Freitag, 19. April 2024

Archiv


Ein "wunderbarer Luther-Kenner" mit veralteten Vorstellungen

Benedikt der XVI. habe ein sehr überholtes Kirchenbild, das nur von wenigen Katholiken in Deutschland gelebt werde, erklärt Arnd Brummer. Vom Treffen des Papstes mit Vertretern der EKD sei nicht viel zu erwarten, er wünsche sich aber "eine deutliche Geste" in Richtung der Protestanten.

Arnd Brummer im Gespräch mit Jonas Reese | 23.09.2011
    Christoph Heinemann: Am zweiten Tag seines Deutschland-Besuchs wird Papst Benedikt XVI. heute nach Erfurt reisen. Im dortigen, zu Beginn des 16. Jahrhunderts von Reformator Martin Luther bewohnten Augustinerkloster trifft er auf die führenden Repräsentanten der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gestern sprach das Oberhaupt der Römisch-Katholischen Kirche im Deutschen Bundestag.

    Am Abend zelebrierte der Papst eine Messe im Berliner Olympiastadion.
    Über den Besuch des Papstes sprach mein Kollege Jonas Reese mit Arnd Brummer, dem Chefredakteur der Zeitschrift "chrismon", der vor rund 20 Jahren vom Katholizismus in die protestantische Kirche konvertiert ist. Und er hat ihn gefragt, was er sich von dem heutigen Treffen im Zeichen der Ökumene in Erfurt erwartet.

    Arnd Brummer: Ich habe, was die Begegnung im Augustinerkloster in Erfurt angeht, eigentlich keine großen Erwartungen. Ich denke, man wird freundlich miteinander beten und singen, vielleicht wird der wunderbare Luther-Kenner, der Theologe Joseph Ratzinger, unter dem Papstmantel hervorlugen und ein, zwei, drei positive Worte zu Luther sprechen. Ansonsten glaube ich, dass sich nicht viel ereignen wird. Ich erwarte sozusagen nichts. Ich bin aber freudig berührt, wenn ich überrascht werde.

    Jonas Reese: Was müsste denn dafür passieren?

    Brummer: Also wenn man zum Beispiel Luthers Exkommunikation aufheben würde, den Kirchenbann, das würde mich überraschen, aber sehr freuen. Und wenn es sozusagen vielleicht auch mal ein positives Wort zum Thema Eucharistie für konfessionsverschiedene oder konfessionsverbindende Eheleute angeht, wenn eine evangelische Christin oder ein evangelischer Christ mit einem katholischen Ehepartner zusammen in eine katholische Messe geht, darf er ja nur in ganz wenigen Ausnahmefällen mit zum Altar zur Kommunion. Ich würde mich freuen, wenn der Papst sagt, das gilt jetzt für alle, und er hat das Recht dazu. Ich glaube aber nicht, dass er es tut.

    Reese: Wenn Sie in Erfurt bei der ökumenischen Begegnung dabei wären, was würden Sie denn Papst Benedikt dort sagen?

    Brummer: Ich würde sagen, lieber Bruder Benedikt, ich schätze es, dass du so ein toller Luther-Kenner bist, ich würde mich aber freuen, wenn du jetzt daraus ein Stück weit Realität machen würdest und zu Martin Luther was Positives nicht nur sagen, sondern wirklich eine deutliche Geste Richtung der Protestanten signalisieren würdest.

    Reese: Die Zeitungen haben im Vorfeld den Papst als "der Unbelehrbare", "der Fremde", als "Religionsführer" bezeichnet. Gibt es denn nicht auch positive Titel, war die Berichterstattung da vielleicht vor seinem Besuch zu negativ?

    Brummer: Ich habe ihn sehr negativ empfunden als Chef der Glaubenskongregation, bevor er Papst wurde. Ich finde, dass sein Kirchenbild ein sehr, sehr überholtes ist, was übrigens die Katholiken in Deutschland längst nicht mehr leben. Das Alltagsleben der Katholiken in Deutschland ist viel zeitgemäßer und moderner als das Denken in der römischen Hierarchie. Trotzdem muss ich sagen, er ist ein wunderbarer Schriftsteller, er hat ein wunderbares Jesusbuch geschrieben, und ein guter Theologe, und demzufolge kann es gar nicht schaden, so jemanden zu Gast zu haben und mit so jemandem zu reden, auch wenn ich persönlich seiner Art der Kirchenführung und seines Denkens, wie die römische Hierarchie aussehen muss, nicht sehr viel abgewinnen kann.

    Heinemann: Arnd Brummer, der Chefredakteur der Zeitschrift "chrismon", im Gespräch mit meinem Kollegen Jonas Reese.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.