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Ein ungebetener Nachbar
Proteste gegen Google-Campus in Berlin-Kreuzberg

Der geplante Google-Campus in Berlin-Kreuzberg trifft auf Widerstand. Ein Bürgerbündnis bezieht klare Position gegen das Unternehmen: "Google ist kein guter Nachbar und wir wollen die nicht hier haben". Sie befürchten hohe Mieten und die Vertreibung alteingesessener Anwohner.

Von Philip Banse | 10.08.2018
    Anwohner protestieren gegen den geplanten Google-Campus am ehemaligen Umspannwerk in der Ohlauer Strasse in Berlin-Kreuzberg
    Anwohner protestieren gegen den geplanten Google-Campus am ehemaligen Umspannwerk in der Ohlauer Strasse in Berlin-Kreuzberg (imago / snapshot-photography / K.M.Krause)
    Die Lage vor dem alten Umspannwerk in der Ohlauer Straße in Kreuzberg ist ruhig. Mitarbeiter von Musikfirmen stehen in der Sonne und rauchen. Google hat ein Viertel des alten Umspannwerks gemietet, 3.000 Quadratmeter, der Umbau läuft. Im Herbst soll hier der Berliner Google Campus eröffnet werden, der siebte weltweit. Die Idee ist immer gleich: Der Suchmaschinenriese will Gründer unterstützen, ihnen Platz und Hilfe anbieten.
    "Unser Projekt umfasst fünf Google-Mitarbeiter. Darüber hinaus entstehen noch 20 Schreibtische für Gründerinnen und Gründer, die sich hier vorübergehend ansiedeln sollen", sagt Google Sprecher Ralf Bremer dem Tagesspiegel.
    Der Kreuzberger Campus werde kein Google-Büro, heißt es auf der Webseite, nie würden hier mehr als zehn Google-Angestellte arbeiten; Google kaufe weder das Umspannwerk noch Wohnungen in Kreuzberg. Diese Versprechen können Gegner und Anwohner-Initiativen nicht beruhigen.
    Demonstration vor dem Google Campus:
    "Google identifies you and know what you read. We don't want the Google World in Berlin Kreuzberg."
    Vorbehalte gegen den "allwissenden Datensammler" mischen sich mit der Angst vor weiter steigenden Mieten.
    "Kreuzberg ist ein Bereich, wo die Verdrängungsmechanismen bereits extrem da sind. Und dass diese weiter angekurbelt werden, interessiert Google anscheinend überhaupt nicht."
    Dasselbe Schicksal wie San Francisco?
    Allein die Präsenz des Weltkonzerns im bunten Kiez am Landwehrkanal werde die Mieten weiter steigen lassen. Als Horrorvision nennen viele Aktivisten San Francisco. Dort hat die Präsenz etwa der Internetriesen Apple, Google und Facebook die Mieten und Wohnungspreise in astronomische Höhen getrieben. Alteingesessene Einwohner wurden oft regelrecht vertrieben.
    "Ich glaube San Francisco ist mit dem, was wir jetzt hier in Kreuzberg diskutieren, so überhaupt nicht vergleichbar", widerspricht Google-Sprecher Ralf Bremer. "Die Sorgen, die die Leute haben, dass die Mieten möglicherweise noch weiter steigen könnten hier in Berlin, die teilen wir absolut, aber wir können das als einzelnes Unternehmen mit jetzt diesem Projekt wirklich nicht lösen. Da sind andere gefragt, da ist die Gesellschaft insgesamt gefragt, hier Lösungen zu finden."
    Das klingt auch beim Stadtsoziologen Andrej Holm durch, er war kurzzeitig Staatssekretär für Stadtentwicklung in der der rot-rot-grünen Landesregierung.
    "Diese Idee, dass eine gestiegene Attraktivität, eine gestiegene Nachfrage nach einem bestimmten Wohnungsmarktsegment zu einer Preissteigerung führt, das ist natürlich etwas, was nur unter Marktverhältnissen ausgeprägt ist", erklärt der Stadtforscher im Podcast "Alternativlos". Die Politik könne dafür sorgen, dass Wohnungen nicht nur jene bekommen, die das meiste Geld haben.
    "Ich könnte mir ja auch vorstellen, dass ich 100 Prozent Betriebswohnungen habe oder dass die Stadt einen sehr hohen Anteil von öffentlichen und geförderten Wohnungen hat. Dann ist das überhaupt kein Thema, dass die Mieten unbedingt steigen müssen."
    "Ihr habt doch alles verscherbelt!"
    Doch Landesregierungen von SPD und Linken haben staatliche Wohnungen und staatliches Bauland jahrlangelang – wie Kritiker sagen – planlos verkauft, weil die Kassen leer waren. Und wenn Linken-Politiker auf Diskussionsveranstaltungen zum Google Campus fordern...
    "Wir müssen uns die Stadt zurückkaufen!", werden sie ausbuht. "Heuchler!" rufen Zuschauer. "Ihr habt doch alles verscherbelt!"
    Als ideenreich gilt der grüne Baustadtrat von Kreuzberg, Florian Schmidt. Er hat schon Häuser kaufen lassen, um die Mieter vor Investoren und Mietsteigerungen zu schützen. Der Google Campus könne Mieten treiben, verspreche aber auch Bildungsangebote, sagt der Stadtrat und schlägt im Tagesspiegel vor: Firmen, die auch dank hipper, attraktiver Kieze Milliarden einfahren, sollen Geld in eine Stiftung zahlen:
    "Wenn wir es schaffen, dass in Friedrichshain-Kreuzberg von diesen Milliardengewinnen etwas in eine gemeinwohlorientierte Infrastruktur zurückfließt und gleichzeitig diese kritische Debatte über die Datenproblematik, diese ganze unternehmerische Strategie von Google hier Raum bekommt auf Dauer, dann kann das sogar positive Effekte habe."
    Das Bürger-Bündnis "No Google Campus" sieht diese Idee kritisch. So werde der Kiez gekauft und langfristig abhängig vom Geld der digitalen Riesen. Auch Einladungen zu runden Tischen lehnen viele der Google-Gegner ab, wie Coni Pfeifer vom No-Google-Campus:
    "Und wir waren uns auch sehr schnell klar, dass es da nichts zu reden gibt. Google ist kein guter Nachbar und wir wollen die nicht hier haben."