Freitag, 29. März 2024

Archiv


Eindrucksvolle Signale

Die Freundschaft zwischen Jorge Bergoglio und Abraham Skorka, dem Rektor des lateinamerikanischen Rabbiner-Seminars, lässt Fortschritt für das Gespräch der katholischen Kirche mit dem Judentum erwarten.

Von Victoria Eglau | 26.03.2013
    Jorge Bergoglio, der neue Papst, und Abraham Skorka, Rektor des Lateinamerikanischen Rabbiner-Seminars, trafen sich zum ersten Mal vor zwei Jahrzehnten bei einer Messe am argentinischen Nationalfeiertag. Skorka war als Vertreter von Argentiniens jüdischer Gemeinschaft eingeladen, der größten Lateinamerikas, und Bergoglio leitete das Erzbistum von Buenos Aires. In der Kathedrale begrüßte der Bischof die Repräsentanten der verschiedenen Religionsgemeinschaften, darunter auch Protestanten, Anglikaner und Muslime.

    "Bergoglio fragte uns alle nach unserem Lieblings-Fußballklub. Er ist sehr jovial und verzichtet gern auf Formalitäten. Offenbar war ihm daran gelegen, zu mir eine besondere Beziehung aufzubauen. Unser Kontakt wurde regelmäßiger, wir kamen uns langsam näher und nahmen gemeinsame Projekte in Angriff."

    Erzählt Abraham Skorka. Eines der wichtigsten Projekte des Rabbiners und des damaligen Erzbischofs Jorge Bergoglio liegt als Buch vor. Unter dem Titel "Sobre el Cielo y la Tierra", Über Himmel und Erde, veröffentlichten beide vor drei Jahren einen ausführlichen Dialog über Gott und die Welt. Religionen, Fundamentalismus, Tod, Euthanasie, Scheidung, Globalisierung, Armut und der Holocaust – über diese und viele andere Themen hatten sich Bergoglio und Skorka bei persönlichen Treffen zweimal pro Monat ausgetauscht.

    "Wir waren uns bei allen Themen nahe, mit unterschiedlichen Nuancen. Bei jedem Thema bemühten wir uns, den anderen wirklich zu verstehen. Ich glaube, Papst Franziskus wird den Dialog der katholischen Kirche mit anderen Religionen vertiefen, weil er das hier in Argentinien bereits praktiziert hat. Nie zuvor hatte ein Erzbischof von Buenos Aires ein Buch mit einem Rabbiner geschrieben! Er wollte auch, dass ich das Vorwort zu einer Biografie über ihn schreibe. Das sind eindrucksvolle Signale."

    Durch ihren langjährigen Dialog, den sie bis vor Kurzem auch in einer Fernsehsendung führten, wurden der Erzbischof und der Rabbiner Freunde. Im vergangenen Jahr überreichte Bergoglio Skorka die Ehrendoktorwürde der katholischen Universität in Buenos Aires, die noch nie zuvor ein Rabbiner erhalten hatte.

    "Es waren tausend Gäste geladen, aber als Bergoglio neben mir stand, und kein Mikrophon angeschaltet war, sagte er: Sie können sich nicht vorstellen, wie lange ich von diesem Moment geträumt habe. Er gab mir das Diplom und wir haben uns sehr fest umarmt."

    Abraham Skorka wiederum lud Bergoglio mehrmals zu hohen jüdischen Feiertagen in seine Synagoge ein. Die Gemeinde Benei Tikva in Buenos Aires war von Deutschen gegründet worden, die vor dem Nationalsozialismus nach Argentinien geflohen waren.

    "Ich habe dem Bischof bei einer dieser Gelegenheiten ein Gebetbuch aus dem neunzehnten Jahrhundert geschenkt. Deutsche Juden hatten es mit nach Argentinien gebracht und es später der Synagoge vermacht."

    Rabbiner Skorka lässt keinen Zweifel daran: Für ihn ist Jorge Bergoglio der richtige Mann an der Spitze der katholischen Kirche.

    "Er hat Führungsqualitäten, er ist sehr ehrlich, sehr demütig im biblischen Sinne, er ist hochintelligent und integer. Bergoglio ist ein Mann von hoher Kultur, aber ich glaube, er ist lebensnäher als sein Vorgänger Joseph Ratzinger. Er sucht die Nähe derer, die leiden, derer, die Hilfe benötigen. Er ist ein echter Seelsorger."

    Und eine weitere Fähigkeit des neuen Papstes hebt Abraham Skorka in Erinnerung an seinen ausführlichen Gedankenaustausch mit Jorge Bergoglio hervor:

    "Seine höchste intellektuelle Tugend ist vielleicht, dass er ganz einfache Dinge sagen kann. Aber wer gut zuhört, wird darin sehr tiefe Wahrheiten finden."