und ebenfalls bei der `Fridays for Future´-Bewegung in Konstanz mit dabei ist.
Gemeinderäte und Future-Bewegung ziehen an einem Strang
So richtig überrascht darüber, dass die etablierten Gemeinderäte eine Vielzahl auch ihrer Ideen aufgegriffen haben, sind sie trotzdem nicht. Denn schließlich standen kurz nach dem Gemeinderatsbeschluss zum Klimanotstand Kommunalwahlen vor der Tür. Und der Wunsch nach einer Wende in der Klimapolitik sei längst weit über die `Fridays-for-Future´-Bewegung hinaus in weiten Teilen der Bevölkerung angekommen, glaubt Philipp Witte, der gerade eine Ausbildung zum Rettungssanitäter absolviert:
"Man hat es ja auch an der Resonanz in der Bevölkerung gesehen, dass jetzt vielen sehr viel klarer auch im Bereich Konstanz, aber auch deutschlandweit ist, wie dringend das Problem ist, dass diese Klimakrise einfach unsere Existenz bedroht."
"Also ich denke, dass ging los mit der großen Dürre im letzten Sommer, dann mit der anschließenden Räumung im Hambacher Forst, was ja die Massen bewegt hat. Dadurch haben viel mehr Menschen den Bezug zu diesem Thema gefunden…"
… ergänzt Manuel Oestringer. Sein Ziel und das seiner Mitstreiter ist klar: Nämlich…..
"… dass Konstanz bis in zehn Jahren, also bis 2030, klimaneutral werden muss. Als zweitem Schritt werden wir mit verschiedenen Akteuren aus der Stadt, aus der Gastronomie, aus dem Einzelhandel, überlegen. Wie kann jetzt jeder Akteur in Konstanz seinen Beitrag dafür leisten, dass wir in zehn Jahren klimaneutral werden?"