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Einbahnstraße Zeitvertrag

Vor vier Jahren verabschiedete die Bundesregierung das Wissenschafts-Zeitvertragsgesetz, nach welchem Hochschulen und Forschungseinrichtungen Wissenschaftler sechs Jahre vor und nach ihrer Promotion befristet einstellen dürfen. Hat sich das Gesetz bewährt? Eine jetzt veröffentlichte Studie stellt ihm gute Noten aus.

Von Dorothea Jung | 14.03.2011
    Die Befristungsvorschriften für wissenschaftliche Mitarbeiter vor und nach der Promotion haben sich grundsätzlich bewährt.
    Die Befristungsvorschriften für wissenschaftliche Mitarbeiter vor und nach der Promotion haben sich grundsätzlich bewährt. (IMAGO / Bernd Leitner)
    In Auftrag gegeben hat die Studie das Bundesforschungsministerium und durchgeführt hat sie die "HIS", die Hochschul-Informations-System-GmbH, ein Sozialforschungsunternehmen aus Hannover. Die Kernaussage ihres Evaluationsberichtes lautet: Die Befristungsvorschriften für wissenschaftliche Mitarbeiter vor und nach der Promotion haben sich grundsätzlich bewährt. Und die Ausdehnung auf die Drittmittelforschung genauso. Ein Urteil, das Stefan Junker teilt. Junker arbeitet am außeruniversitären Wissenschaftsstandort Berlin Adlershof und ist Personalchef des Forschungsverbundes, einer Einrichtung der Leibnitz-Gemeinschaft.

    "Vorher gab es eine hohe Rechtsunsicherheit, die zeichnete sich damals dadurch aus, dass es einfach eine enorme Klagewelle gab, wir haben in diesem Bereich heute kaum mehr Arbeitsgerichtsstreitigkeiten; das erzeugt betriebliche Zufriedenheit für die Beschäftigten, und das schafft einfach 'ne rechtssichere Grundlage zur Beschäftigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern."

    Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz setzt einen Zeitrahmen von zwei mal sechs Jahren, in dem man junge Wissenschaftler befristet beschäftigen darf. - jedoch für die Arbeitsverhältnisse selbst, die innerhalb dieser Zeitspanne eingegangen werden, schreibt das Gesetz keine zeitliche Begrenzung vor. Die "HIS"-Studie ergab: Mehr als die Hälfte der Verträge mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs haben eine Laufzeit von weniger als einem Jahr. Derartig kurze Laufzeiten behindern nach Meinung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft die Lebens- und Karriereplanung der Betroffenen erheblich. Sabine Beckmann, promovierte Politikwissenschaftlerin aus Bremen, sieht das genauso.

    "Wenn Doktoranden auf einen Arbeitsmarkt treffen, der ihnen immer nur Stellen im Bereich von einem Jahr oder einem halben Jahr bereitstellt, dann haben die natürlich gar keine Planungssicherheit für ihr Promotionsprojekt. Denn dieses Promotionsprojekt, das kann man auch nicht mit jedem Doktorvater oder Doktormutter machen und auch nicht an jeder Institution, also das sind natürlich Zustände, bei denen sich dann die Politik auch nicht wundern muss, wenn Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen lieber ins Ausland gehen, wo sie bessere Bedingungen vorfinden."

    Holger Grefrath, wissenschaftlicher Mitarbeiter am kirchenrechtlichen Institut der Universität in Bonn ist anderer Meinung. Der Verfassungsrechtler wird in Kürze seine Doktorarbeit abgeben. In den letzten Jahren habe er die Flexibilität begrüßt, die ihm das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ermöglicht hat. Die Sicherheit der Lebensplanung in der Promotionsphase sei mehr vom akademischen Lehrer abhängig als vom Arbeitsvertrag.

    "In der Regel ist das Verhältnis zum Doktorvater oder zur Doktormutter ohnehin so, dass man eine sehr ehrliche Antwort bekommt, ob es sich wirklich auf das Jahr beschränkt, oder ob es eine rein technische Konstruktion ist, immer wieder den Vertrag für ein Jahr abzuschließen."

    Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz gilt auch für Dozenten und sogenannte Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Hier stellt die HIS-Studie fest, dass viele Hochschulen keine klare Trennung machen zwischen diesem Lehrpersonal und dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Das heißt: Dozenten werden wie Doktoranden behandelt und erhalten wie diese fast nur noch kurzfristige Verträge mit geringem Gehalt. Und angehende Professoren bekommen häufig lediglich schlecht bezahlte befristete Stellen mit hohem Lehrdeputat. Die Bremer Politikwissenschaftlerin Sabine Beckmann kritisiert, dass immer mehr dauerhafte Aufgaben der Hochschule von Wissenschaftlern mit befristeten Arbeitsverträgen erledigt werden. Die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses bleibe zu oft auf der Strecke.

    "Solche Stellen kann man natürlich kurzfristig machen, man braucht diese Lehrerfahrung ja auch, aber das kann man einfach nicht über mehrere Jahre machen, weil man es einfach in der Zeit nicht schafft, vernünftig zu forschen, und man muss einfach auch Lehre und Forschung verbinden."

    Eine Kritik, die auch im Evaluationsbericht von HIS zu lesen ist. Das Urteil der Studie: Das Gesetz habe sich zwar im Allgemeinen bewährt; in seinem Geltungsbereich in Bezug auf das wissenschaftliche Personal sei es aber zu unklar formuliert.