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Eine bittere Niederlage

Nur durch gute Arbeit könne man Vertrauen gewinnen, meint CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Wegen der Wahlniederlage in Bremen müsse man lebendig diskutieren und auch das Thema Großstadt mehr bearbeiten.

Hermann Gröhe im Gespräch mit Friedbert Meurer | 23.05.2011
    Friedbert Meurer: Noch nie haben es in Deutschland bei einer Landtagswahl die Grünen geschafft, stärker als die CDU zu werden. Gestern ist es passiert. Die CDU ist nur auf Platz drei gelandet in Bremen, mit mageren 20,1 Prozent. – Am Telefon der Generalsekretär der CDU, Hermann Gröhe. Guten Morgen, Herr Gröhe!

    Hermann Gröhe: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Darf das einer Volkspartei passieren, gerade mal 20 Prozent und dann hinter den Grünen?

    Gröhe: Das ist eine bittere Niederlage, wobei sicher Bremen für die CDU mit Abstand das schwierigste Pflaster ist in Westdeutschland in der Geschichte der dortigen Wahlen. Aber keine Frage, das tut weh und muss uns gerade im Hinblick auf das Thema Großstädte auch über Bremen hinaus in der Analyse fordern.

    Meurer: Viele sagen, in der CDU ist es absolut ruhig geblieben nach dem 27. März, trotz der historischen Niederlage in Baden-Württemberg. Jetzt dieses Ergebnis. Wann fängt Ihre Partei an, endlich zu diskutieren?

    Gröhe: Die CDU diskutiert und wir diskutieren etwa in Baden-Württemberg sehr intensiv die Gründe, die dort zum Verlust von jahrzehntelanger Regierungsverantwortung geführt haben. Gerade eben hat der Kandidat für den Landesvorsitz, der dortige Generalsekretär Thomas Strobl, ein intensives Papier zur Frage Verankerung in der Gesellschaft, Zuhören etc., also auch ein sehr selbstkritisches Papier vorgelegt und das wird intensiv diskutiert. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die das Thema Großstädte bearbeitet hat nach dem Wahlergebnis in Hamburg. Diese Arbeit geht weiter. Gehen Sie davon aus, wir diskutieren lebendig.

    Meurer: Aber die Alarmglocken, die läuten bei Ihnen noch nicht?

    Gröhe: Alarmglocken wäre hier auch völlig falsch, denn Alarmglocken gewinnen kein Vertrauen, sondern gute Arbeit gewinnt Vertrauen und wir sind wie wahrscheinlich nie zuvor in der Bundespolitik mit einer Fülle von auch sehr plötzlich auftretenden Herausforderungen, denken Sie an die Lage in Nordafrika, denken Sie an Fukushima, denken Sie an bedrängende Situationen in überschuldeten Euro-Staaten, konfrontiert. Da müssen wir unsere Pflicht tun, da entstehen aber auch viele Fragen in der Bevölkerung, und das spüren wir und das müssen wir ernst nehmen.

    Meurer: Bestreiten Sie, Herr Gröhe, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung im Moment nichts tut, außer die Atomwende einzuleiten?

    Gröhe: Nichts tut?

    Meurer: Ja.

    Gröhe: Ich glaube, offen gestanden, wenn Sie sehen, dass uns täglich in Europa die Frage, wie stabilisieren wir unsere Währung, wie helfen wir überschuldeten Staaten einerseits und zwingen sie aber auch gemeinsam in die notwendige Eigenverantwortung, weil Solidarität und Eigenverantwortung zusammengehören, dann ist das ein ganz gewaltiges Arbeitspensum für die Bundesregierung. Wenn Sie die Energiepolitik nehmen, dann sagen wir eben nicht wie die Opposition, Ausstieg reicht, sondern wollen einen Umstieg, der wirtschaftliche Vernunft im Industriestandort Deutschland mit Energiepolitik, mit sozialer Verantwortung zusammenbringt. Die Tagesordnung ist picke packe voll, aber es sind eben Nordafrika, Flüchtlingsfragen habe ich eben schon genannt, auch sehr schwierige Themen und Baustellen, auf denen wir unterwegs sind.

    Meurer: Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das jetzt viel in den Zeitungen steht, Herr Gröhe: die Reform der Mehrwertsteuer. Sie selbst sitzen in einer Kommission, die bislang nur auf dem Papier steht und also nichts tut. Traut sich die Bundesregierung nicht?

    Gröhe: Also erstens sind eine Reihe von wichtigen Vorarbeiten getan im Hinblick auf die Bewertung der unterschiedlichen Möglichkeiten. Zweitens verschieben sich durch die Dinge, die ich genannt habe, eben auch Prioritäten. Sie müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass beispielsweise das Thema Energiepolitik, beispielsweise das Thema der Lage in Nordafrika, beispielsweise die Situation in Portugal und anderes mehr in den letzten Wochen hinzugekommen sind. Ein Teil dieser Themen enthält Risiken für die Haushaltssituation. Wir haben gleichzeitig auch Dank der erfolgreichen Politik dieser Bundesregierung eine überaus erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung und das muss zusammengeführt werden. Aber dass die Entwicklungen auch nach neuen Prioritäten rufen und dass dann manches vordringlicher ist als anderes, das hat nichts damit zu tun, dass etwa nicht gearbeitet wird. Hier löst eine wichtige Sitzung die andere ab.

    Meurer: Eine Reform der Mehrwertsteuer kommt offenbar nicht. Am Wochenende scheint es ein Gespräch gegeben zu haben zwischen Finanzminister Schäuble und FDP-Chef Rösler, Wirtschaftsminister. Kommt denn 2013 eine Steuerreform?

    Gröhe: Bei dieser Begegnung ist erneut klar geworden, dass allen Unkenrufen zum Trotz diese Regierung sich überaus einig in der Frage ist, dass Haushaltskonsolidierung Vorrang haben muss. Ein Blick nach Europa zeigt überall, dass wer sich überschuldet, wer nicht Schuldenabbau und Konsolidierung betreibt, zum Spielball der Spekulation wird und dass deswegen Haushaltskonsolidierung der wichtige Weg ist. Das haben alle begriffen oder fast alle, die SPD in NRW, in Rheinland-Pfalz, in Bremen hat es nicht so richtig begriffen, aber dieser Weg hat Vorrang und wir wollen damit Spielräume erwirtschaften, um mittlere Einkommen, kleinere Einkommen zu entlasten.

    Meurer: Wird das 2013 der Fall sein?

    Gröhe: Wann das der Fall sein wird, hängt von der weiteren wirtschaftlichen Gesundung ab. Und noch einmal: Auch die Energiewende ist mit Haushaltsanfragen verbunden, und über die werden wir in den nächsten Wochen zunächst entscheiden müssen.

    Meurer: Das war der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bei uns im Deutschlandfunk, nach den Landtagswahlen von Bremen und zur Politik der Bundesregierung. Herr Gröhe, besten Dank und auf Wiederhören.

    Gröhe: Besten Dank! Auf Wiederhören.