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Ein Stück kulturelle Identität der Südsee

Tapa sind in der Südsee allgegenwärtige Gewebe und Stoffe, die aus Baumrinde gewonnen und dann aufwendig dekoriert werden. Sie können Mitbringsel sein oder Kleidungsstück - auch aktuell beschäftigen sich Künstler wieder mit dem Material. Das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum zeigt die erste große Schau mit Artefakten aus Tapa in Europa.

Von Peter Backof | 11.10.2013
    "Dieses Geräusch ist typisch für die Herstellung von Tapa, von Rindenbaststoffen. Man nimmt dafür die innere Rinde vom Papiermaulbeerbaum oder vom Brotfruchtbaum. Die wird herausgeschält und gewässert, damit die Fasern aufquellen, und dann wird das Ganze geschlagen, mit diesem Tapa-Schlegel."

    Das Klopfen war - und ist in manchem Südseedorf immer noch - sehr präsent, erklärt Peter Mesenhöller, einer der Kuratoren von "Made in Oceania". Tapa, ein Gewebe in der Farbe blassbrauner Pappe eigentlich, das dann bemalt wird. Ins Auge springt einem im Kölner Rautenstrauch-Joest Museum gleich ein spektakulärer Paravent von 60 Quadratmetern Größe aus dem 19. Jahrhundert, opulent verziert, in Ocker- und Pflanzenfarben, mit Ornamenten und Motiven wie Muscheln und Bäumen. Andere Tapa sind nur so groß wie eine Einkaufstüte, erzählen darauf aber ganze Epen: die Besiedlung der Südsee als Bildergeschichte. Betörend schön anzusehen und kunsthandwerklich raffiniert spiegeln viele Werke der Schau auf 1500 Quadratmetern auch dieses Paradiesische, das der Südsee als Image anhaftet. Die Traditionen reichen bis ins Jahr 2000 vor Christus zurück, weiß Fatu Feu´u aus Samoa, der zu dieser ersten großen Tapa-Schau in Europa angereist ist.

    " Von der Wiege bis zur Bahre. Man wickelt Säuglinge, Hochzeitspaare und schließlich Verstorbene in Tapa ein auf Samoa. Das ist unserer Kultur, so wie man eben im Südamerika Mate-Tee trinkt."

    Erzählt der Künstler, der in Köln seine jüngsten Werke vorstellt: Gemälde, in denen er traditionelle Ornamente mit neuen, eher technischen Formen kombiniert, gemalt übrigens nicht auf Tapa, sondern auf Leinwand, die sei doch etwas haltbarer als der fragile Rindenstoff.

    "Auf Samoa wird gar kein Tapa mehr hergestellt, man importiert es jetzt aus Tonga."

    Ordnet Feu´u die Metamorphose ein: Vom zeremoniellen Material schriftloser Kulturen vor Tausenden von Jahren bis zum ganz entspannten Umgang heute, das ist ein Ausstellungsansatz. Ein anderer strukturiert die Vielfalt an Formen geografisch. Immerhin befasst sich die Ausstellung mit einem Gebiet, dem südlichen Pazifik, das etwa ein Sechstel der Erdoberfläche ausmacht. Im tropischen Polynesien trug man bis zur ersten Ankunft von Europäer keine Kleidung.

    "Schenken, Verteilen, Status darstellen, das ist eigentlich, das, was Polynesien auszeichnet."
    Kurator Oliver Lueb. Während man in Melanesien, östlich von Australien Tapa auch als Kleidung trug. Auch hier eine Metamorphose: Die Schau zeigt Stücke einer aktuellen Modekollektion. Susanne Reymond stammt aus Samoa, lebt in London, und kreiert "Urban Street Wear", Jeansjacken mit Tapa-Applikationen etwa. Ein Remix der Traditionen. Als Gruppe "Pacific Sisters" seit Mitte der 1990er sogar eine Bewegung, die ihre Identität modisch im Globalen behaupten will. Das ist das, was die Ausstellung sehr beeindruckend zeigt: Tapa als lebendiges Erbe. Bis hin zum Rechtsstreit, installiert als Video. Sarah Fründt, Kuratorin des Ausstellungsteils Fidschi:

    "Sarah Fründt: Da geht es darum, dass Fidschi Airways, die Fluggesellschaft, Motive sich schützen lassen möchte, Copyright darauf einrichten möchte."

    Die Künstlerin Joana Monolagi hatte Jets der Fluggesellschaft designt, mit diesen ganz traditionellen Ornamenten und Motiven, Muscheln und Bäumen. Das Video zeigt kontroverse Reaktionen auf das Vorhaben der Airline, Motive für sich zu vereinnahmen: "Wie kann es sein, dass diese Motive, unsere Kultur, nicht mehr uns gehören?"

    Mehr zur Ausstellung:
    "Made in Oceania" im Kölner Rautenstrauch-Joest-Muesum