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Eine Göttin aus Walhalla

Als Model, Schauspielerin und Sängerin unter dem Namen Nico wurde die gebürtige Kölnerin Christa Päffgen bekannt. Als 16-Jährige wurde sie entdeckt und schrieb schließlich Musikgeschichte. Doch ab Mitte der 70er verfiel sie zunehmend dem Heroin.

Von Oliver Stangl | 15.10.2013
    "Regrets? I have no regrets. No."

    Es gibt nichts, was ich bereuen würde, sagte Christa Päffgen alias Nico. Berühmt wurde Nico vor allem durch ihre Aufnahmen mit Velvet Underground - doch das ist längst nicht die ganze Geschichte der großen blonden Frau mit der tiefen Stimme.

    Geboren wurde Nico 1938 in Köln, das Kriegsende erlebte sie in Lübbenau, südöstlich von Berlin. Mit 16 wird Nico dort von dem Fotografen Herbert Tobias entdeckt, der für den Modedesigner Oestergaard arbeitet. Christa Päffgen? Das ist kein guter Name für ein Model, meinte Herbert Tobias, und gab ihr den Namen Nico. Sie beginnt, als Model und Schauspielerin in Paris und New York zu arbeiten. Nach einer Affäre mit Alain Delon bringt sie 1962 ihren Sohn Ari zur Welt. Alain Delon jedoch streitet die Vaterschaft sein Leben lang ab.

    Nico lernt Musiker wie Bob Dylan oder Brian Jones von den Rolling Stones kennen. 1965 nimmt sie ihre erste Single auf: "I'm Not Sayin", eine Coverversion von Gordon Lightfoot, kommt bei Nico nicht unbedingt leichtfüßig daher. Doch es ist gerade der teutonische Gesang von Nico, der die New Yorker Künstler-Boheme um Andy Warhol auf sie aufmerksam macht, und fasziniert.

    Wie eine Göttin aus Walhalla sei ihnen Nico damals erschienen, erinnert sich Billy Name, Fotograf und Assistent von Andy Warhol. Sie erobert auch die Leinwand, zusammen mit Marilyn Monroe studierte sie bei Lee Strassberg und spielte unter Fellini. 1967 macht Nico dann ihre berühmten Aufnahmen mit Velvet Underground, für das Debütalbum der Band mit dem mittlerweile ikonenhaften Bananen-Cover von Andy Warhol.

    Nico entwickelt ihr eigenes, düsteres Klanguniversum
    Die Party dauert allerdings nicht lange: Mit Nico und Lou Reed treffen bei Velvet Underground zwei zu extreme Charaktere aufeinander. Wenig später erscheint "Chelsea Girl", Nicos erstes Soloalbum. Doch auch hier hat sie kaum künstlerischen Einfluss, entsprechend unzufrieden ist sie mit dem Ergebnis.

    Ermutigt von Jim Morrison, den sie als einen "Seelenverwandten" bezeichnet, beginnt Nico eigene Songs zu schreiben. Gemeinsam mit John Cale, der mittlerweile ebenfalls bei Velvet Underground ausgestiegen ist, entwickelt Nico auf drei Alben ihr eigenes, düsteres Klanguniversum.

    Die Haare dunkel gefärbt, die Kleidung schwarz: Nico ändert ihr Äußeres passend zur Musik - und zu ihrem Leben, das ab Mitte der 70er zunehmend durch die Heroinsucht bestimmt wird. Die schöne, rätselhafte, blonde Göttin wird zu ihrer eigenen Antithese. Bei einem Konzert widmet sie Andreas Baader die erste Strophe der deutschen Nationalhymne - das Publikum ist entsetzt. Der Berliner Musiker Lutz Ulbrich, der von 1974 bis 1979 mit Nico liiert war, erinnert sich:

    "Das ist ja auch so schade, dass Heroin dann so wichtig wurde. Ich glaub zwar nicht, dass sie sich so sehr verändert hat, weil sie ja eh immer schon ein bisschen anders war, aber trotzdem - ich hab's bei mir gemerkt: Heroin macht Dich schon auch fieser und kälter und das ist mit ihr ja auch passiert."

    Sogar den eigenen Sohn fixt sie mit der Droge an. Erst 1986 schaffte Nico den Entzug mit Methadon. Zwei Jahre später, im Juli 1988, fiel sie vom Fahrrad und starb mit knapp 50 an einer Hirnblutung. Nico, die Frau, die nichts in ihrem Leben bereute - außer einer Sache:

    "Regrets? I have no regrets. No. Except that I was born a woman instead of a man. That's the only thing I regret."