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Ein Teleskop der Superlative

Im Beisein von Staatspräsident Sebastiàn Piñera nimmt in Chile die Teleskopanlage ALMA ihre Arbeit auf. ALMA, das Atacama Large Millimeter Array, ist das größte und teuerste astronomische Instrument auf dem Erdboden - und das erste, das von vorneherein ein globales Projekt gewesen ist.

Von Dirk Lorenzen |
    ALMA ist nicht ein großes Teleskop - sondern ein Verbund aus nicht weniger als 66 Antennenschüsseln. Die meisten haben zwölf Meter Durchmesser, ein paar wenige sind etwas kleiner. Die große Anzahl der Antennen hat gute Gründe, erklärt der ALMA-Direktor Thijs de Graauw:

    "Wir versuchen, ein großes Teleskop mit 16 Kilometer Durchmesser zu erschaffen. So etwas kann man nicht aus einem Stück bauen. Daher nehmen wir unsere 66 Antennen, verteilen sie über ein 16 Kilometer großes Gebiet und schalten sie zusammen. Auf diese Weise sehen wir mit ALMA viel schärfer als etwa das Hubble-Weltraumteleskop."

    ALMA empfängt Strahlung mit Wellenlängen im Millimeterbereich. Weil der Wasserdampf in der Erdatmosphäre diese Strahlung verschluckt, haben die Astronomen ALMA an einem der trockensten Orte der Welt erbaut - auf der Hochebene von Chajnantor, mehr als 5000 Meter über dem Meeresspiegel in den chilenischen Anden. Die Projektkosten liegen bei rund einer Milliarde Euro, die sich auf Partner aus Europa, den USA, Japan und Taiwan verteilen. Das ALMA-Kontrollzentrum befindet sich auf halber Höhe am Berghang. Von dort arbeiten die Astronomen mit den Teleskopen rund um die Uhr - denn Sonnenschein stört in diesem Strahlungsbereich nicht. Die Niederländerin Ewine van Dishoeck will mit ALMA den chemischen Vorgängen im Kosmos auf die Spur kommen:

    "Mit ALMA jagen wir nach den Molekülen, die wichtig für die Entstehung von Leben sind, etwa nach der einfachsten Aminosäure, Glycin. In den Gas- und Staubwolken im Weltall wird ALMA auch nach den Basen suchen, die in der DNA unseres Erbguts vorkommen, nach Zuckermolekülen und vielem mehr. ALMA ist sehr empfindlich und so wollen wir kartieren, wo im Kosmos diese Moleküle vorkommen."

    ALMA zeigt das, was normale Teleskope im sichtbaren Licht nicht wahrnehmen: Molekülwolken, junge Sterne und Planeten, die noch hinter dicken Schwaden aus Gas und Staub verborgen sind oder Galaxien am Rande des Kosmos. Dank seiner Fähigkeit, die Strahlung vieler Moleküle zu empfangen, zeigt ALMA den Astronomen nicht nur, wo etwas im Kosmos ist, sondern zugleich, was dort vorhanden ist. Ewine van Dishoeck und ihre Kollegen richten ALMAs Blick nicht nur viele Lichtjahre hinaus ins All - auch ganz nahe Objekte stehen auf der Beobachtungsliste, etwa die Kometen unseres Sonnensystems, wie der derzeit am Himmel leuchtende Komet PANSTARRS:

    "Kometen verraten uns die chemische Zusammensetzung jener Urwolke, aus der unsere Sonne und die Planeten entstanden sind. Wir interessieren uns besonders für das schwere Wasser in den Kometen, bei dem der normale Wasserstoff durch Deuterium ersetzt ist. Mit ALMA möchten wir das Verhältnis von normalem zu schwerem Wasser in Kometen messen - und das mit der Häufigkeit von schwerem Wasser in irdischen Ozeanen vergleichen. Sollten beide Werte übereinstimmen, wäre das ein deutlicher Hinweis, dass uns einst tatsächlich die Kometen das Wasser auf die Erde gebracht haben."

    Bis Oktober wird das letzte Dutzend der 66 ALMA-Antennen in den Anden installiert. Mindestens dreißig Jahre lang soll die riesige Teleskopanlage dann den Astronomen ganz neue Blicke in die Tiefen des Kosmos ermöglichen.