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Ein unaufhaltsamer Feind

Geologie. - Naturgewalten wie Vulkane stellen Ingenieure und Wissenschaftler vor Probleme, geht es um Vorhersage und Prävention. Im Fall eines javanischen Schlammvulkans greifen Experten jetzt zu harten Mitteln.

Von Dagmar Röhrlich | 05.02.2007
    Metertief versinkt das Land unter den penetrant nach faulen Eiern stinkenden Schlammmassen: Seit auf Java im Wunut-Erdgasfeld der Schlammvulkan "Lusi" ausbrach, hat eine graue, zähe Flut vier Dörfer verschlungen. 13.000 Menschen sind obdachlos. Lusi begrub eine Autobahn, bedroht eine weitere und auch die Bahnlinie. Und elf Menschen starben, weil eine nicht abgestellte Gaspipeline unter der Schlammlast riss und explodierte. Begonnen hat alles vor acht Monaten:

    "Am 29. Mai 2006 brach der Schlammvulkan etwa 200 Meter von einer Gas-Erkundungsbohrung entfernt aus: Seitdem strömt eine Mixtur aus heißem Schlamm, Wasser und Schwefelwasserstoff unaufhaltsam aus dem Boden. "

    Richard Davies von der Universität im britischen Durham ist einer der führenden Experten für so genannte Schlammvulkane. Die Quelle des Materials liegt tief unter der Oberfläche:

    "In zwei bis drei Kilometern Tiefe gibt es eine Schlammschicht, die nicht versteinert, weil sie unter Überdruck steht. Unter dieser Schlammschicht ist ein Grundwasserleiter. Da hinein "piekste" die Bohrung – und, wie bei einer geschüttelten Sprudelflasche, wurde der Druck schlagartig frei, und er riss das ganze Gestein auf: Bis zur Erdoberfläche hin öffneten sich Klüfte und Spalten. Das Wasser hat freie Bahn, und es reißt den Schlamm mit nach oben, und dort entsteht der Schlammvulkan."

    Das Ende dieses Prozesses hängt von zweierlei ab: Vom Überdruck und von der Wassermenge im Untergrund: Erst wenn der Druck sinkt und das Wasser versiegt, ebbt auch der Schlammvulkan ab. Das kann Jahrzehnte dauern – oder länger. Um nicht einfach nur abzuwarten, beginnt am Mittwoch auf Java ein Experiment nach Art Red Adairs. Entwickelt hat es Satria Bijaksana vom Technologischen Institut Bandung in Indonesien.

    "Wir wollen über dem Schlammvulkan bewegliche Plattformen aufbauen, von denen aus wir Ketten von schweren, etwa fußballgroßen Betonbällen in die Öffnung des Schlammvulkans ablassen. Diese Ketten sinken hoffentlich zu Boden, verkleinern den Krater des Schlammvulkans und verringern so den Durchfluss. "

    Mit diesen Betonbällen wollen die Geophysiker dem Schlammfluss die Kraft nehmen.

    "Wenn wir die Kugeln in den Schlammvulkan ablassen, erhöhen wir die Reibung im Schlammfluss und verbrauchen Energie. Die verbrauchen wir auch, weil der Schlamm die Kugeln bewegt. Und so wird der Fluss langsamer."

    Hofft Umar Fauzi. Der Geophysiker kommt ebenfalls vom Technologischen Institut von Bandung. Denn einfach verschließen dürfe man die Quelle nicht, erklärt Satria Bijaksana:

    "Wenn wir das Loch versiegeln, ohne Energie zu verbrauchen und so Druck abzubauen, sucht sich der Schlamm einen neuen Weg. Also reduzieren wir die Flussrate über Monate hinweg. "

    Zunächst einmal sollen Perlenschnüre mit insgesamt 1600 Betonbälle zeigen, ob die Idee überhaupt funktioniert. Das wird man bereits in zwei Wochen wissen. Der Erfolg ist keineswegs sicher: So etwas hat noch niemand versucht. Aber selbst wenn es gelingt, die Folgen dieses Schlammausbruchs seien nachhaltig, meint der Brite Richard Davies:

    "Dieses Gebiet wird wahrscheinlich um einige Meter absacken, weil wir aus dem Untergrund so viel Schlamm und Wasser entfernen. Das kann gefährlich werden für Menschen, die dort leben, also sollte man die Gegend abschreiben und zu einem "no-Go-Gebiet" erklären."