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Ein Wiener Anwalt wehrt sich
Anzeigen gegen FPÖ-Landesrat und Strache

Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, Kopftuchverbot an Grundschulen - Österreich rückt nach rechts und das schlägt sich auch in den Gesetzen nieder. Der Wiener Rechtsanwalt Georg Zanger wehrt sich und setzt sich öffentlich gegen Rechtsextremismus, Menschenrechtsverletzungen und Hasskommentare ein.

Von Antonia Kreppel | 19.09.2019
Der Rechtsanwalt Georg Zanger macht sich in Österreich öffentlich gegen Rechtsextremismus stark
Der Rechtsanwalt Georg Zanger macht sich in Österreich öffentlich gegen Rechtsextremismus stark (picture alliance / APA / picturedesk.com / Karl Schöndorfer)
Die Kanzlei von Rechtsanwalt Georg Zanger liegt mitten in Wien, unweit des Stephansdoms. Im Flur hängt ein gemaltes Porträt von Helmut Qualtinger; der 1986 verstorbene Kabarettist ist berühmt für seinen spitzfindigen Humor: "Demagogen sind Leute, die in den Wind sprechen, den sie selbst gemacht haben"; das ist so ein Qualtinger Satz.
Demokratiefeindlichen Gegenwind versucht der Anwalt zu stoppen, mit Einsprüchen und Klagen. So hat er unlängst einen FPÖ-Landesrat wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und Freiheitsentzug in Zusammenhang mit einem abgelegenen Asylquartier für Jugendliche in Niederösterreich angezeigt.
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Immer wieder Rechtswalzer - Österreich nach "Ibizagate" und vor der Wahl".
"Weil ich es für unerträglich gefunden hab, dass Minderjährige in dieser Form hinter Stacheldraht Zaun in ein relativ kleines Gebäude eingesperrt werden und nicht einmal Ausgang möglich ist und sie vor allem in Unfreiheit gehalten werden. Wobei die Unfreiheit so weit ging, dass die Jugendlichen auch jeden Kontakt nach außen verboten bekommen haben; das heißt, sie haben auch ihre Handys nicht benutzen können. Das war aus meiner Sicht eine ganz klare Freiheitsberaubung und deshalb habe ich eine Anzeige gemacht. Eine Erledigung ist noch nicht erfolgt."
Facebook-Seite von Strache im Visier
Georg Zanger lässt nicht locker; ein zierlicher Mann über Siebzig, agil und weltläufig. Spezialisiert hat er sich unter anderem auf Medienrecht und die Verfolgung von Hasskommentaren im Internet. Die Facebook-Seite des ehemaligen FPÖ-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache hat er schon länger juristisch im Visier. 2016 hat er ihn wegen einer antisemitisch eingestuften Karikatur und wegen nicht gelöschter Hasspostings angezeigt.
"Also die Staatsanwaltschaft hat zwei Jahre lang nichts getan und dann das Verfahren eingestellt. Die Seite hat sich in der Form weiterentwickelt und sie ist prononciert ausländerfeindlich, sie ist prononciert flüchtlingsfeindlich und macht nach wie vor keinen Unterschied zwischen den berechtigten Flüchtlingen und solchen, die zu Recht nicht aufgenommen werden."
Inzwischen wurden Strache nach seinem Rücktritt die Administrator-Rechte für seine eigene Facebook-Seite vorübergehend entzogen, berichtete vor kurzem die österreichische Tageszeitung "Der Standard". Die Posting-Texte müssten zuerst an die FPÖ-Zentrale zur Freigabe geschickt werden. Überhaupt werde seit dem Auftauchen des sogenannten Ibiza-Videos und dem Inkrafttreten der Übergangsregierung nicht mehr so viel hetzerisches Gedankengut unter den Tisch gekehrt, erklärt Georg Zanger. Allerdings: Korruptionsanfälligkeit wird eher geahndet als rassistisches und rechtsextremes Gedankengut.
"Nicht weil die Leute jetzt linker denken, nicht weil die Leute jetzt demokratischer sind, sondern weil sie diese Art von Bagage nicht wollen, das wollen sie nicht mehr. Ich denke wir haben spannende Zeiten vor uns."
Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz bisher selten angewandt
Unlängst hat sich der Anwalt mit einem Gesetz beschäftigt, das zum Symbol der konservativen bis rechtspopulistischen Stimmung im Land geworden ist. Er klagte gegen das sogenannte Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz. Die abgewählte ÖVP-FPÖ-Regierung hat es 2017 erlassen. Seither kann ein Bußgeld von 150 Euro fällig werden, wenn eine Person ihre Gesichtszüge öffentlich durch Kleidung oder andere Gegenstände verbirgt. Georg Zanger hält das Gesetz vor allem für verfassungsfeindlich. Im Namen einer deutschen Mitarbeiterin der Universität Wien, die wegen Tragens eines Wollschals angezeigt wurde, klagte er dagegen. Er erhielt Unterstützung durch den Verfassungsexperten Heinz Mayer. Dessen Begründung: "Wenn ich jemandem verbiete, dass er sich einen Schal oder eine Mütze ins Gesicht zieht, ist das ein Eingriff in sein Privatleben und hat mit Integration nichts zu tun".
"Wenn ich erinnern darf: Dieses Gesetz ist im Rahmen der Integrationsgesetze geschaffen worden, das heißt, das Ziel des Gesetzes war es, zu integrieren. Wenn ich jetzt von der Integration spreche, muss ich eine Gruppe ansprechen, die überhaupt zur Integration geeignet ist, das heißt, erstens solche, die noch nicht integriert sind. Damit fallen alle Österreicher aus. Zweitens fallen alle aus, die zu uns zu Besuch sind, die wollen sich ja gar nicht integrieren, die wollen nur besuchen kommen. Aber es sind auch die Fragen der religiösen Bedeckung von Köpfen und Gesichtern sehr, sehr problematisch verfassungsrechtlich."
Aufgeben kommt nicht in Frage
Das Verfahren gegen die Mitarbeiterin der Uni Wien wurde auf Anweisung des Innenministeriums ohne Begründung eingestellt, erklärt der Anwalt. Offenbar sei die Behörde zu dem Schluss gekommen, dass das Gesetz in der vorliegenden Textierung in der Praxis nicht durchsetzbar sei. Und so wurde das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz bisher selten angewendet. "Juristische Erfolge sind immer begrenzt" kommentiert Georg Zanger nüchtern, dass er aufgrund der Einstellung des Verfahrens kein Grundsatzurteil gegen das Gesetz erreichen konnte. Aufgeben kommt für ihn dennoch nicht in Frage, ob es nun um seiner Meinung nach verfassungswidrige Gesetze geht oder Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz; auch, wegen seiner eigenen Familiengeschichte.
"Mein Vater hat ja seine ganze Familie mit 23 Mitgliedern in den Konzentrationslagern verloren und teilweise unter ganz dramatischen Umständen; meine Mutter hat ihren Vater verloren, wobei es bei beiden sowohl rassistisch als auch politisch bedingt war. Meine Eltern haben im Widerstand gekämpft und waren sozusagen Teil der Gewinner dieses Krieges und ich will nicht, dass wir dort wieder zurücknach hinten gehen. Und ich denke, wenn man die Möglichkeit hat, die Stimme zu erheben und gehört zu werden, dann ist man auch dazu verpflichtet."