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"Eine für mich unnötige Kakofonie"

Der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn, lehnt Hilfen des Internationalen Währungsfonds für Griechenland ab. Dies würde dem Ruf des Euros sehr schaden. Gleichzeitig wies er auch direkte Finanzhilfen durch die Euroländer zurück.

Jean Asselborn mit Jasper Barenberg | 25.03.2010
    Jasper Barenberg: Das Thema steht gar nicht auf der offiziellen Tagesordnung der Staats- und Regierungschefs, und doch dürfte die Frage den EU-Gipfel beherrschen: Sind die Europäer bereit, Griechenland finanziell unter die Arme zu greifen, falls sich die Lage weiter zuspitzt. Nach allem, was zu hören ist, fährt Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der festen Absicht nach Brüssel, Athen keine konkreten Zusagen zu machen, für den Notfall aber den Internationalen Währungsfonds einzuschalten.
    Am Telefon begrüße ich nun Luxemburgs Außenminister. Einen schönen guten Morgen, Jean Asselborn.

    Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Asselborn, der IWF als Helfer in der Not, das ist noch in der Schwebe, aber es zeichnet sich immer mehr ab. Ist damit der Königsweg aus den Schwierigkeiten gefunden?

    Asselborn: Wissen Sie, die Europäische Union ist ja ein sehr komplexes Gewächs und macht sich es auch nie selbst leicht. Eigentlich hatten wir doch in Sachen Griechenland am 11.2. eine gute Position. Es wurde gesagt, Griechenland muss Reformen einleiten. Das ist geschehen, Papandreou hat sehr gute Arbeit gemacht. Griechenland hat auch jetzt eine Regierung, die als erste Regierung dieses Landes gesagt hat, wir haben Fehler gemacht.

    Das Zweite war, dass wir finanzielle Stabilität in der Eurozone brauchen, das heißt koordiniertes Handeln in der Eurozone. Griechenland ist Mitglied der Eurozone. Also heißt das implizit, dass Griechenland nicht fallen gelassen wird.

    Danach – und das ist das große Problem, was wir jetzt haben – ist eine für mich unnötige Kakofonie entstanden, die alles erschwert hat, nur den Spekulanten und der Spekulation geholfen hat, die Griechenland schadet, die der Eurozone schadet, und ich sage Ihnen: IWF, EWF oder egal was, heute muss in Brüssel diese Kakofonie gestoppt werden, und das einzige Ziel, glaube ich, was dieser Europäische Rat haben sollte, ist wirklich zurückkommen zu dem, was am 11.2. beschlossen wurde.

    Ich möchte mich nicht an dieser Spekulation beteiligen, weil ich glaube, dass Griechenland einfach sich jetzt so gut aufgestellt hat, dass es politische Hilfe braucht, vor allem exklusiv politische Hilfe. Griechenland hat nie Blankoschecks gefragt, also braucht man diese Fragen auch jedenfalls nicht sich anzustrengen, sie zu beantworten. Fragen, die nicht gestellt worden sind, braucht man auch nicht zu beantworten.

    Barenberg: Das heißt, Herr Asselborn, Sie werden sich dafür einsetzen, dass es keine Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds als Nothilfe für den Fall der Fälle geben wird?

    Asselborn: Wissen Sie, ich rede ja jetzt von dem größten Land in der Europäischen Union, wenn Sie wollen, und wenn ich von Kakofonie gesprochen habe, tut es mir leid, dass ich auch aus diesem kleinen Luxemburg hier eigentlich drei Melodien gehört habe aus Deutschland. Die erste Melodie ist, Griechenland wird nicht geholfen werden, egal was passiert. Die zweite Melodie war der Europäische Währungsfonds, was ja euer Finanzminister vorgeschlagen hat. Sie wissen, um das ins Leben zu rufen, braucht man vielleicht fünf Jahre und ein Referendum in Irland. Und dann Ihre Frage, der Internationale Währungsfonds. Wenn man liest und wenn man zuhört und wenn man sich überlegt: Es gibt ja unheimliche Probleme damit. Technisch ja, operationell, wird gesagt, ist das extrem schwierig.

    Ich bin ein Politiker. Die Engländer, also das Vereinigte Königreich unterstützt diesen Gang zum IWF. Wir wissen, dass das Strategen sind in England, in London, und da muss man sich schon fragen, ob das wirklich richtig ist.

    Politisch-psychologisch ist das, glaube ich, absolut fragwürdig. Wir wollen ja mit dem Euro in der Liga des Dollars, des Yen, der chinesischen Währung spielen. Wenn man aber erklärt, dass in der Eurozone man nicht zuständig ist für die Eurozone, da rutscht man von der Politpsychologie ganz schnell in die Politpsychiatrie. Ich glaube, hier muss man wirklich aufpassen, welche Signale man gibt.

    Heute, glaube ich, ist etwas gefragt: Secours für Griechenland, Phantomdebatte beenden und natürlich wiederholen, dass Europa erstens ein Friedensprojekt ist und zweitens eine Schicksalsgemeinschaft ist und dass man eben nur über Brücken geht, wenn man bei den Brücken angelangt ist. Wenn diese Debatte über EWF, IWF, Direkthilfen und so weiter morgen fortgesetzt wird, dann haben wir den Spekulanten nur in die Hand gespielt, wir haben Griechenland unheimlich geschadet, wir haben der ganzen Eurozone geschadet. Das muss aufhören.

    Barenberg: Sollte der Gipfel also einen Beschluss fassen, der festsetzt, dass die Euroländer sich im Notfall zunächst mal untereinander helfen sollen?

    Asselborn: Ich glaube, dass der Gipfel, um es noch einmal klar zu sagen, noch einmal unterstützen muss, was Griechenland gemacht hat, und dass wirklich man unterstreichen muss, dass noch nie ein Land in der Europäischen Union diese Reformen, die eigentlich entschieden oder gefragt worden sind in Brüssel, getan hat. Das ist ein wirklich großer, großer Kraftakt und diesen Secours der Regierung muss man aufrecht erhalten, auch um den Menschen in Griechenland zu zeigen, dass das, was gemacht wird, der richtige Weg ist. Das ist für mich das Aller-, Allerwesentliche. Und wenn diese Reformen umgesetzt werden, dann kommen wir nicht in die Lage, dass Griechenland in eine Situation kommt, wo es Blankoschecks von uns braucht. Ich bin überzeugt, dass wir in Griechenland nie auf die Schiene kommen, dass der Internationale Währungsfonds da eingreift.

    Sie wissen ja auch: Der Internationale Währungsfonds greift ja ein mit einer fremden Währung, wenn es um Direkthilfen geht, um operationelle Hilfen geht. Stellen Sie sich vor, dass der Internationale Währungsfonds in Alaska oder in Kalifornien eingreift. Wir würden mit dem Internationalen Währungsfonds – da bin ich fest davon überzeugt – psychologisch etwas tun, was dem Euro und der Eurozone unheimlich schaden würde, aber was auch dem Bild der ganzen Europäischen Union nicht gut zu Gesicht stünde.

    Barenberg: Nun verfolgt die Bundeskanzlerin diesen Ansatz, also die Einbeziehung des IWF, offenbar mit allem Nachdruck. Werfen wir zum Schluss noch mal einen Blick auf die Wirkung, die das haben könnte. Sehen Sie, dass sich die EU-Politik Deutschlands in dieser Hinsicht ändert, dass man mehr auf die eigenen Interessen achtet?

    Asselborn: Ich habe großen Respekt vor Deutschland. Deutschland ist die absolut erste Referenz ökonomisch gesehen in Europa. Ich habe auch Respekt vor der Debatte, die stattfindet. Ich weiß ja aus der Geschichte, dass Deutschland die D-Mark eigentlich nur unter der Bedingung abgeschafft hat und den Euro ermöglicht hat, dass Stabilität besteht. Das respektiere ich alles. Ich möchte nur sagen, wieder als einer aus einem ganz kleinen Land, aber der vielleicht spürt, wie wir das immer hier gespürt haben, dass man nicht in der Europäischen Union vor allem vom größten Land auf den Weg gehen soll, dass Innenpolitik auch europäische Politik wird. Dann funktioniert es nicht mehr. Darum: Wir sind ein Friedensprojekt, sage ich noch einmal, und wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, und da kann es keine Ausnahmen geben, wenn man sich wirklich einsetzt für die, die in einem gewissen Moment Hilfe bräuchten, ich sage noch einmal bräuchten, sodass man schnell diese Debatte - - Man führt ja eine Debatte, wie wenn morgen Griechenland Milliarden und Milliarden Blankoschecks von der Europäischen Union oder von Deutschland bekommen sollte. Das ist es ja nicht!

    Ich will noch eine letzte Schlussbemerkung machen. Wissen Sie, ich weiß aus erster Quelle, dass die Türkei und Griechenland – und ich lese das ja auch – maritim aufrüsten wollen. Das sind zwei Länder, die für, ich glaube, vier Milliarden ihre Flotte der Unterseeboote aufrüsten wollen. Man darf sich vielleicht die Frage stellen, ob das wirklich sein muss in dieser Situation.

    Barenberg: Der Außenminister von Luxemburg heute Morgen im Gespräch im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Jean Asselborn.

    Asselborn: Bitte, Herr Barenberg.