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Eine Frage des guten Geschmacks

Am 1. Juli übernimmt Schweden für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz. Ein Thema, das Stockholm in diesem halben Jahr in Brüssel ansprechen möchte, ist der Snus-Konsum. Bislang ist er nur in Schweden selbst erlaubt, doch künftig sollen auch alle übrigen EU-Bürger snusen dürfen.

Von Alois Berger | 01.07.2009
    "Mir schmeckt es, aber man wird leicht abhängig vom Snus. Selbst bin ich über Freunde an den Stoff gekommen."

    "Ich finde das ziemlich abstoßend. Dabei bin ich mit einem Snuser verheiratet."

    "Snus ist eklig. Ich erinnere mich noch dunkel an den Wehrdienst.
    Da rann den Leuten immer der schwarze Sabber aus dem Mund."

    "Ich finde es nicht in Ordnung, dass uns die EU den Snus verbieten will. In anderen Ländern gibt es Drogen, mit denen sich die Leute umbringen. Mit unserem Snus geht das nicht."

    Nicht alle Schweden lieben Snus, den traditionellen Lutschtabak, aber offensichtlich immer mehr Schweden. Früher musste man den feuchten Tabak zwischen den Fingern zu einem kleinen Ball kneten, heute servieren die Snus-Hersteller, allen voran Swedish Match, den Kautabak in fertigen kleinen Säckchen, die wie Teubeutel aussehen. Diese Beutelchen schiebt man sich unter die Oberlippe, wo sie für eine halbe Stunde ihre Wirkung tun.

    "Früher snusten Proletarier, Seeleute, Waldarbeiter. Heute sitzt der Chef mit dicker Lippe im Tagungsraum. Frauen sind eine neue Zielgruppe. Und Swedish Match zielt mit hübschen Dosen auch und gerade auf die Teenager. Mit schönen Worten will man die Kundschaft von morgen rekrutieren."

    Gunilla Bolinder ist Ärztin und Gesundheitsforscherin. Sie ist von dem neuen Lutschtabak-Boom alles andere als begeistert. Snus verursache zwar keinen Lungenkrebs wie das Zigarettenrauchen, mache aber genauso abhängig, und gesund sei es auch nicht. Der Nikotinschleim belaste vor allem das Herzkreislaufsystem und greife so allerhand Innereien an.

    Doch die schwedische Regierung möchte den Lutschtabak jetzt in der ganzen EU hoffähig machen. In den nächsten sechs Monaten hat Stockholm die Ratspräsidentschaft der EU und möchte in dieser Zeit das Snus-Verbot kippen. Damit auch die Bürger in den anderen 26 EU-Ländern den Tabak unter die Lippe schieben können. Das sei ein Beitrag zur Volksgesundheit, meint der schwedische Europaabgeordnete Christofer Fjellner:

    "Ich denke, niemand sollte Tabak konsumieren. Aber für jemanden wie mich, der geraucht hat, ist Snus definitiv die bessere Option, wenn er schon nicht ganz aufhören kann. Snus macht keinen Rauch, den andere einatmen, Snus stört niemand. Und es ist weit weniger krebserregend als Zigaretten."

    Als Schweden der EU beitrat, war der Lutschtabak das größte Hindernis.
    Man könne unmöglich einer Union beitreten, in der Snus verboten ist, meinte die schwedische Regierung. Das würden die ohnehin europaskeptischen schwedischen Bürger nie und nimmer akzeptieren. "Nicht ohne unseren Snus," beharrte deshalb der schwedische Ministerpräsident. Doch vor allem Paris stellte sich quer. Die französische Regierung sah den Kontinent von einer Welle brauner Lutschtabakbeutelchen überschwemmt.

    Eine halbe Nacht lang wurde damals in Brüssel um den Lutschtabak gestritten. Weit nach Mitternacht einigte man sich dann auf einen Kompromiss: Die Schweden dürfen auch als EU-Mitglied Snus herstellen und lutschen. Aber nur in Schweden. Der Export in andere EU-Staaten ist verboten. 14 Jahre lang ging das gut, doch jetzt will Stockholm das Verbot loswerden. Nina Papadoulaki von der EU-Kommission hat keinen Zweifel, wer dahinter steckt.

    "Hauptsächlich der schwedische Hersteller von Snus, Swedish Match, aber nach unseren Informationen gibt es seit kurzem eine enge Zusammenarbeit mit dem Zigarettenkonzern Philipp Morris. Es ist also zu erwarten, dass das Lobbying für Snus zunehmen wird."

    Der schwedische Europaabgeordnete Christofer Fjellner weist solchen Verdacht weit von sich. Ihm gehe es beim Kampf und die EU-weite Lutschtabak-Zulassung vor allem darum, dass schwedische Snuser auf Reisen nicht zur Zigarette greifen müssen, bloß weil sie ihren Lutschtabak zuhause vergessen haben. Fjellner hat für solche Fälle sogar einen kleinen Kühlschrank mit Snus in seinem Brüsseler Büro, auch wenn die Nachfrage gering sei:

    "Ich hab mal versucht, hier im Parlament eine Art Snus-Verkostung zu machen. Aber das Ergebnis war nicht so, wie ich das gehofft hatte. Snus ist doch ein sehr spezielles Produkt und Leute, die es probiert haben, sagten, dass sie das einfach nicht gewohnt sind. Also, ich denke, ich kann niemand dadurch überzeugen, dass ich es zum Probieren anbiete."