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Eine Frage der Gerechtigkeit

Das politische Berlin hat wieder in den Wahlkampfmodus geschaltet. Beim Thema Steuern laufen scharfe Trennlinien zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün. Und ein Wort ist dabei immer deutlicher zu vernehmen: Steuererhöhungen.

Von Constanze Hacke | 17.12.2012
    Gerechtigkeit. Das Gerecht sein: Prinzip eines staatlichen oder gesellschaftlichen Verhaltens, das jedem gleichermaßen sein Recht gewährt.

    Zumindest der Duden hat eine recht klare Vorstellung von dem, was Gerechtigkeit bedeutet. In der Politik dagegen könnten die Gegensätze größer nicht sein. Für die Steuerpolitik gilt das ganz besonders. Dabei sind sich alle Parteien einig darin, dass ein Steuersystem gerecht sein sollte. Nur die Frage danach, was ein gerechtes Steuersystem überhaupt ausmacht, wird äußerst unterschiedlich beantwortet.

    Das wird besonders deutlich, seitdem das politische Berlin in den Wahlkampfmodus geschaltet hat. Die Trennlinien zwischen Schwarz-Gelb auf der einen Seite und Rot-Grün auf der anderen Seite verlaufen scharf. Der Steuerwahlkampf gewinnt an Fahrt. Anders als 2005 und 2009 dreht sich die Diskussion diesmal aber weniger um Reformen und Vereinfachung, sondern um ganz grundlegende Fragen der Gerechtigkeit. Bei den vergangenen Bundestagswahlen stand die Forderung nach einer Entlastung bei Steuern und Abgaben im Zentrum – bei fast allen Parteien. Nun ist ein neuer Tonfall zu hören. Und ein Wort ist dabei immer deutlicher zu vernehmen: Steuererhöhungen. Auch für den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück kein Tabu mehr.

    "Die SPD mit einer Bundesregierung unter meiner Führung wird deshalb aus guten Gründen nicht alle Steuern für alle, aber einige Steuern für einige erhöhen. Und wir werden dies nicht verzagt, nicht verschämt machen, sondern gut begründet machen."

    Diejenigen, die oben in der Einkommenspyramide stehen, sollen mehr Lasten schultern. Daher plant die SPD, den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer anzuheben und das Ehegattensplitting zu reformieren. Für Kapitalerträge sollen Anleger wieder mehr Steuern zahlen. Auch das Aufkommen der Erbschaftsteuer wollen die Sozialdemokraten erhöhen – allerdings mit Freibeträgen für nahe Angehörige und Betriebsvermögen.

    Die Grünen gehen in der Steuerpolitik noch einige Schritte weiter. Der Spitzensteuersatz soll nicht nur auf 49 Prozent steigen, sondern bereits wesentlich früher greifen als jetzt. Kapitaleinkünfte sollen wieder progressiv und nicht wie derzeit pauschal mit 25 Prozent besteuert werden. Außerdem wollen die Grünen eine Vermögensabgabe einführen. Diese Abgabe soll Nettovermögen von über einer Million Euro auf zehn Jahre mit jährlich 1,5 Prozent belasten. Eine Variante der Vermögensteuer, die wiederum in der SPD diskutiert und von den Linken gefordert wird. Die Kanzlerin hat nun bekräftigt, dass sie beide Vorschläge, die Vermögensteuer und eine Anhebung der Erbschaftsteuer, für mittelstandsfeindlich und damit für falsch hält. Aus Sicht von Thiess Büttner, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg, zeigt die aktuelle Debatte vor allem eines: dass sich die Steuerpolitik von wirtschaftlichen Überlegungen wegbewegt.

    "Bei der Besteuerung ist es schon so, dass offenbar ein Gerechtigkeitsgefühl jetzt stärker bedient werden soll, dass man vielleicht das Gefühl hat, dass die Einkommensverteilung so ist, dass man sie korrigieren will oder auch die Vermögensverteilung. Das sind also Themen, die alte Themen sind und die man jetzt wiederentdeckt. Aber ich glaube, das ist doch der Zusammenhang, dass man sich weg orientiert von einer effizienz-orientierten Politik und stärker eine Politik machen will, die auf Umverteilung setzen will."

    Ein altbekanntes Thema also. Steuerreform: Für viele wenig, für wenige mehr. So schrieb das Magazin "Der Spiegel" bereits in seiner Titelgeschichte vom 1. Juli 1974:

    Sie zogen aus mit großen Versprechen und noch größeren Worten. Steuergerechtigkeit stand auf dem Programm. Große Einkommen sollten weniger begünstigt, kleine und mittlere weniger belastet werden. Die großen Worte sind verklungen.

    Man könnte den Eindruck gewinnen, dass sich seitdem wenig verändert hat in der deutschen Steuerpolitik. Der Pforzheimer Ökonom und Buchautor Hanno Beck befasst sich unter anderem mit der historischen Entwicklung von Steuersystemen. Er kommt zu dem Schluss, dass ein breiter Ansatz in der Steuerpolitik derzeit eher fehlt.

    "Man versucht den Wählern eigentlich zu verkaufen, dass man etwas tut, was das Steuersystem gerechter macht oder was Leistung mehr belohnt. Und was man dann tatsächlich macht, ist oftmals sehr pragmatisch, stellenweise auch Interessen-getrieben. Aber ein einheitliches Konzept können Sie eigentlich bei keiner der Parteien entdecken. Es ist überall eher Stückwerk."

    Umfrage:
    Steuergerechtigkeit: Das wäre schon sinnvoll, aber letzten Endes, ich glaub das nicht ganz, dass das funktioniert.

    Ich finde es ziemlich kompliziert. Man sieht nicht so richtig durch. Ich wünsche mir auch, dass es einfacher ist.

    Es fehlt jede Durchsichtigkeit für den normalen Bürger.

    Vor knapp vier Jahren waren Union und FDP angetreten, um das Steuersystem zu reformieren und transparenter zu machen. Darin waren sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle einig.

    Merkel: "Wir werden Steuerentlastungen machen, das habe ich vor der Wahl gesagt und das sage ich auch jetzt."

    Westerwelle: "Wir Liberale werden einen Koalitionsvertrag nur unterzeichnen, wenn darin ein niedrigeres, einfacheres und gerechtes Steuersystem aufgeschrieben ist, weil es mit der Abkassiererei ein Ende haben muss in Deutschland, das ist unser Wort, das gilt."

    Steuern sollten gesenkt werden, das Steuerrecht verständlicher und einfacher werden. Das Chaos beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz sollte auf den Prüfstand. Dieser diente ursprünglich dazu, Lebensmittel und kulturelles Leben für Geringverdiener erschwinglich zu halten. Wie bei so vielen Steuervergünstigungen geht es aber auch hier inzwischen nur noch um pure Subventionspolitik, zuletzt für Hotelübernachtungen. Das System der linear-progressiv steigenden Einkommensteuer wollte die schwarz-gelbe Koalition in einen Stufentarif umbauen – eigentlich schon zum 1. Januar 2011. Geblieben ist von den Versprechen wenig. Nach einem denkbar schlechten Start, der die Koalition wohl noch auf Jahre mit den Steuervergünstigungen für Hoteliers verbindet, passierte auf den großen Reformbaustellen nicht mehr viel. Birgit Reinemund, Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestags, glaubt, dass die Steuerpolitik in der Realität des Parlamentsalltags auf Grenzen stößt.

    "Dann haben wir natürlich ein historisch gewachsenes Steuersystem mit sehr vielen Ausnahmeregelungen und sehr komplexen Verflechtungen, sodass Sie bei jeder Änderung natürlich nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer hervorrufen, sodass die einzelnen Interessenvertreter dann ganz schnell auf die Barrikaden gehen. Das merken Sie bei jedem Steuervorhaben, das merken Sie bei jeder Anhörung im Finanzausschuss, bei denen die Experten beider Seiten, der Befürworter und der Gegner der jeweiligen Änderung, sehr massiv ihre Bedenken vorbringen."

    Das deutsche Steuerrecht besteht inzwischen aus unzähligen Paragrafen in Gesetzestexten, Anhängen, Verordnungen, Erlassen und Schreiben der Finanzbehörden. Selten fallen Bestimmungen weg, immer wieder kommen neue hinzu.

    Aber auch die wirtschaftspolitischen Realitäten begrenzen politischen Handlungsspielraum. Milliardenlöcher im Haushalt, Finanz- und Schuldenkrise, steigende Kosten für Ausgaben im sozialen Bereich – all das lässt den großen Wurf in der Steuerpolitik kaum zu. Im Gegenteil. Gleich, welches Farbenspiel die jeweilige Koalition bestimmte, waren und sind Steuern vor allem eines: eine leicht zu erschließende Einnahmequelle. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW in Berlin zieht eine Bilanz der vergangenen knapp 15 Jahre:

    "Es hat in der Tat Steuererleichterungen für niedrige Einkommen gegeben. Auch Familien mit Kindern sind durch die rot-grüne Regierung entlastet worden. Dem steht allerdings gegenüber eine sukzessive Anhebung der indirekten Steuern, die Mehrwertsteuer ist mehrfach erhöht worden, sogar um drei Prozentpunkte auf einen Streich im Jahr 2007. Die Ökosteuern sind angehoben worden. Und das sind natürlich Steuern, die mehr den Grundbedarf belasten und die hohen Einkommen nicht so stark treffen, weil die natürlich weniger von ihrem gesamten Einkommensbudget konsumieren."

    Umfrage
    Da kriegt man ne Gehaltserhöhung und hat hinterher noch weniger Geld. Also wo ist da irgendwelche Gerechtigkeit?

    Die Gerechtigkeitsdebatte ist so alt wie das Steuersystem selbst. Allerdings scheint sie in Deutschland besonders ausgeprägt zu sein, wo sich vor allem in der Steuerpolitik immer auch Ideologien widerspiegelten. Beschließt die eine Regierung eine Steuerreform, kassiert die nächste Regierung die Änderungen wieder ein. Immer wieder scheitern Vorhaben an den unterschiedlichen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat – oft ohne nachvollziehbaren inhaltlichen Grund. Das zeigte sich vor einigen Tagen im Vermittlungsausschuss des Bundesrates, der zum reinen Pokerspiel der politischen Lager verkam: Am Ende ließ die SPD unter anderem die Pläne der Koalition zur Korrektur der "kalten Progression" scheitern, obwohl dies eigentlich gerade kleine und mittlere Einkommensbezieher entlastet hätte.

    Dazu kommt, dass so manche Neuregelung mit heißer Nadel gestrickt wird, meint der Präsident des Bundesfinanzhofs, Rudolf Mellinghoff:

    "Es ist so, dass Änderungen im Steuerrecht immer schon häufig waren. Das Einkommensteuerrecht wird durchschnittlich in einem Jahr durch zehn unterschiedliche Gesetze geändert. Das ist ein großes Ärgernis, ist aber auch darauf zurückzuführen, dass teilweise die Gesetzgebung unter einem unerhörten Zeitdruck steht und dabei Fehler macht, die hinterher wieder korrigiert werden müssen."

    Ein Beispiel dafür ist die Erbschaftsteuerreform, die von der Großen Koalition 2008 beschlossen wurde. Schon damals war der Anlass für die Reform, dass das Bundesverfassungsgericht die Bewertungen im Erbschaftsteuerrecht als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz verwarf. Nun hält das oberste deutsche Steuergericht die Neuregelungen ebenfalls für verfassungswidrig.

    Mellinghoff: "Wenn Sie zum Beispiel die Vorlage des zweiten Senats des Bundesfinanzhofs ans Bundesverfassungsgericht zur Erbschaftsteuer sehen, dann merken Sie, dass ein entscheidendes Problem ist, dass man dort eine bestimmte Vermögensart ganz dramatisch begünstigt hat. Und das führt zu ganz aberwitzigen und unsinnigen Gestaltungen, die nur darauf zurückzuführen sind, dass bestimmte Steuerpflichtige ihr Vermögen eben deklarieren, umwandeln oder jedenfalls zuordnen wollen dieser begünstigten Vermögensmasse."

    Politisches Motiv dieser Vergünstigungen war, die Erben von Unternehmen von zusätzlichen Steuerlasten zu befreien. Mit dem wirtschaftspolitischen Ziel, Arbeitsplätze zu erhalten. Was also ist gerecht: eine stärkere Belastung von Erben, eine Finanztransaktionssteuer auf den Handel von Aktien und Anleihen oder eine Vermögensteuer?

    Umfrage
    Man könnte vielleicht die Reicheren etwas mehr zur Kasse bitten ...

    Fakt ist, dass die Vermögensschere in Deutschland in den vergangenen Jahren immer weiter aufgegangen ist. Dies belegt auch der neue Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der vorab bekannt wurde. Demnach besitzen zehn Prozent der Bevölkerung inzwischen mehr als die Hälfte des Nettogesamtvermögens. Doch wer gilt eigentlich als reich und sollte zum Beispiel eine Vermögensteuer zahlen müssen? Diese Definition ist und bleibt eine politische Frage. DIW-Experte Stefan Bach:

    "Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung, die adressiert man mit solchen Vorschlägen. Und das wäre beim Einkommen ein Niveau von 70.000 Euro Jahreseinkommen und beim Vermögen ein Niveau von 300.000 Euro Nettovermögen, also Bruttovermögen, Immobilien, Geldvermögen und Betriebsvermögen abzüglich Verbindlichkeiten."

    Der Forscher macht bei seinen Studien immer wieder die Erfahrung, dass sich in diesem Bereich viele Menschen bewegen, die sich eigentlich der Mittelschicht zugehörig fühlen: Zum Beispiel der leitende Angestellte mit Eigenheim. Trotzdem zeige dies, dass viele Menschen mit deutlich niedrigerem Einkommen über die Runden kommen müssen. Eine Abgabe auf Vermögen wäre in Deutschland nichts Neues. Bereits 1913 wurde sie über drei Jahre unter dem Etikett eines "Wehrbeitrags" erhoben und erwirtschaftete 1,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Das sogenannte "Reichsnotopfer" von 1919 mit Steuersätzen zwischen zehn und 65 Prozent scheiterte weitgehend: Für die Finanzverwaltung war es fast unmöglich, die Vermögenswerte zu ermitteln, die hohen Steuersätze lösten Empörung und Steuerflucht aus. Die 1949 eingeführte Vermögensabgabe hatte zum Ziel, all diejenigen, die vom Krieg nicht so stark geschädigt worden waren, mit einer Vermögensabgabe zu belegen.

    Die Vorstellung, dass Menschen mit hohem Vermögen einmalig belastet werden, damit auf diese Weise ein Teil der Staatsverschuldung abgetragen werden kann, ist wieder in Mode gekommen.

    Aber es gibt durchaus andere Bereiche im deutschen Steuersystem, die der Gerechtigkeitsprüfung noch einmal unterzogen werden könnten. Und die ein Beispiel dafür abgeben, dass Steuergerechtigkeit und Vereinfachung eben keine zwei Seiten derselben Medaille sind, wie der Steueranwalt Burkhard Binnewies betont:

    "Die Einkünfte aus Kapitalvermögen, potenziell ja eher erzielt bei wirtschaftlich potenten Steuerpflichtigen, werden privilegiert besteuert mit einem Pauschalsteuersatz von 25 Prozent. Völlig unabhängig davon, wie hoch das zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen ist. Das ist ein ganz konkretes Beispiel für die Ungerechtigkeit von Steuervereinfachung."

    Umfrage
    Ich würde mir wünschen ein ganz einfaches Steuersystem ( ... ) ohne viel Ausnahmemöglichkeiten oder was auch immer.

    Trotzdem bleibt neben der Steuergerechtigkeit der Wunsch nach einem einfachen Steuerrecht bei den Deutschen tief verwurzelt. Parteiübergreifend starteten daher im Oktober vier Bundesländer eine am Freitag vom Bundesrat beschlossene Initiative, um das Steuersystem zu vereinfachen. Zumindest ein wenig: ein höherer Pauschbetrag für Arbeitnehmer, weniger Abzugsmöglichkeiten für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerker. Der Präsident des Bundesfinanzhofs, Mellinghoff, ist der Ansicht, dass solche Mini-Reformen nicht ausreichen.

    "Ich bin schon der Auffassung, dass man das Steuerrecht deutlich vereinfachen kann, ohne dass die Gerechtigkeit Schaden nimmt. Und wenn Sie zum Beispiel die Erhebungen des Bundesrechnungshofs und der Landesrechnungshöfe sehen, dann kommen da teilweise ganz dramatische Befunde. Der Bundesrechnungshof hat etwa 300 Fälle der doppelten Haushaltsführung geprüft und festgestellt, dass nicht einer dieser Fälle ordnungsgemäß veranlagt worden ist und dass die Mehrzahl der Arbeitnehmerveranlagungen Fehler aufgewiesen hat. Das liegt an einem extrem komplizierten und meines Erachtens auch übertrieben an einem Einzelfall ausgerichteten Steuerrecht."

    Das deutsche Steuersystem scheint unauflösbar gefangen zu sein zwischen den Polen Gerechtigkeit und Durchschaubarkeit. Der Pforzheimer Wirtschaftsprofessor Hanno Beck findet, dass man der Steuerpolitik damit zu viel aufbürdet:

    "Wir haben versucht, aus unserem System eine eierlegende Wollmilchsau zu machen. Es soll alles leisten, es soll Gerechtigkeit bieten, es soll Kinder fördern, Solarenergie fördern, es soll Leistungsanreize schaffen. Es soll alle möglichen individuellen Tatbestände berücksichtigen. Und das Resultat ist, dass wir zum Schluss ein Steuersystem haben, in dem alles geht und nichts möglich ist und in dem Sie überhaupt nicht mehr wissen, aus welcher Tasche das Geld in welche Tasche fließt."

    Dass das deutsche Einkommensteuerrecht bereits stark von oben nach unten umverteilt, merken viele Steuerzahler kaum. Steueranwalt Binnewies nennt den Grund dafür:

    "Da geschieht dem deutschen Steuerrecht eine große Ungerechtigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung. Denn wenn man sich dann tatsächlich die Lohnabrechnung anguckt, dann sind es die Sozialabgaben, die Niedriglöhne tatsächlich belasten. Es sind nicht die Steuern. Also, das System der Umverteilung ist da, überhaupt keine Frage. Das beinhaltet das Einkommensteuergesetz über den progressiv gestalteten Tarif: Je höher die Einkünfte sind, desto höher steigt nicht nur der Anteil, der versteuert werden muss, sondern auch der Prozentsatz."

    Womöglich ist das Steuersystem auch die falsche Baustelle, um die Gerechtigkeitslücke in Deutschland zu schließen. Zudem sind die Verteilungswirkungen in vielen Bereichen nicht wirklich klar auszumachen. Gerechtigkeit ließe sich nach Ansicht des Volkswirtschafts-Professors Büttner besser außerhalb der Steuerpolitik herstellen:

    "Das Problem insgesamt zu lösen in der Einkommensverteilung, glaube ich, da muss man viel breiter ansetzen. Da geht es eigentlich auch darum, eine Durchlässigkeit zu haben in der Gesellschaft. Da geht es darum, auch für Leute, die aus unteren Einkommensschichten kommen, eine Chance zu entwickeln, dass die eben auch Zugang haben zu guten Einkommensmöglichkeiten und zu guten Jobs. Hier müsste viel breiter angesetzt werden und es ist auch eine sehr langfristige Aufgabe, so eine Verteilung zu sichern."

    Gerechtigkeit: eine Frage der Definition. Und am Ende bleibt wohl nur die Sache mit dem guten Gefühl für den Steuerzahler.

    Umfrage
    Ich wünsche mir aber auch, dass die Steuern dann auch gescheit verwendet werden am Ende. / Und dann ist gut.