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Ein Muslim im Medienrat

Als erstes Bundesland gesteht Bremen den Muslimen einen Sitz im Aufsichtsgremium der Landesmedienanstalt zu, das die privaten Rundfunksender beaufsichtigt. Das könnte auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Signalwirkung haben.

Von Christina Selzer | 26.07.2012
    Viele Beobachter sehen in dem neuen Gesetz einen großen Schritt in Richtung Integration: Es schreibt den privaten Radio- und Fernsehsendern in Bremen vor, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu unterstützen. Die medienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Antje Grotheer, im Parlament:

    "Wir erkennen an, dass es viele Migranten gibt, in Bremen und Bremerhaven, die sich ebenfalls im privaten Rundfunk widerspiegeln wollen. Deswegen haben wir in das Landesmediengesetz auch aufgenommen, sich stärker mit den Belangen der Migranten zu beschäftigen."

    Die Landesmedienanstalten sind unter anderem für die Zulassung und die Aufsicht der privaten Radio- und Fernsehsender zuständig. Das neue Landesmediengesetz ändert die Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums, das nun Medienrat heißt. Wie bisher auch werden dort künftig die beiden großen christlichen Kirchen vertreten sein, die jüdische Gemeinde und weitere gesellschaftlich relevante Gruppen. Neu ist, dass erstmals auch ein muslimischer Vertreter dem Gremium angehören wird. Ein Novum in der deutschen Rundfunklandschaft. Antje Grotheer:

    "Und ich bin besonders stolz darauf, dass wir das erste Landesparlament sind, das in einem Gremium, das über die Vergabe von Lizenzen für private Rundfunkanbieter entscheidet, auch Muslimen eine Stimme gegeben haben."

    Damit sei man weiter als der öffentlich-rechtliche Rundfunkrat, der keinen muslimischen Vertreter habe. Der medienpolitische Sprecher der Grünen, Carsten Werner, betonte in der Parlamentsdebatte, es habe durchaus Diskussionen darüber gegeben, welche Gruppen im neuen Medienrat vertreten sein sollen.

    "Denn wer und was gesellschaftlich relevant ist, darüber kann man streiten und das wird man immer neu bestimmen müssen."

    Künftig sollen im Medienrat auch ein Student und ein Mitglied eines Selbsthilfevereins behinderter Menschen vertreten sein. Die Zusammensetzung des Kontrollgremiums müsse der Gesellschaft entsprechen, so Carsten Werner von den Grünen.

    "Uns war und ist wichtig, dass junge Leute, Menschen mit Migrationshintergrund, Kultur- und Medienschaffende, mit Interesse auch an ökologischen Themen über die Zukunft unserer Medien mitberaten und mitentscheiden."

    Mustafa Yavuz begrüßt das Gesetz. Er ist der Vorsitzende der "Schura" Bremen, dem Dachverband islamischer Gemeinden.

    "Ich glaube, es entspricht der gesellschaftlichen Realität, mit der wir heutzutage konfrontiert sind, dass die Muslime auch einen besonders wichtigen Teil der Gesellschaft in diesem Lande bilden. Und es ist schon ein Schritt in die richtige Richtung, aber der erste Schritt."

    Die Schura vertritt Dreiviertel der 33 organisierten islamischen Gemeinden in Bremen. Die anderen sind beim Verein DITIB oder dem Verband der islamischen Kulturzentren organisiert. Diese drei Organisationen werden nun einen gemeinsamen Vertreter in den Medienrat schicken. Die Schura hat sich zur Aufgabe gemacht, den Dialog zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zu verbessern. Noch gebe es viele Vorurteile, sagt Mustafa Yavuz.

    "Es gibt auch gesellschaftliche Realitäten, wie zum Beispiel der Islam in den Medien präsentiert wird, mit dem wir uns hierzulande nicht identifizieren können. Und ich denke, da gibt es sehr viel Aufholarbeit und ich denke, wir können als Religionsgemeinschaft unseren Beitrag dazu leisten."

    Von einer wichtigen Signalwirkung spricht der Bremer Rat für Integration. Er vertritt die Belange aller Migranten, sieht sich dabei nicht als religiöse Organisation. Libuse Cerna, die Vorsitzende:

    "Es ist unbestritten, dass die Medien unser Bewusstsein prägen heute, deshalb ist es ganz wichtig. Ich würde sagen, dass vom negativen Bild der Migranten, das es noch vor einigen Jahren in den Medien gab, wir heute schon entfernt sind, dass die Darstellung sich der Realität nähert. Es ist noch viel zu tun. In diesem Sinne sind alle Medien aufgefordert, in diesem Sinne zur Integration beizutragen."

    DITIB: Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.
    Schura Bremen - Islamische Religionsgemeinschaft Bremen e.V.
    Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM)