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Ein Sozialist könnte nächster Premier der Niederlande werden

Am 12. September wählen die Niederländer ein neues Parlament und einen neuen Regierungschef. Der Wahlkampf ist von Europa geprägt. Darum darf sich der Sozialist Emile Roemer gute Chancen ausrechnen. In einigen Umfragen liegt er vor dem regierenden Konservativ-Liberalen Marc Rutte.

Von Ludger Kazmierczak | 22.08.2012
    Wahlkampfauftakt der niederländischen Sozialisten in Arnheim. Wie Modells auf dem Catwalk schreiten die Kandidaten der SP über die Bühne. Sie alle sind nur Statisten, um brav die Kulisse für den Auftritt ihres Spitzenkandidaten zu bilden.

    Emile Roemer heißt der umjubelte Hoffnungsträger der Linken. Ein Typ wie ein Teddybär: gelassen, gemütlich und stets gut gelaunt. Wenn die Demoskopen recht behalten, könnte der Lehrer aus dem grenznahen Boxmeer der erste sozialistische Ministerpräsident der Niederlande werden. In einigen Umfragen liegt die SP vor den Konservativliberalen des noch amtierenden Premiers Mark Rutte. Während somit eine linke und eine rechte Partei als Favoriten in den Wahlkampf ziehen, haben die Christ- und die Sozialdemokraten, das Nachsehen. Ihnen droht gar der Absturz.

    "Weil die Wahrheit nicht mehr in der Mitte liegt. Nun müssen die Menschen sich entscheiden zwischen liberaler oder sozialer."

    Emile Roemer rechnet ab - mit den Konservativen, mit den geldgierigen Banken, mit den viel zu mächtigen Konzernen und mit Europa.

    "Europa ist groß und stark geworden, weil wir nach dem zweiten Weltkrieg mehr und mehr zusammengearbeitet haben. Das fand ich immer wichtig, das finde ich wichtig und das wird auch wichtig bleiben. Aber das heißt nicht, dass wir alle unsere Kompetenzen an Brüssel übertragen und selbst nichts mehr zu sagen haben."

    Um das verlorene Konsumentenvertrauen zurückzugewinnen, will die SP nicht sparen, sondern investieren. Drei Milliarden Euro werde seine Partei in das Gesundheitswesen, in die Bildung und ins Rentensystem stecken, so Roemer. Und wenn sein Land dadurch gegen die Maastricht-Kriterien verstoße, dann sei das nun mal so. An die Drei-Prozent-Marke fühlt sich der 50-Jährige nicht gebunden.

    "Wenn sich nach allen Investitionen herausstellen sollte, dass das Haushaltsdefizit vielleicht etwas über drei Prozent liegen sollte, dann darf die Politik sich doch nicht davon leiten lassen, dass wir 1992 einen Vertrag unterschrieben haben, der heute nicht mehr zeitgemäß ist. Deshalb bin ich Politiker geworden und nicht Buchhalter."

    Der Mensch sei wichtiger als alle Regeln, sagt Roemer, und deshalb lieben ihn die Menschen: vor allem jene, die sich benachteiligt fühlen: die Geringverdiener, die Arbeitslosen, die Rentner, aber auch viele junge Menschen, die einen politischen Kurswechsel wollen. Umfrage:

    "Von Haus aus bin ich Sozialdemokrat, aber die Arbeitspartei ist mir zu sehr in die Mitte gerückt, deshalb habe ich mich für die SP entschieden."

    "Ich habe es genossen, Roemer zuzuhören. Schauen Sie, wenn ich an Europa denke, dann sehe ich ein Europa der Märkte - getragen von der Macht der Banken, und das ist ein Europa, das ich nicht brauche."

    "Er ist so normal und spricht unsere Sprache. Er steht zu dem, was er sagt, was man leider nicht von allen Menschen behaupten kann."

    Noch ist die Wahl nicht gelaufen, aber die Sozialisten feiern schon mal. Sie glauben fest an einen Sieg der SP, denn sie glauben fest an Emile Roemer.