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"Ein Treibhaus für das deutsche Kino"

Auf den Filmtagen in Hof sollen "verschiedene Pflanzen gedeihen", sagt Kulturjournalist Rüdiger Suchsland. Darum werde der "Förderpreis neues deutsches Kino" auch nicht an die Regie, sondern an Schnitt, Kamera und technisches Equipment vergeben. Ausgezeichnet wurde dieses Jahr der Film "Am Himmel der Tag".

27.10.2012
    Kathrin Hondl im Gespräch mit Rüdiger Suchsland

    Kathrin Hondl: "Hof, das steht für Home of Films." Wim Wenders soll das mal gesagt haben, und im Städtchen Hof findet man die Formel Hof ist gleich Home of Films natürlich klasse und wirbt damit für die Hofer Filmtage, das wahrscheinlich ja tatsächlich heimeligste Filmfestival in Deutschland. Familientreffen nennen es jedenfalls viele. Noch bis morgen läuft das Programm der 46. Hofer Filmtage - ein Programm, das zumindest quantitativ besonders von einem Filmemacher dominiert wurde:

    Rosa von Praunheim. Der durfte nämlich, weil er im November 70 wird, gleich 70 Filme in Hof zeigen. - Zugeschaltet aus Hof ist jetzt Rüdiger Suchsland. Herr Suchsland, waren die Hofer Filmtage diesmal also durch und durch Rosa-Filmtage?

    Rüdiger Suchsland: Ja, das kann man sagen. Sie sind es noch, sie gehen ja noch bis morgen, und an diesem Wochenende läuft eine ganze Menge, sind auch viele Gäste da. 70 Filme oder über 70 - ich habe es nicht genau nachgezählt - laufen hier, alle in irgendeiner Form, geordnet ein bisschen nach starke Frauen, sensible Heteros, Erotik-Transgender und vor allem starke Schwule. Rosa von Praunheim ist natürlich der große Filmemacher des Schwulenkinos, der Wegbereiter, der Pionier, und als solcher wird er geehrt, auch mit seinen Einflüssen auf andere Regisseure, die längst nicht alle in irgendeiner Form dem schwulen Kino zugeneigt sein müssen, aber die natürlich trotzdem hier auch einen einfachen interessanten Filmemacher sehen, Autorenfilmer seiner Zeit. Man muss schon sagen, wenn man so in die Filme reingeschaut hat - ich habe natürlich nur ein paar gesehen -, dann sind die auch nicht alle gut. Manche sind schon ein bisschen gealtert. Man darf das, glaube ich, heute auch sagen, weil Rosa von Praunheim so unbestritten ist als Figur in der Kinogeschichte, dass man jetzt nicht jeden Film hier aus politischen Gründen verteidigen muss.

    Hondl: Also 70 Filme, mit denen sich Rosa von Praunheim selbst beschenkt hat und die nur bedingt eine Bereicherung für die Zuschauer sind, wenn ich Sie richtig verstanden habe?

    Suchsland: Ja manche schon. Manche schon, manche nicht, wie das so ist. Wer soll auch bei 70 Filmen nur Meisterwerke machen? Das schafft keiner.

    Hondl: Die Hofer Filmtage, die haben ja auch den Ruf, so was wie ein Karrieresprungbrett für deutsche Filmer zu sein - Schaufenster für den Nachwuchs und so weiter -, und da gibt es ja auch einen "Förderpreis neues deutsches Kino". Der ging an den Film "Am Himmel der Tag" von Pola Schirin Beck. Allerdings hat nicht die Regisseurin den Preis bekommen, sondern der Kameramann und der Cutter. Geht das für Sie in Ordnung?

    Suchsland: Ja, das geht in Ordnung. Man muss jetzt wissen: Diese Preise sind immer für das technische Equipment. Man vergibt hier keine Regiepreise, was ich auch schön finde, weil wie Sie es gesagt haben: Das ist auch so ein bisschen ein Treibhaus für das deutsche Kino. Hier sollen die verschiedenen Pflanzen gedeihen und auch nebeneinander gleichberechtigt, so bekannte etablierte Leute wie Rosa von Praunheim eben mit dem ersten Kurzfilm eines Regisseurs von irgendeiner Filmhochschule. Das ist was sehr Nettes, was sehr Faires, und das macht das Ambiente hier von Hof aus. Trotzdem gibt es dann diese Preise, um auch mal so ein bisschen zu zeigen, dass Filme nicht nur Regie ist, und in dem Fall "Am Himmel der Tag" passt das ganz gut. Das ist ein sehr schöner Film, auch von der Regieseite aus, und wenn er überhaupt eine Schwäche hat, dann ist es das Drehbuch, das hat ja auch jetzt keinen Preis bekommen. Ich denke, dass neben diesen technischen Dingen, Schnitt, Kamera, auch ein wirkliches Sonderlob gehen muss an die Hauptdarstellerin, Aylin Tezel. Man kennt sie so aus Fernseharbeiten, aus "Alemania", jetzt ist sie auch "Tatort"-Kommissarin, und die spielt hier ihre erste Kinohauptrolle und in der spielt sie eine Frau, junge Studentin, ein bisschen unbedarft, die schwanger wird und die dann lernen muss, ein neues Leben anzufangen, sich auch ihren Eltern gegenüber zu emanzipieren. Und das gelingt so wahnsinnig gut, der Film kommt bald ins Kino, dass es schon wegen der Schauspielerin den Besuch wert ist.

    Hondl: Was denn beziehungsweise welche Filme sind Ihnen sonst noch besonders aufgefallen? Oder: War zum Beispiel dieses Jahr in Hof irgendwie auszumachen, in welche Richtung sich der deutsche Film gerade bewegt?

    Suchsland: Ja ich habe so den Eindruck, in den letzten Jahren waren ja Familiengeschichten sehr in und dass so diese Introspektion der Familie zumindest ein anderes Stadium erreicht hat. Familie kommt immer vor im Kino, ist ja auch wichtig. Aber man geht dann doch ein bisschen in eine andere Richtung: Freundeskreise werden wichtiger. Was auch auffällt, ist, dass schon die besten und interessantesten Filme sämtlich wie dieser Preisträger von Frauen gemacht wurden. Einen muss man unbedingt hervorheben: Johanna Thalmann hat einen Film gemacht in Amerika, mit amerikanischen Schauspielern, auch auf Englisch, ist trotzdem ein deutscher Film, "Pleased to meet you". Das ist so ein Kammerspiel, die hat das in einer Nacht gedreht, mit vier Schauspielern, die gar kein richtiges Drehbuch bekommen haben und die dann wirklich von zehn Uhr abends bis sieben Uhr morgens improvisiert haben, so ein Melodram, Freundschaftsbeziehungen, und das funktioniert ganz hervorragend. Man wünscht dem Film, dass er auch noch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bekommt. Daneben gibt es eine ganze Menge andere Sachen, Dokumentarfilme zum Beispiel über Frauenfußball und über die USA vor der Wahl. Das alles lohnt den Besuch.

    Hondl: Also insgesamt ein guter Jahrgang, diese 46. Hofer Filmtage?

    Suchsland: Ja das kann man, glaube ich, sagen. Das ist auch ganz schön zu hören und zu erleben, weil dieses Jahr insgesamt fürs deutsche Kino halt nicht so interessant war. Aber hier merkt man, dass es vielleicht in Zukunft ein bisschen besser wird.

    Hondl: Vielen Dank - Rüdiger Suchsland war das über die 46. Hofer Filmtage, die morgen zu Ende gehen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.