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Eine Frage der Würde

Am Freitag wird vom Bundesgerichtshof ein Urteil erwartet, dass grundlegend für den Umgang mit Sterbenskranken sein kann. Die Karlsruher Richter befassen sich mit der Frage, wo die Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe verläuft und wie mit Patientenverfügungen umzugehen ist, in der ein Sterbewille geäußert wird.

Von Ingrid Füller | 23.06.2010
    "Wenn ich schwerstkrank und schwerstbeschädigt wäre, dann würde ich mir wünschen, dass eine Sterbehilfe geleistet wird. Und dass mein Patientenwille, also mein Patiententestament, völlig anerkannt wird. Es geht letztlich um die Frage der Autonomie des Menschen am Lebensende. Kann ich selbst bestimmen?"

    Friedlich und in Würde, so möchte wohl jeder sterben. Doch die Fortschritte der modernen Medizin bewirken, dass der Tod nur noch selten plötzlich eintritt. Das Sterben zieht sich oft immer länger hin. Und: Etliche unheilbar kranke, nicht mehr entscheidungsfähige Patienten werden mit medizinischen Maßnahmen am Leben gehalten, auch dann, wenn eine anderslautende Patientenverfügung vorliegt. So war es auch bei Erika Küllmer aus Bad Hersfeld. Im Herbst 2002 fiel die damals 71-Jährige nach einer Hirnblutung ins Wachkoma. Die Ärzte legten ihr eine Magensonde, mit der die Patientin künstlich ernährt wurde.

    Fünf Jahre lang hing das Leben der Schwerstpflegebedürftigen am Schlauch einer Magensonde. Und das entgegen dem erklärten Willen der Patientin. Denn Erika Küllmer hatte ihrer Tochter bereits Jahre zuvor erklärt, man möge sie im Falle einer schweren, aussichtslosen Erkrankung nicht dauerhaft mit Maschinen am Leben halten. Aus Sorge vor strafrechtlichen Folgen weigerte sich die Geschäftsleitung des Pflegeheims jedoch, dem früher geäußerten Willen der Patientin zu entsprechen. Selbst die Empfehlung des behandelnden Hausarztes, die künstliche Ernährung abzubrechen, blieb ohne Erfolg. Um ihrer Mutter nach mehreren Knochenbrüchen und der Amputation eines Armes endlich ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, schnitt die Tochter im Dezember 2007 auf Anraten des bekannten Medizinrechtlers Wolfgang Putz die Magensonde durch. Erika Küllmer bekam zwar eine neue Sonde gelegt, doch sie starb wenig später eines natürlichen Todes. So begann eine der spektakulärsten Auseinandersetzungen in der deutschen Rechtsgeschichte zum Thema Sterbehilfe.

    Der Fall wurde vor dem Landgericht Fulda verhandelt. Dort kamen die Richter zu dem Schluss, die Tochter von Erika Küllmer habe zusammen mit Rechtsanwalt Putz "versuchten Totschlag durch aktives Tun" begangen. Zwar wurde die Tochter freigesprochen, weil sie dem Rat ihres Anwalts gefolgt sei - und dabei irrtümlich davon ausgegangen sei, ihre Tat sei nicht strafbar. Doch das Fuldaer Landgericht verurteilte im April 2009 Rechtsanwalt Wolfgang Putz zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe und zu einer Geldstrafe von 20.000 Euro.

    Die Entscheidung der Fuldaer Richter wirkt grotesk: Denn einerseits werteten sie das Durchtrennen des Sondenschlauchs als versuchte Tötung. Andererseits betrachteten sie das Legen einer Magensonde gegen den Willen der Patientin als Körperverletzung. Der Grund: Zwangsbehandlungen sind in Deutschland unzulässig - die Tochter hatte also eigentlich einen rechtwidrigen Zustand beendet. Reinhard Merkel, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg:

    "Das kann man leicht überprüfen, wenn man sich die autonome Person im aktuellen entscheidungsfähigen Zustand vorstellt. Dann kann sie jede Behandlung verweigern, und zwar zu jeder Zeit. Was es in unserem Land vor dem Hintergrund des Grundgesetzes nicht geben darf, sind Zwangsbehandlungen - und wenn sie nach medizinischen Kriterien noch so vernünftig erscheinen mögen. Die Zwangsbehandlung darf es aber im Prinzip auch für eine nicht mehr entscheidungsfähige Person nicht geben, wenn diese Person vorher festgelegt hat, ich möchte das nicht."

    Schon im Jahr 2005 hatte der zwölfte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem anderen Fall erklärt, kein Pflegeheim habe das Recht, eigenmächtig die künstliche Ernährung eines Bewohners durchzuführen - gegen dessen Willen und gegen das Verbot von Arzt und Betreuer. Und das im vergangenen Jahr verabschiedete Patientenverfügungsgesetz garantiert ebenfalls, dass der Wille des Patienten bis zum Lebensende verbindlich zu befolgen ist. Allerdings ließ damals der Gesetzgeber offen, ob und unter welchen Umständen der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme ein Tötungsdelikt sein kann.

    Diese Lücke zwischen Zivil- und Strafrecht hat in der Praxis zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt. Nun wird erwartet, dass der zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofs diese Fragen klärt - und damit ein Grundsatzurteil mit weitreichenden Folgen fällt. Der vom Landgericht Fulda verurteilte Rechtsanwalt Putz hofft nicht nur auf Freispruch, sondern auch auf ein klares Wort zur Sterbehilfe: Wann darf eine Behandlung von unheilbar kranken, nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten, abgebrochen werden? Was ist rechtswidrig: die Fortsetzung der künstlichen Ernährung - trotz anderslautender Patientenverfügung - oder aber der Abbruch der Maßnahme, die unweigerlich zum Tod des Patienten führt?

    Die Zeichen für Wolfgang Putz stehen gut, denn sowohl die Verteidigung als auch die Bundesanwaltschaft haben in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH auf Freispruch plädiert. Selbst Vertreter ärztlicher Standesorganisationen, die sich im Allgemeinen sehr zurückhaltend zum Thema Sterbehilfe äußern, hoffen, dass der Bundesgerichtshof Rechtsanwalt Putz von der Anklage wegen "versuchten Totschlags durch aktives Tun" freispricht. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Hamburger Ärztekammer und Vizepräsident der Bundesärztekammer:

    "Ich halte das Entfernen einer Magensonde dann, wenn eine eindeutige Patientenverfügung vorliegt, nicht für einen aktiven Vorgang, mit dem man das Leben aktiv beendet. Das ist keine aktive Euthanasie. Obwohl ich, das mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, schon der Meinung bin, dass zwischen Behandlung und Ernährung und Zurverfügungstellung von Flüssigkeit durch eine Magensonde ein Unterschied ist. Das ist für mich eine lebensnotwendige life-line, eine solche Magensonde, und kein Behandlungsvorgang an sich."

    Den Behandlungsvorgang sieht der Vizepräsident der Bundesärztekammer im Legen der Magensonde. Danach wird die Sonde seiner Ansicht nach zu einem ganz normalen Ernährungsinstrument, das mit Behandlung nichts zu tun hat. Ein feiner Unterschied, der für Laien nicht leicht nachvollziehbar ist.

    "Widersprüchlich, wie viele Positionen in dem ganzen Kontext, sind natürlich, dass ich den aktiven Vorgang, das dann einfach raus zu ziehen, nicht gut finde. Aber wenn dann eine Patientenverfügung vorliegt, die klar sagt, dass der Patient gar keine Magensonde hätte haben wollen, halte ich es für genauso legitim, dann nicht wiederum eine neue zu legen."

    Die Widersprüche und unterschiedlichen Interpretationen zeigen, wie notwendig das für übermorgen erwartete Urteil des Bundesgerichtshofs ist. Denn bislang gibt es noch keine höchstrichterliche Entscheidung im Strafrecht darüber, ob der Abbruch einer lebensverlängernden Maßnahme ein Tötungsdelikt ist - wenn eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt.

    In Deutschland wird zwischen aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe unterschieden. Aktive Sterbehilfe bedeutet "Tötung auf Verlangen" - zum Beispiel wenn der Arzt einem Patienten ein Mittel spritzt, das zum Tode führt. Aktive Sterbehilfe ist nach § 216 des Strafgesetzbuchs verboten. Dagegen ist passive Sterbehilfe erlaubt. Denn hier geht es nicht um die Tötung durch Dritte, sondern um ein Sterben-lassen. Dann, wenn der Patient im Verlauf seiner Krankheit oder aber in einer vorab verfassten Patientenverfügung lebensverlängernde Maßnahmen wie etwa künstliche Ernährung oder künstliche Beatmung bei bestimmten Krankheitszuständen ablehnt.

    Was auf den ersten Blick klar und eindeutig wirkt, erweist sich in der Praxis häufig als Problem. Auch der Fall, der übermorgen vom Bundesgerichtshof entschieden wird, ist dafür ein Beispiel: War das Durchschneiden der Magensonde, an der Erika Küllmer gegen ihren Willen fünf Jahre lang hing, aktive oder passive Sterbehilfe?

    Auch die "indirekte Sterbehilfe" ist in einer rechtlichen Grauzone angesiedelt. Einerseits dürfen Ärzte in Deutschland keine tödlich wirkenden Medikamente verabreichen. Andererseits ist es nicht strafbar, wenn sie einem Todkranken auf dessen Wunsch hin Mittel geben, die sein Leiden lindern, gleichzeitig aber auch das Sterben beschleunigen können. Dazu die Aussage eines Arztes, der seit vielen Jahren auf der Palliativstation eines Krankenhauses arbeitet. Dort werden Patienten, die an einer fortgeschrittenen unheilbaren Erkrankung leiden, von Ärzten, Krankenschwestern und Psychologen intensiv betreut, damit sie die letzten Wochen vor dem Tod möglichst schmerzfrei und entspannt erleben können.

    "Es gibt sicherlich einige Fälle, die wirklich schwersten Leiden haben, die wirklich jammervolle Beschwerden haben, zum Beispiel entstellende Tumore, und das sind natürlich auch Grenzsituationen. Aber es ist ja so, dass uns eigentlich sowohl die ärztliche Berufsordnung als auch die derzeitige Rechtsprechung erlaubt, den Patienten wirklich die Beschwerden zu lindern mit ausreichend Medikamenten, auch mit dem Ergebnis, dass das Leben dadurch verkürzt wird. Wenn das Ziel also nicht die Tötung auf Verlangen ist, sondern die Linderung der Beschwerden, dann ist eine Verkürzung des Lebens erlaubt."

    Die Universität Bochum veröffentlichte kürzlich erste Ergebnisse einer anonymen Befragung von 780 Palliativmedizinern. Das Ergebnis: Rund 600 Mal hatten die Ärzte unerträgliche Beschwerden ihrer Patienten medikamentös gelindert und damit ein beschleunigtes Sterben der Schwerstkranken in Kauf genommen.

    Obwohl indirekte Sterbehilfe nicht verboten ist, gibt es kaum Ärzte, die sich in der Öffentlichkeit dazu äußern. Das Gleiche gilt für eine weitere Form der Sterbehilfe: die ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung unheilbar kranker Menschen.

    Dabei stellt der Arzt einem sterbewilligen Patienten ein tödlich wirkendes Mittel zur Verfügung, das der Patient jedoch selbst einnehmen muss. Laut Grundgesetz ist dieser "ärztlich assistierte Suizid" nicht untersagt - aber eben auch nicht explizit erlaubt. Dazu Professor Edzard Schmidt-Jorzig, Verfassungsrechtler und Vorsitzender des Deutschen Ethikrats.

    "Positiv gestattet ist so etwas weder in der Verfassung noch im einfachen Recht, aber man könnte es wohl durch ein Gesetz über die Sterbehilfe beschließen, und dann davon ausgehen, dass die Verfassung das jedenfalls nicht unterbände. Ob man das machen soll, ist eine Frage der Politik. Ich persönlich habe Zweifel daran, ob es wirklich geboten ist, einen ärztlich assistierten Suizid zuzulassen. Denn, was unsereins so mitbekommt, sind die Fälle, in denen so etwas virulent werden würde, keineswegs so hoch, wie der Diskussionsdruck in der Öffentlichkeit einen glauben machen will. Und dann höre ich auch von den Ärzten, dass die meisten dieser Fälle, die gehen sowieso in großer Friedlichkeit über die Bühne, weil die Angehörigen, die Ärzte und der betroffene Sterbende sich dann einig sind."

    Für schwerst- und unheilbar kranke Menschen kann die ärztliche Beihilfe zum Sterben ein äußerstes Mittel sein, das ihre Qualen beendet. Doch die meisten Ärzte schrecken davor zurück, denn auch wenn er nicht gesetzlich verboten ist - standesrechtlich gilt der ärztlich assistierte Suizid als unethisch. Edzard Schmidt-Jorzig, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats:

    "Das ist das klassische Arztbild, das seit Hippokrates herrscht, dass der Arzt eben ein Lebenshelfer ist und kein Sterbehelfer. In dem klassischen Eid des Hippokrates steht ja nun ausdrücklich drin, dass der Arzt auch nicht die Hand zu irgendetwas reichen darf, was Leben beendet und nicht Leben ermöglicht. Und dieses klassische Verständnis ist, selbst wenn heute kein hippokratischer Eid mehr verlangt wird, immer noch maßgeblich."

    Doch es gibt Ärzte, die sich zwar vorrangig, aber nicht um jeden Preis als Lebenshelfer betrachten. Einer von ihnen ist Dr. Michael de Ridder, Leiter der Rettungsstelle im Vivantes-Klinikum in Berlin-Kreuzberg. Der Internist, der kürzlich das Buch "Wie wollen wir sterben?" veröffentlicht hat, setzt sich seit Langem für einen friedlichen Tod unheilbar kranker Patienten ein. Auch Michael de Ridder ist ein erklärter Verfechter der Palliativmedizin, weiß aber aus der jahrzehntelangen ärztlichen Erfahrung auch um deren Grenzen.

    "Wenn man über den assistierten Suizid spricht, über die Legitimation des assistierten Suizids, muss man sich klar machen, dass neben all ihren Errungenschaften, auf die wir stolz sind, die Medizin Existenzweisen hervorgebracht, in die Menschen ohne sie nie geraten wären."

    Wachkoma-Patienten zum Beispiel oder Menschen, die an unheilbaren, fortschreitenden Querschnitts- oder Muskellähmungen leiden; Unfallopfer, die sich vom Kiefer abwärts nicht mehr bewegen können. Wenn solche Schwerstkranken ihre Existenz nicht mehr ertrügen, sei es fraglich, ob ein Arzt der Not seiner Patienten gerecht werde, wenn er sich ausschließlich auf seine Rolle als Lebenshelfer berufe.

    "Da kann eine ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung nicht allein gerechtfertigt sein, sondern sie kann geboten sein. Hierzu sind ganz bestimmte Voraussetzungen notwendig. Für mich gehört dazu: eine aussichtslose Erkrankung, die maximal behandelt ist, dazugehört für mich natürlich ein Patient, der nicht psychiatrisch krank ist, der völlig frei und nachhaltig entscheidet, und dem auch alle anderen Möglichkeiten, die die Medizin hat, etwa alle palliativmedizinischen Möglichkeiten vor Augen geführt worden sind, auch mit ihm besprochen worden sind, ehe eine solche Zustimmung vonseiten des Arztes erfolgt. Dann kann sie aber so ausfallen, dass ich sagen muss, ich spreche zunächst einmal nur von mir, das ist mir eine ethische Verpflichtung, es ist mir ein ethisches Gebot, einem solchen Menschen zu helfen."

    Gegner des ärztlich assistierten Suizids, wie etwa Vertreter der Kirchen, befürchten einen "Dammbruch", wenn die ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung nicht mehr geächtet wird: Der Druck auf alte, chronisch oder schwerstkranke Menschen, ihr Leben zu beenden, könne dann steigen. Doch bislang gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die diese Annahmen belegen. Im Gegenteil: Im US-Staat Oregon, in dem der ärztlich assistierte Suizid seit sieben Jahren erlaubt ist, ging die Nachfrage nach der ärztlichen Beihilfe zur Selbsttötung seitdem sogar zurück. Offenbar reicht den Menschen die bloße Gewissheit, dass sie im äußersten Notfall von ihrem Arzt ein Mittel bekommen, mit dem sie sich selbst töten können. Ob sie dann tatsächlich davon Gebrauch machen, ist eine ganz andere Frage.

    "Es wird gesagt, es wird das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gestört, wenn der Arzt zum "Agenten des Todes" wird. Das ist für mich eine unhaltbare Formulierung. Wir haben gerade eine Situation in Deutschland geschaffen, die das Selbstbestimmungsrecht des Patienten stärkt. Und wir reden nicht von Fremdbestimmung, die manche schon am Horizont aufstehen sehen, völlig grundlos, dass hier die Ökonomisierung des Sterbens sich schon andeutet. Dafür gibt es auch nach Meinung vieler anderer Experten überhaupt keine Hinweise. Und von daher sind das eigentlich Versuche, die Selbstbestimmung des Einzelnen zu hintertreiben, auch im Interesse ganz anderer Institutionen wie beispielsweise der Kirchen. Der Arzt kann Vertrauen immer missbrauchen, und er hat es in der Vergangenheit vielfach missbraucht, indem er nämlich Patientenverfügung, Patientenwunsch und Patientenwille missachtet hat. Und da liegt für mich die wirkliche Gefahr und nicht darin, dass hier der Patient ungewollt vom Arzt vom Leben zum Tod befördert wird."

    Die Bundesärztekammer lehnt die ärztliche Beihilfe zum Suizid bislang als unethisch ab. Doch möglicherweise wird die Standesorganisation künftig von ihrem kategorischen Nein abrücken. Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer:

    "Wir nehmen zur Kenntnis, dass sich das Bild der Ärzte in der Ärzteschaft gegenüber der Frage des ärztlich assistierten Suizids nicht mehr so einheitlich klar ablehnend verhält wie in der Vergangenheit. Und wir werden über diese ethischen Grundlagen in zwei Ausschüssen, die sich mit ethisch-juristischen Grundsatzfragen befassen, diskutieren. Dort sitzen Theologen, Ethiker, Ärzte und Juristen zusammen und diskutieren über diese Fragestellung, ergebnisoffen. Aber ich würde jetzt dem Ergebnis dieser Diskussion nicht vorgreifen wollen. Ich will damit nur sagen, wir sind gar nicht so verkrustet, wie man auf den ersten Blick vielleicht glaubt, sondern wir diskutieren über diese ethischen Probleme, weil sie uns täglich begegnen, und weil sie uns natürlich auch täglich bewegen."

    Übermorgen wird der Bundesgerichtshof entscheiden, ob sich Ärzte, Pfleger oder Angehörige strafbar machen, wenn sie lebenserhaltende Maßnahmen auf Wunsch eines Patienten abbrechen. Dabei geht es nicht nur um das Urteil gegen Rechtsanwalt Wolfgang Putz, sondern auch um die Frage, wie weit das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende tatsächlich reicht.