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Eine Botschaft des Friedens für Israel und Palästina

Es war die erste Rede eines arabischen Staatschefs vor dem EG-Parlament in Luxemburg. Der ägyptische Präsident rief Israel und Plästina zu wechselseitiger Anerkennung auf. Gleichzeitig warb er um die Unterstützung der Europäer für seine Nahost-Politik. Acht Monate später wurde Al-Sadat bei einer Militärparade in Kairo von Islamisten ermordet.

Von Matthias Bertsch | 10.02.2011
    "Liebe Freunde, Ihre Einladung hat mich sehr erfreut und ich weiß sie sehr zu schätzen. Ich habe mich mit offenem Herzen an Sie gewandt und hoffe, dass unsere Begegnung heute der Anfang eines dauernden Dialogs sein wird."

    Als Anwar Al Sadat am 10. Februar 1981 seine Rede vor dem Europäischen Parlament begann, überraschte er die Abgeordneten damit, dass er sie nicht nur auf Englisch und Französisch begrüßte, sondern auch auf Deutsch. Durch den von ihm angesprochenen Dialog erhoffte sich der ägyptische Staatspräsident vor allem eines: Unterstützung seiner in der arabischen Welt weitgehend isolierten Nahostpolitik. Nach der Niederlage im Sechs-Tage-Krieg 1967 hatte Ägypten im Jom-Kippur-Krieg 1973 Teile der von Israel besetzten Sinai-Halbinsel zurückerobert. Um den gesamten Sinai wieder unter Kontrolle zu bekommen, sah Sadat nur einen Weg, betont der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes: Frieden mit Israel.

    "Dies hat er durch eine spektakuläre Reise nach Jerusalem im Jahr 1977 auf den Weg gebracht, indem er die Israelis überrascht hat – sozusagen das zweite Mal, dass er die Israelis überrascht hat, 1973 hat er das militärisch getan, mit einem Überraschungsangriff, 1977 mit einem überraschenden diplomatischen Coup -, in dem er sich faktisch selbst ins israelische Parlament, in die Knesset, eingeladen hat, dort eine sehr harte Rede gehalten hat, aber eben eine Rede in der Knesset, indem er gesagt hat: es gibt Bedingungen für den Frieden mit euch, mit Israel, aber wenn ihr bereit seid, diese Bedingungen zu erfüllen, sind wir bereit, mit euch Frieden zu schließen."

    Ein Jahr später kam es unter amerikanischer Führung zu den Verhandlungen in Camp David und schließlich zum israelisch-ägyptischen Friedensabkommen. Sadat wurde – ebenso wie der israelische Ministerpräsident Menachim Begin – mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, doch für die Mehrheit in der arabischen Welt war der separate Friedensvertrag ein Verrat am gemeinsamen Kampf für Palästina.

    "Ägypten gewann also sein Territorium zurück und für die Palästinenser hatte man gewissermaßen mitverhandelt und gesagt, es müsse Autonomieverhandlungen geben zwischen Israel und den Palästinensern, den Westbank und Gaza-Palästinensern, aus diesen Autonomie-Verhandlungen ist aber nie etwas Ernsthaftes geworden, und die arabische Staatengemeinschaft hat das stark kritisiert, hat Ägyptens Mitgliedschaft in der arabischen Liga suspendiert, der Sitz der arabischen Liga ist von Kairo nach Tunis verlagert worden und Sadat hat im westlichen Ausland, insbesondere in den USA aber auch in Europa, in den Einzelstaaten und in dem Zusammenhang dann eben auch im Europäischen Parlament für Unterstützung geworben."

    Sadat forderte in seiner Rede in Luxemburg Israelis und Palästinenser zur gegenseitigen Anerkennung auf, eine Forderung, die bei vielen Abgeordneten auf offene Ohren stieß. Schließlich hatten sich die damals neun Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Juni 1980 in Venedig auf ähnliche Eckpunkte Ihrer Nahostpolitik geeinigt.

    "Wegweisend war eben auch nach Camp David die Venedig-Erklärung, mit der Erwähnung des palästinensischen Selbstbestimmungsrechtes und der klaren Forderung an Israel, das besetzte Territorium aufzugeben, und da hat Sadat schon einen Verbündeten gesehen, gerade in den Europäern, weil die Amerikaner so weit nicht gegangen sind, nicht bereit sind so weit zu gehen zu dem Zeitpunkt, so dass es für Sadat wichtig war, zu sagen, er will, dass die Europäer zukünftig eine Rolle in nahöstlichen Friedensverhandlungen spielen."

    Doch zu einer engeren Zusammenarbeit kam es nicht. Der Fokus der europäischen diplomatischen Aktivitäten im Nahen Osten verlagerte sich bald in Richtung Persischer Golf, wo kurz zuvor der iranisch-irakische Krieg begonnen hatte. Sadat selbst wurde acht Monate nach seiner Rede vor dem Europaparlament bei einer Militärparade in Kairo von Islamisten ermordet. Seine Botschaft des Friedens im Nahen Osten blieb ohne Konsequenzen.

    "Zum Abschluss bitte ich Sie, Ihren Völkern meine Grüße und die Grüße des ägyptischen Volkes zu überbringen und wünsche Ihnen im Dienste von Europa und der Welt viel Erfolg. Vielen Dank für die Gelegenheit, hier mit Ihnen zu sprechen und auf Wiedersehen."


    Kalenderblatt vom 06.10.2006: Nach seiner Annäherung an Israel wurde der ägyptische Präsident Al-Sadat ermordet