Freitag, 19. April 2024

Archiv


Ein unmoralisches Angebot?

"Sie können weiter bei mir arbeiten, aber für weniger Geld." Diesen Satz bekommen Arbeitnehmer im Moment häufig zu hören. Arbeitgeber kündigen und bieten gleichzeitig einen neuen Vertrag an - unter Konditionen, die für sie günstiger sind. Wann hat es Sinn, sich gegen eine so genannte Änderungskündigung zu wehren und wie wehrt man sich überhaupt?

Von Gerald Beyrodt | 15.02.2006
    Seit fünf Jahren ist Kathrin Grosse Filialleiterin in einer Modekette. Vor einiger Zeit wurde die studierte Betriebswirtin in die Konzernzentrale gerufen.

    " Und jetzt auf einmal wollten mir meine Arbeitgeber weniger Lohn zahlen, und zwar erheblich viel weniger, als ich bisher bekommen habe, nämlich 800 Euro weniger. Also erst haben sie es so versucht, dass sie sozusagen mir diesen Vorschlag unterbreitet haben mit der Begründung, es gebe also im Unternehmen weniger Geld und ob ich auch bereit sei, mit weniger auszukommen. "

    Und dann wurde der Druck verstärkt. Kathrin Grosse bekam eine Änderungskündigung ins Haus: Wenn sie den veränderten Bedingungen nicht zustimmt, will die Modekette sie nicht mehr beschäftigen.

    " Ich sehe es eigentlich nicht ein, mich darauf einzulassen, und deswegen bin ich da auch gerade dabei, mich zu informieren. Ich kann mir vorstellen, dass das so rechtlich nicht in Ordnung ist."

    Wichtig ist, dass Kathrin Grosse innerhalb von drei Wochen auf die Änderungskündigung reagiert: dass sie erklärt, ob sie unter den neuen Bedingungen weiterarbeiten will. Rechtsanwältin Dr. Bettina Theben ist auf Arbeitsrecht spezialisiert und rät Arbeitnehmern wie Kathrin Grosse, der Änderungskündigung erst einmal unter Vorbehalt zuzustimmen. Das ermöglicht einen Gang vor Gericht, so Theben:

    " Der Arbeitnehmer kann sich zurücklehnen und zunächst nur vortragen, dass er der Auffassung ist, dass diese Kündigung nicht sozial gerechtfertigt ist. Und dann muss der Arbeitgeber beweisen, warum das so sein soll. Also, wenn es jetzt um betriebliche Gründe, insbesondere Entgeltabsenkung geht, müsste er darlegen, warum er diesen Arbeitnehmer nur noch zu diesen Konditionen zwingend beschäftigen kann, und das ist naturgemäß relativ schwierig."

    Aus diesem Grund haben Arbeitnehmer gute Karten, wenn sie sich vor Gericht gegen Gehaltskürzungen wehren. Oft scheuen sich Unternehmen, ihr Budget offen zu legen und ziehen lieber die Änderungskündigung zurück. Dann müssen Arbeitnehmer nicht einmal auf ein Urteil warten. Schwieriger sieht die Lage für Beschäftigte aus, wenn es nicht ums Gehalt geht. Es gibt Fälle, in denen man sich den Wünschen der Chefs kaum verschließen kann, sagt Bettina Theben:

    " Immer dann, wenn es um andere Dinge geht, zum Beispiel, dass der Arbeitgeber erklärt, dass er bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten wird, zum Beispiel kein Mittagessen mehr in seinem Betrieb anbieten wird, weil er die Küche schließt, dann führt um die Änderungskündigung letztlich kein Weg herum und das ist es auch ein nachvollziehbarer Grund, den Arbeitsvertrag fortzusetzen ohne das vereinbarte Mittagessen oder die vereinbarte Fahrt zur Arbeit. "

    Am längeren Hebel sitzt der Chef auch häufig, wenn er aus personellen Gründen eine Änderungskündigung ausspricht. Wenn er kündigt, weil der Arbeitnehmer eine bestimmte Aufgabe nicht erfüllen kann und dies auch beweisbar ist. Bettina Theben:

    " Also, etwa ein Arbeitnehmer ist Pilot, und ab Fünfzig bekommt jeder Pilot die erforderliche Flugerlaubnis nicht mehr, dann kann der Arbeitgeber selbstverständlich nur ´ne Änderungskündigung aussprechen und kann ihn irgendwo im Bodenbereich einsetzen oder im Managementbereich, da wird für den Arbeitnehmer kein Weg umhin führen, die Änderungskündigung zu akzeptieren, denn wenn er es nicht täte, dann würde die Kündigung gelten und dann wäre das Arbeitsverhältnis beendet."

    Im Einzelfall bleiben die Fragen: Soll ich mich gegen meine Kündigung zur Wehr setzen? Ist meine Kündigung vielleicht ungültig? Hat mein Chef einen Formfehler gemacht? Arbeitnehmer können sich bei den Gewerkschaften beraten lassen, wenn sie Mitglied sind, oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen.