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Eine der außergewöhnlichsten Frauengestalten der Geschichte

Jeanne d’Arc, die um den 6. Januar 1412 geborene Tochter lothringischer Bauern, führte Frankreich während des Hundertjährigen Krieges zum Sieg gegen England. 1431 als Ketzerin verbrannt, wurde sie posthum zur Nationalheldin.

Von Ruth Jung | 06.01.2012
    "Ein Mädchen, das solch’ Stärke und Zähigkeit zeigt: vor ihr flieht der Feind / niemand vermag ihr zu widerstehen / vor vieler Augen verrichtet sie ihre Taten /
    Vom Feind wird Frankreich befreit, erobert Burgen und Städte zurück / Niemals gab es eine Macht von solcher Stärke / ob zu Hunderten oder zu Tausenden, von tapferen und tüchtigen Gefolgsleuten ist sie / die höchste Anführerin."


    Ein Lobgesang auf Jeanne d’Arc, 1429 verfasst von einer berühmten Zeitgenossin, der Dichterin und ersten Frauenrechtlerin des Mittelalters Christine de Pisan. Sie war tief beeindruckt von Mut und Haltung des um den 6. Januar 1412 als Tochter lothringischer Bauern in Domrémy geborenen Mädchens. Im Alter von etwa 13 Jahren erklärte Jeanne d’Arc, Stimmen von Heiligen zu hören, die ihr sagten, sie sei von Gott ausersehen, Frankreich zu einen und aus der Herrschaft Englands zu befreien.

    "Jeanne war nicht die erste und einzige Seherin ihrer Zeit. Aber das Besondere an ihr, schon für die Zeitgenossen, war die ihr aus den Visionen erwachsene Energie, die Art und Weise, wie das junge Mädchen die Aufträge der Stimmen in die Realität umzusetzen wusste."

    so der Historiker Gerd Krumeich.

    Seit 1339 tobte der Konflikt zwischen Frankreich und England, zwischen den Armagnac und den Burgundern. Im Verlauf des Hundertjährigen Krieges verbündete sich England mit dem Herzogtum Burgund und besetzte große Teile Frankreichs; das Land war zersplittert und die Macht des Thronfolgers geschwächt. Diese demütigende Situation wollte Jeanne beenden. Im Frühjahr 1429 gelang es ihr, von König Charles VII. angehört zu werden. Beeindruckt vom Auftreten der jungen Frau, veranlasste er Untersuchungen über ihre Glaubwürdigkeit, das Urteil wurde öffentlich verkündet:

    "Der König darf in Anbetracht seiner und seines Reiches Notlage ( ... ) die Jungfrau, die sagt, dass sie von Gott gesandt sei, um ihm Hilfe zu bringen, nicht zurückweisen und nicht verwerfen, auch wenn es möglich ist, dass diese Versprechen nur menschliche Erfindungen sind."

    Aber Jeanne hielt ihr Versprechen. In Ritterrüstung hoch zu Pferde führte sie die Soldaten an. Zuerst galt es, der von englischen Truppen belagerten Stadt Orléans zu Hilfe zu kommen. Vor dem Aufbruch diktierte Jeanne, die nie lesen und schreiben gelernt hatte, ihren berühmten "Brief an die Engländer":

    "König von England ( ... ) geht im Namen Gottes in Euer Land zurück ( ... ) Wenn Ihr das nicht tut, so wisset, ich bin Kriegsherr und wo immer ich Eure Leute in Frankreich finde, werde ich sie verjagen ( ... ) und wenn sie sich widersetzen, werde ich sie alle töten. Ich bin von Gott, dem König des Himmels hierher gesandt, um Euch Mann für Mann aus Frankreich hinauszuschlagen."

    Unter ihrer Führung gelang es, Orléans zu befreien. Am 8. Mai 1429 zogen sich die englischen Truppen zurück, es war die entscheidende Wende im Hundertjährigen Krieg. Nun sollte Charles zum König aller Franzosen in Reims gesalbt werden.

    Am 17. Juli 1429 wurde er als Charles VII. in der Kathedrale zu Reims gekrönt. Ein triumphaler Sieg für Jeanne d’Arc - ihr letzter. Denn die Befreiung von Paris aus der Herrschaft der mit England verbündeten Burgunder scheiterte, die "eiserne Jungfrau" wurde verraten und an England verkauft. In Rouen klagte sie der mit dem englischen Adel verbündete Klerus als Ketzerin an. Man warf ihr vor, Männerkleidung getragen und die Schranken ihres Geschlechts überschritten zu haben. Jeanne d’Arc wurde am 5. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen verbrannt, doch 25 Jahre nach ihrem Tod rehabilitiert. Erst im 19. Jahrhundert, zur Zeit der nationalen Befreiungsbewegungen, wurde sie als mutige Patriotin wiederentdeckt, die den Kampf gegen fremde Mächte aufgenommen hatte.

    Giuseppe Verdi setzte ihr mit der Oper Giovanna d’Arco 1845 ein Denkmal - angeregt durch Friedrich Schillers Trauerspiel "Die Jungfrau von Orléans".

    "Der Retter Frankreichs konnte nur eine Frau sein. Frankreich selbst war Frau, es hatte die Wendigkeit und auch die liebenswerte Zartheit, das anrührende Mitgefühl einer Frau ( ... ) Jene, die widerständig sind und so bis zum Ende ihr Ziel verfolgen, sie sind die wahrhaft Auserwählten."

    resümierte der Historiker Jules Michelet in seiner großen Geschichte Frankreichs: Jeanne d’Arc, die Nationalheldin, wurde 1920 heilig gesprochen.