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Ein paar Mausklicks zum Spitzenkandidaten

Die Websites in Schleswig-Holstein sind auf Internet getrimmt: Die Parteien versuchen auch über die sozialen Netzwerke zu erreichen und erzeugen damit Aufmerksamkeit.

Von Dietrich Mohaupt | 05.04.2012
    Ein paar Mausklicks noch: Dann ist das aktuelle Foto des Spitzenkandidaten im Netz. Jost de Jager im Gespräch mit Landtagsabgeordneten an der schleswig-holsteinischen Westküste. Routine für Frederike Thurm, sie ist in der Landesgeschäftsstelle der CDU unter anderem zuständig für die Pflege der Pinnwand auf der Facebook-Seite der Union.

    "Also, der tägliche Job ist, dass – sobald Jost de Jager auf einer Veranstaltung ist – von dort ein Foto gepostet wird, eine Botschaft, worüber gesprochen wurde. Das heißt: Man sieht dadurch, dass die Pinnwand ja chronologisch aufgebaut ist, tatsächlich auch alle seine Termine."

    Die virtuelle Spur des Spitzenkandidaten im Netz – Facebook macht's möglich. Und das nutzt die CDU Schleswig-Holstein natürlich. Auch ihre Standard-Internetseite hat sie für den Wahlkampf ein wenig aufgehübscht.

    "Wir haben das Wahlkampfgrün im Hintergrund. Wir haben hier unten die Möglichkeit, Informationen über den Spitzenkandidaten zu bekommen, über die Landtagswahl. Wir haben einen - ich klick mal weiter - unser Spendentool, also man kann direkt im Internet auch spenden."

    Crowdfunding – Geld sammeln über das Internet. US-Präsident Barack Obama hat das für seinen Wahlkampf intensiv genutzt, bei der CDU in Schleswig-Holstein will man zumindest nicht ganz darauf verzichten. Das war's dann aber auch schon in Sachen Wahlkampf im Netz. Sonst gibt's wie immer: die wichtigsten Infos zur Partei und den Kandidaten, Terminhinweise, aktuelle Pressemeldungen. Das World Wide Web ist einfach ein Werkzeug, betont Landesgeschäftsführer Daniel Günther.

    "Wir nutzen das Internet, weil wir wissen, ohne Internet geht es nicht. Aber es ist nicht Hauptteil einer Wahlkampfstrategie. Wir haben beispielsweise einen Onlinedialog auch geführt, was unsere Programmberatung angegangen ist mit durchaus Resonanz."

    Diese Resonanz war aber eher spärlich. Nicht einmal 100 Kommentare und Vorschläge zum Inhalt des Wahlprogramms gab es, fast alle stammten von Parteimitgliedern. Für Daniel Günther ein klarer Hinweis: Als Wahlkampfinstrument taugt das Internet zumindest in dem doch eher ländlich geprägten Schleswig-Holstein nur bedingt:

    "Das mag in einem US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, wo eine Milliarde Menschen ja davon Notiz nimmt, eine andere Situation sein. Das mag auch bei bestimmten politischen Themen in der Auseinandersetzung – wie Stuttgart21 – eine Rolle spielen, aber bei einem Landtagswahlkampf wie in Schleswig-Holstein glauben wir nicht daran, dass über Internet wirklich Wählerströme verändert werden."

    Noch nicht, alles nur eine Frage der Zeit, meint dagegen der Vorsitzende der Jungen Union Schleswig-Holstein, Frederik Heinz. Wahlkampf im Netz nach Obama-Art: Das wird auch im nördlichsten Bundesland immer selbstverständlicher werden, mutmaßt er:

    "Es kommt langsam an, aber natürlich sind wir eine konservative Partei, da braucht es auch immer ein bisschen. Man muss beharrlich sein. Wir als Junge Union verstehen uns da auch so ein bisschen als Motor und Gewissen. Ich sehe die Partei da auf dem richtigen Weg, natürlich müssen wir sie auch immer ein bisschen anpieken."

    Das scheint bei der FDP im Land schon jemand erfolgreich getan zu haben. Als einzige der "etablierten" Parteien hat sie eine spezielle Wahlkampfhomepage geschaltet. Erstmals in ihrer Geschichte setzen die schleswig-holsteinischen Liberalen so konsequent auf das "Werkzeug Internet", betont Landeschef Heiner Garg. Man wolle …

    "... die Fähigkeiten des Internets nutzen, nicht nur draufzuschauen, nicht nur hübsche Bilder zu betrachten, sondern potenziellen Wählerinnen und Wählern auch die Möglichkeit zu geben, unmittelbar mit uns in Kontakt zu treten, ihre Meinung zu äußern, Fragen zu stellen zu der einen oder anderen Aussage. Und wir wollen darauf zeitnah reagieren."

    Das könne und solle den klassischen Wahlkampf mit persönlicher Präsenz nicht ersetzen. Aber wer mit einem Kandidaten der FDP persönlich sprechen wolle, der müsse ihn ja auch erst einmal finden. Dafür bietet die Wahlkampfhomepage einen auf Google Maps basierenden Dienst an. Ein paar Klicks nur und schon lässt sich herausfinden ...

    "... wo hält sich gerade welcher Wahlkämpfer auf, was macht er da gerade. Also, eintreten in den Laden FDP, gucken, wer ist gerade beispielsweise in Heide, in Lübeck, in Kiel oder in Rendsburg unterwegs."

    Und das fast rund um die Uhr. Dafür sorgt Valeria Boreicha, die auch die interaktiven Inhalte pflegt, also die Kommunikation zwischen Nutzern und der Partei via Facebook, Twitter und Co. Dabei hat sie – prinzipiell – Zugriff auf eine ganze Flut von persönlichen Daten der Nutzer. Schließlich wird nicht umsonst jeder Klick bei zum Beispiel Facebook registriert und fein säuberlich gespeichert. Große Online-Versandhändler werten solche Daten in der Regel mithilfe ausgefeilter Algorithmen aus, um detaillierte Profile ihrer Kunden zu erstellen für ganz gezielte Werbung. Die Interessen potenzieller Wähler kennen und nutzen. Eine Verlockung sicher auch für eine Partei, aber nicht für die FDP, versichert Valeria Boreicha:

    "Auf gar keinen Fall, so was machen wir nicht. Wir möchten nicht wissen, was Sie letzten Sommer getan haben, wir möchten auch nicht wissen, was Sie gestern gemacht haben, was Sie gerne einkaufen."

    Aber eines möchte die FDP natürlich schon: Auf sich aufmerksam machen. Das funktioniert im Netz nach der Methode "Crowdsourcing", angelehnt an "Outsourcing", das Auslagern bestimmter Aufgaben aus einem Betrieb. Hier wird einfach das "Werbung machen" an die Nutzer der Internetseite abgegeben. Wie? Ganz einfach: Man gebe den Usern etwas, worüber sich trefflich diskutieren oder auch einfach nur tratschen lässt. Das Ganze verbreitet sich in der Regel blitzschnell über die 'Social Networks':

    "Als wir unser erstes Wahlplakat reingestellt haben, das war mit Wolfgang Kubicki, da ist es innerhalb ein paar Stunden explodiert. Sowohl die "gefällt mir"-Klicks als auch die Kommentare haben sich überschlagen. Bis hin zu einem, der hat geschrieben: Ich würde gerne wissen, wer der Schneider von Herrn Kubicki ist."

    Und damit wäre ein ganz wesentliches Ziel von Wahlkampf im Netz schon erreicht: Die Netzgemeinde hat den Spitzenkandidaten der FDP in Schleswig-Holstein zumindest mal wahrgenommen. Ein – wenn auch nur bescheidener – Erfolg für eine Partei, die derzeit erbittert um jede Wählerstimme kämpfen muss.