Donnerstag, 28. März 2024

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Eine Chance für Europa?

Wie es nach der Wahl in Griechenland weitergeht und was die EU Athen anbieten kann, darüber spricht Gerwald Herter mit Josef Janning vom European Policy Center. Gudula Geuther skizziert die Schemen eines "Neuen Europa", wie sie sich derzeit in Berlin abzeichnen. Und Jochen Spengler blickt nach Irland, das nun auf günstigere Kredite hofft.

Moderation: Gerwald Herter | 18.06.2012
    Gerwald Herter: Herzlich willkommen, schönen guten Abend!

    Ex-Außenministerin Dora Bakojannis: "Das politische System ist praktisch zugrunde gegangen in dieser Krise das heißt alles was wir kannten, können wir vergessen und wir müssen es auch vergessen, wenn wir wirklich an uns selber die Selbstkritik meinen, die wir an uns üben und wir müssen sie meinen, wenn wir wirklich Griechenland helfen wollen."

    Herter: Wer würde Dora Bakojannis da widersprechen? Bis 2006 war sie schließlich griechische Außenministerin, gleichsam eine Kronzeugin. Zweifellos will die Europäische Union helfen, das hat sie auch schon getan - mit Milliardenbeträgen, mit Bürgschaften und einem Schuldenerlass. Aber wie weit kann die Europäische Union noch gehen, um Hilfe anzubieten? Gestern hat die konservative Nea Demokratia zwar die meisten Stimmen erhalten, gut 30 Prozent. Erleichterung in Berlin und Brüssel - denn die inzwischen gefürchtete SYRIZA wurde "nur" zweitstärkste Partei, allerdings hatten viele Griechen sozusagen schon zuvor an Geldautomaten und Bankschaltern abgestimmt, um ihre Euro-Guthaben zu sichern. Heute läuft in Athen erst einmal alles nach Plan: Antonis Samaras, der Chef der siegreichen Nea Demokratia, verhandelt bereits mit den Vorsitzenden der großen Parlamentsparteien über die Regierungsbildung. Der Chef der Sozialisten Evangelos Venizelos sagte, morgen müsse die Regierung stehen. Wenn es soweit ist, will Samaras mit Brüssel verhandeln – und zwar über Sparauflagen, über das Tempo der Reformen, womöglich auch über frisches Geld. Wird er da auf Beton stoßen?
    Josef Janning vermag das genau einzuschätzen, mit ihm sind wir nun in Brüssel verbunden, er ist Studiendirektor des European Policy Center, einer sogenannten Denkfabrik. Guten Abend Herr Janning!

    Josef Janning: Guten Abend Herr Herter.

    Herter: Um auf diese Eingangsfrage zurückzukommen, Herr Janning wo und wie könnte sich die EU denn bewegen und einer neuen griechischen Regierung etwas anbieten?

    Janning: Zunächst einmal muss man, glaube ich, festhalten, dass ein Stück der Hilfe, die die EU anbietet, ist nicht wackeln, was die grundsätzliche Verpflichtung Griechenlands angeht, diese Struktur-Reform durchzuführen. Dieses Momentum von außen aufrecht zu erhalten, ist ein ganz wichtiger Teil. Dann kann man natürlich darüber nachdenken, ob der Zeitplan zu eng ist, ob Griechenland mit einem Jahr mehr Zeit größere Chancen hat, die Auflagen zu erfüllen. Man kann auch darüber nachdenken, ob einzelne Klauseln in den Modalitäten, etwa was die Zinssätze angeht oder auch was zusätzliche Ressourcen angeht. Ob die Griechenland helfen können. Das Ganze muss man aber dann einbetten in eine Überlegung, wie kann man das, was vorhin Frau Bakojannis gesagt hat, dann zum Tragen bringen. Wie kann das griechische Gemeinwesen sich neu konstituieren. Dazu ist Hilfe nötig und wenn nach Verhandlung und Modifikationen einen Teil dazu beitragen könne, ist das sicher machbar und sinnvoll.

    Herter: Es gab ja jetzt schon einige Andeutungen, zum Beispiel auch von Außenminister Westerwelle im Deutschlandfunk und von anderen Verantwortlichen der EU, Parlamentspräsident Schulz zum Beispiel Will man da eigentlich ganz schlau sein und die Koalitionsverhandlungen mit sanften Versprechen beeinflussen'

    Janning: Die Europäer sind natürlich erleichtert, dass es überhaupt diese Option gibt. Dass Konservative und Passok eine Mehrheit haben im Parlament, die ausreicht, um ein solches Programm zu tragen. Und diese Koalition muss mit Selbstverstauen und einem frischen Wind an den Start gehen. Ich glaube, dass das Signal aus Brüssel auch dazu dient, Samaras und Venizelos zu zeigen, wie weit sie gehen können und wo sie vorsichtig sein müssen.

    Herter: Soweit zunächst Josef Janning vom European Policy Center. Wir sprechen uns gleich wieder.

    Zuvor blicken wir aber nach Berlin. Wenn sich nicht nur Griechenland, wenn sich auch Europa ändern soll, dann spielt die Bundesregierung eine ganz wichtige, wahrscheinlich die bestimmende Rolle. Was will die Bundesregierung? Mutige Forderungen stehen großen Bedenken gegenüber. Unsere Korrespondentin Gudula Geuther über die Schemen eines "Neuen Europa", wie sie sich derzeit in Berlin abzeichnen:

    Gudula Geuther: Berlin und die Schemen eines "Neuen Europa"

    "Mehr Europa!" – von einer vertieften europäischen Integration ist in Berlin fast täglich die Rede. "Mehr Europa" - dafür spricht sich die Bundesregierung aus und diese Forderung kommt auch aus den Koalitionsfraktionen. Häufig allerdings in der Negativ-Form: Was wir nicht wollen, darin ist sich CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt einig mit Rainer Brüderle, dem Fraktionsvorsitzenden der FDP:

    "…ist die Vergemeinschaftung der Schulden und schuldenfinanzierte Wachstumsprogramme."

    Rainer Brüderle: "Allein nur Geld quasi hineinzuschütten ohne Strukturen zu verändern ist keine Lösung, Vergemeinschaftung der Verschuldung ist keine Lösung. Das ist für mich ein Stück Schulden-Sozialismus. Ein Gleichschalten dabei, genauso wie Einheitszinssätze keine Lösung sind, um unterschiedliche Entwicklungen zu befördern und Anreize dafür zu setzen."

    Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte vor wenigen Tagen vor dem europäischen Wirtschaftsrat:

    "Wir können uns nicht an Dingen beteiligen, die nach meiner festen Überzeugung in ein noch schlimmeres Desaster führen als wir die Situation heute haben."

    Und sie ließ dabei interessanterweise offen, was das für "Dinge" sind. Man könnte vermuten, dass es um Eurobonds geht. Aber trotzdem will die Kanzlerin Fortschritte in der europäischen Integration:

    "Was wir seit geraumer Zeit tun und wo im Juni auch noch mal ein Arbeitsplan sicherlich vorgelegt wird, das ist, dass wir sagen: Wir brauchen mehr Europa. Wir brauchen nicht nur eine politische Union, sondern wir brauchen auch eine sogenannte Fiskalunion, also mehr gemeinsame Haushaltspolitik. Und wir brauchen auch eine politische Union. Das heißt, wir müssen Schritt für Schritt doch auch Kompetenzen an Europa abgeben, Europa auch Kontrollmöglichkeiten einräumen."

    Eine politische Union – das ist in anderen Ländern Europas ein Reizwort. In Deutschland dagegen nicht und auch für die Kanzlerin ist es an sich nicht Neues. Neu ist die Beharrlichkeit, mit dem sie die Idee propagiert. In der vergangenen Woche schaute sie in ihrer Regierungserklärung auf die Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion Anfang der 90er-Jahre zurück. Dabei ging es ihr wiederum um "Mehr Europa":

    "Eigentlich sollte sie auf dem Fundament einer politischen Union aufgebaut werden. Es gab damals zwei große Konvente oder Gruppen, die die zwei Aufgaben hatten. Die eine, die Währungsunion zu schaffen, die andere die politische Union. und anschließend hat man die Währungsunion beschlossen, die politische Union aber nicht. Und deshalb ist es heute unsere Aufgabe, das nachzuholen, was damals versäumt wurde."

    Was Angela Merkel nicht betont: Die isolierte Währungsunion war – verkürzt gesagt – Anfang der 90er-Jahre der Preis der deutschen Einheit. Jetzt begründet Merkel ihr Drängen auf das ganz große Paket mit den Herausforderungen der Währungsunion:

    "Ich weiß, dass das mühsam ist, dass das schmerzhaft ist, dass das langwierig ist. Es ist eine Herkulesaufgabe. Aber sie ist unvermeidlich. Alles andere wäre Augenwischerei und würde uns in noch schwierigere Probleme führen. Vielleicht nicht morgen, aber mit aller Sicherheit in ziemlich kurzer Zeit, meine Damen und Herren."

    Politische Union - was dahintersteht, ist offen. Warum die Idee jetzt wieder aufkommt, liegt allerdings auf der Hand: Wenn Risiken gemeinsam getragen werden sollen, dann sollen – aus Sicht derer, die die Risiken anderer übernehmen müssten – auch die Voraussetzungen gemeinsam geregelt werden. Wie weit eine politische Union gehen soll, ist damit noch nicht gesagt. Ein Anzeichen für die Ernsthaftigkeit des Projekts ist die Frage, in welcher Weise sich die Bundesregierung damit befasst. Dazu Bundesaußenminister Westerwelle:

    "Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung findet regelmäßig statt, vor allem nicht nur zwischen den Ämtern, sondern sehr persönlich, aber das versteht sich von selbst bei solchen Schicksalsfragen unseres Landes. Und da gibt es meiner Meinung nach eine große übereinstimmende Haltung zwischen allen Beteiligten innerhalb der Bundesregierung."

    Mit anderen Worten: Eine formale Abstimmung über die Gestaltung des Fernziels politische Union findet derzeit noch nicht statt, doch treffen sich zum Beispiel die Außenminister von zehn EU-Staaten regelmäßig, um sich gemeinsam Gedanken zu machen. Auch Westerwelle will "mehr Europa":

    "Wir sind der Überzeugung, dass Europa weit mehr ist als die Antwort auf das Jahrhundert der Kriege auf unserem europäischen Kontinent. Es ist vor allem auch die Antwort auf die neuen Herausforderungen in Zeiten der Globalisierung. es ist gewissermaßen unsere Wohlstandsversicherung."

    Der deutsche Außenminister kann sich die Direktwahl des Kommissionspräsidenten vorstellen. Allerdings wird das von anderen kritisiert. Sie wollen statt einer quasi-präsidialen Stärkung Europas mehr Kompetenzen des Parlaments. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kann sich für die Idee eines gemeinsamen, europäischen Finanzministers erwärmen. Und die Kanzlerin kann sich auch ein Europa der zwei Geschwindigkeiten vorstellen. Mit Schengen und der Währungsunion gebe es schließlich jetzt schon wichtige Bereiche, in denen einzelne vorangegangen seien.:

    "Und das wird sich verstärken. Denn wer in einer Währungsunion zusammen ist, wird enger zusammenrücken müssen. Wir müssen offen sein, es immer allen ermöglichen mitzumachen. Aber wir dürfen nicht deshalb stehen bleiben, weil der eine oder andere noch nicht mitgehen will."

    Der "ein oder andere" müsste sich damit dann abfinden.

    Gudula Geuther aus Berlin über die Vorstellungen der Bundesregierung für eine Politische Union und das Europa, der unterschiedlichen Geschwindigkeiten – längst europäische Realität. Das weiß auch Josef Janning.

    Herter: Herr Janning, wenn das nun aber tatsächlich Teil unserer Wirklichkeit ist, der Vertrag von Schengen zum Beispiel wurde 1985 unterzeichnet, also sozusagen in grauer europäischer Vorzeit, dann muss man sich fragen, warum zum Beispiel die Bundeskanzlerin diese Möglichkeit unterschiedlichen Geschwindigkeiten jetzt so in den Vordergrund rückt, was ist ihre Antwort?

    Janning: Weil es ein Weg ist, den die Bundesregierung nicht mit Begeisterung geht, denn sie ist sich nicht sicher, dass ihr die Deutschen auf diesem Weg folgen wollen. Es gibt auch noch das Bundesverfassungsgericht, das immer Sorgen hat, denn das, was jetzt in der Diskussion ist bei der politischen Union bedeutet ja eine Vergemeinschaftung am Ende der Zuständigkeiten über die Ausgaben der Mitgliedsstaaten und das ist etwas was einen substanziellen Schritt bedeuten würde, das heißt, alle Staaten hätten auch gleichzeitig die Sicherheit, dass die anderen Staaten darüber nicht hinaus gehen. Man geht also weg von der Kontrolle des Verhaltens der Anderen nach der Tat, also ex post hin zu einer ex ante Kontrolle, also vor der eigentlichen Entscheidung. Das ist die Substanz dessen, was jetzt tastend verhandelt wird. Das ist eine schwierige Materie und deswegen sehen Sie dort alle Akteure ganz besonders vorsichtig zu Werke gehen.

    Herter: Zumal ist Frankreich ein neuer Präsident amtiert, François Hollande, er hat gestern im Parlament eine Mehrheit bekommen, also keine Mehrheit gegen ihm; er hat die Hände frei, um seine Interessen selbstbewusst in Europa zu vertreten. Wie stark wird der Druck aus Frankreich auf die Bundesregierung sein?

    Janning: Natürlich kann Hollande jetzt mit einem geordneten Haus im Rücken diese Gespräche mit Berlin aufnehmen, Auf der anderen Seite weiß Hollande auch, dass seine Gestaltungsmöglichkeiten im Wesentlichen davon abhängt, ob er mit Berlin eine gemeinsame Position finden kann. Wenn das nicht gelingt, ist auch Frankreich nicht so stark, wie es gerne aussehen möchte. Deswegen werden wir einen Hollande sehen, der seine Punkte machen wird, der aber gleichzeitig darauf achten wird, dass es möglich ist, mit der Bundesregierung, mit Angela Merkel zu einem Ausgleich zu kommen

    Herter: Gleich hören Sie weitere Einschätzungen von Josef Janning.

    Wir richten unseren Blick jetzt auf einen europäischen Krisenstaat, der manchmal hinter anderen verschwindet, weil es dort gar nicht so schlecht läuft: Irland. Angesichts der Bankenkrise hatte sich Irland vor zwei Jahren unter den EU-Rettungsschirm begeben. Unser Korrespondent Jochen Spengler berichtet, warum es gerade heute besonders interessant ist, nach Dublin zu schauen und wie die griechischen Wahlergebnisse dort aufgenommen worden sind.

    Jochen Spengler: Irland hofft nach der Wahl in Griechenland auf günstigere Kredite

    Es herrscht große Erleichterung in Irland über den griechischen Wahlausgang. Es sei für den Euro ein lebenswichtiger Moment gewesen, erklärte Sozialministerin Joan Burton, und das klare Ergebnis in Athen sei enorm wichtig. Wohl nirgendwo in Europa stehen die Menschen so hinter der Gemeinschaftswährung. Das hat historische Gründe, denn der Euro befreite Irland aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom übermächtigen Nachbarn Großbritannien, sagt Wirtschaftsredakteur Tom Molloy vom Irish Independent:

    "Die Leute wollen den Euro behalten. Wir hatten lange unsere eigene Währung, das Punt, aber es musste sich immer mit dem englischen Sterling bewegen. Der Euro ist eine bessere Währung als der Vorgänger. Das ist ganz klar, dass der Euro gut ist für uns. Wir sind Exportmeister, wir sind der drittgrößte Exporteur in Europa – das ist wahnsinnig, und wir brauchen den Euro."

    60 Prozent der irischen Ausfuhren – ob nun Rindfleisch, Medikamente oder Whiskey - gehen in den Europäischen Binnenmarkt. Irland außerhalb der EU – das ist für die Iren einfach nicht vorstellbar. Auch deswegen hat sich das Land nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes und des Bankensystems so vergleichsweise mustergültig den harten Sparauflagen gefügt, die Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank und EU-Kommission verlangt haben als Preis für den 65 Milliarden Euro großen Rettungsschirm. Holger Erdmann von der Deutsch-Irischen Handelskammer in Dublin spricht von ungeheuren Lasten, die die Iren schon seit vier Jahren bewältigen:

    "Es wird jetzt noch zwei sehr anspruchsvolle Haushalte geben, die die irische Bevölkerung noch mittragen muss. Seit 2008 gibt es jetzt schon mit jedem Haushalt Steuererhöhungen, Ausgabeneinsparungen seitens des Staates. Es wurde den Iren schon viel abverlangt, ohne dass es hier zu großen Demonstrationen oder Aufruhr kam. Es wurden bis zu 15 Prozent Gehaltsreduzierungen sowohl im privaten Sektor wie im öffentlichen Sektor hingenommen."

    Und immerhin gibt es erste Erfolge der Sparbemühungen. Nach drei Jahren des Schrumpfens hat sich die irische Wirtschaft stabilisiert. Für dieses Jahr wird mit einem leichten Wachstum von 0,5 Prozent gerechnet. Allerdings ist die Entwicklung zweigeteilt: für den sanften Aufschwung sorgt allein die Exportwirtschaft – Investitionsgüterindustrie und Baubranche liegen danieder.

    "Die Binnennachfrage in diesem Land ist um ein Viertel gesunken. Soweit ich das weiß, ist das im Nachkriegseuropa ohne Vergleich – natürlich schlägt sich der Ausfuhrsektor ganz gut, aber das ist nur ein unbedeutender Teil, wenn es um Arbeitsplätze geht – er beschäftigt zwischen hundert- und zweihunderttausend Menschen von insgesamt 1,8 Millionen Arbeitskräften. Die wirklichen Jobs entstehen in der Binnenwirtschaft. Uns solange wir keinen Anschub der Binnennachfrage bekommen stecken wir in der Bredouille."

    Mit dieser Auffassung steht Macdara Doyle vom Gewerkschaftsdachverband ICTU nicht allein. Regierungs- und Oppositionsparteien schielen wohlwollend auf den Plan des französischen Präsidenten François Hollande, mit 120 Milliarden Euro die Wirtschaft anzukurbeln.

    Vor allem aber hoffen die Iren - nach dem vor drei Wochen mit einer fast Zweidrittel-Mehrheit angenommenen Fiskalpakt und auch nach dem großzügigen Umgang Europas mit Spanien - nun auf mehr Entgegenkommen der internationalen Kreditgeber ihnen gegenüber. Man fühlt sich keineswegs in einem Boot mit Griechenland, das missgewirtschaftet und über die eigenen Verhältnisse gelebt habe. Ganz anders Irland, sagt Macdara Doyle, der Gewerkschafter:

    "Wir haben die Verluste privater Banken sozialisiert. Eine Schuldenlast, die wir nicht tragen können. Man kann nicht irische Steuerzahler zwingen, die Verluste privater Institutionen zu übernehmen. Wir müssen diese Schulden vom Rücken der Steuerzahler nehmen, das sind nicht ihre Schulden."

    Es sind insbesondere 30 Milliarden Euro, die die inzwischen abgewählte Regierung unter Brian Cowen der abgewickelten Anglo Irish Bank leichtfertig garantiert hat, die das Land enorm belasten, weil die EU-Kommission auf einem Zinssatz von acht Prozent bestanden hat. Hier erwartet Irland Entgegenkommen in Form einer Umschuldung mit Hilfe des Europäischen Stabilitätsmechanismus.
    Die Zeichen stehen offenbar günstig – heute Mittag signalisierte die Troika, man wolle die Rückzahlung von EU-Krediten für Irland von 15 auf 30 Jahre strecken, damit das Land für Geldgeber attraktiver werde und sich wie geplant Ende nächsten Jahres wieder selbst an den Märkten mit Krediten finanzieren könne.

    Das war Jochen Spengler über den sehr interessanten Krisenfall Irland.

    Herter: Josef Janning in Brüssel. Die Tagung der G-20-Staaten beginnt in diesen Stunden in Mexiko, Kanzlerin Merkel trifft sich am Freitag mit dem französischen Präsidenten Hollande, den Regierungschefs von Italien, Monti und Spanien, Rajoi in Rom. Ende nächster Woche findet in Brüssel der EU-Gipfel statt. Rechnen Sie mit entscheidenden Schritten im europäischen Krisenmanagement in den nächsten beiden Wochen?

    Janning: Aus der Logik dessen, was wir vorher zur Logik der Politischen Union diskutiert haben, folgt ja, dass da keine großen kraftvollen Sprünge vollzogen werden. Dafür ist es allen Beteiligten ein bisschen zu heikel, sondern sie versuchen, den Konsens untereinander immer ein Stück weiter in diese Richtung zu schieben, das heißt also, ich rechne schon damit, dass dann in den internationalen Foren als auch beim Gipfel der EU am Ende nächster Woche ein Signal dasteht, sozusagen, dies ist die Perspektivlinie, dies ist der Korridor, in den wir uns hinein bewegen wollen, in dem wir mittelfristig diese und jene Schritte miteinander erreichen wollen und wird es relativ gleichzeitig ein klares Bekenntnis dazu geben, dies zumindest im Kreis der Euro-Staaten zu tun und damit diesen Gedanken der verschiedenen Geschwindigkeiten auch wieder zur Konsensbildung und Konsenserzwingung zu nutzen.

    Das war Josef Janning, Studiendirektor des European Policy Center in Brüssel. Vielen Dank! Und das war der Hintergrund zu möglichen Antworten Europas auf das Ergebnis der Wahlen in Griechenland und den Verlauf der Schuldenkrise dort. Im Anschluss an die Nachrichten hören die Kommentare im Deutschlandfunk, heute selbstverständlich zu Griechenland, aber auch zum Wahlausgang in Frankreich. Herzlichen Dank an die Kollegen von Ton und Technik. Am Mikrophon verabschiedet sich Gerwald Herter. Wir danken Ihnen für Ihr Interesse!