Donnerstag, 18. April 2024

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"Eine humanitäre Tragödie"

Die massive Zerstörung durch den Taifun sei stärker eine regionale Katastrophe als ein Rückschlag für die philippinische Volkswirtschaft, sagt Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Jetzt komme es in erster Linie darauf an, dass die Notversorgung für die betroffenen Menschen funktioniere.

Volker Treier im Gespräch mit Jasper Barenberg | 11.11.2013
    Jasper Barenberg: Zu Beginn aber wollen wir über die Situation auf den Philippinen berichten. "Ein absolutes Chaos" hat der Leiter des philippinischen Roten Kreuzes die Lage im Katastrophengebiet genannt. So groß waren Geschwindigkeit und Wucht, mit der Taifun Haiyan die Insel in der Mitte des Landes heimgesucht hat. Ganze Landstriche hat er verwüstet, ganze Ortschaften ausradiert.
    Am Telefon begrüße ich Volker Treier, den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Schönen guten Tag, Herr Treier.

    Volker Treier: Guten Tag, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Treier, ich weiß von Ihnen, dass Sie kürzlich erst auf den Philippinen waren. Welchen Eindruck hatten Sie da auf den Philippinen, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, über die wir ein wenig sprechen wollen?

    Treier: Einen sehr positiven Eindruck hatte ich. Es kommt natürlich immer darauf an, mit welchen Erwartungen man irgendwo hingeht, und Philippinen war für mich eher auch ein Bild Manila, ein riesiges Moloch mit vielleicht vielen ganz ärmlichen Behausungen. Auch das gibt es dort, aber ich habe andererseits auch eine enorme Entwicklung gesehen, gerade was den Tourismus-Sektor angeht. Viele Menschen berichteten von wunderbaren Stränden und Inseln auf den Philippinen, aber andererseits auch viele westliche Firmen, die gerade dort im Dienstleistungsbereich Outsourcing betreiben, IT-Outsourcing oder Callcenter betreiben, wo ganz viele Menschen arbeiten und mittlerweile auch gutes Geld verdienen.

    Barenberg: Besonders hart getroffen ist ja die Küstenstadt Tacloban auf der Insel Leyte mit einst rund 220.000 Einwohnern. Wir haben in den vergangenen Tagen gelernt, dass diese Region, dass gerade diese Stadt auch gewissermaßen als Motor für den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region gilt. Zurecht?

    Treier: Sie ist vor allen Dingen mit vielen Menschen gesegnet, die es jetzt umso härter getroffen hat. Die wirtschaftliche Entwicklung beginnt dort erst, die Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung der Philippinen sind ganz klar Manila und Cebu. Dort entwickelt sich vieles, aber jetzt ist wirklich dort ein drastischer Rückschlag zu verzeichnen.

    Barenberg: Welchen Eindruck haben Sie, wie drastisch wird dieser Rückschlag sein für eine Region, die jetzt so stark betroffen ist, in der Mitte des Landes?

    Treier: Zunächst ist das, keine Frage, eine humanitäre Tragödie mit ganz vielen menschlichen Schicksalen, die jetzt betroffen sind. Die wirtschaftliche Auswirkung, da ist unsere Berechnungsweise des Brutto-Inlandsprodukts und dessen Wachstum ja fast schon zynisch. Wenn Dinge kaputt gehen, müssen sie wiederhergestellt werden, und insofern wird das sogar das Wirtschaftswachstum noch positiv beflügeln. Insofern ist das nicht der richtige Maßstab. Dort müssen jetzt natürlich zuvorderst Häuser aufgebaut werden und müssen Brücken – wir haben es eben im Beitrag gehört. Die ganze Infrastruktur hat jetzt ganz stark gelitten und deshalb ist jetzt angezeigt, dass wir aus westlicher Seite dort Hilfe sofort bereitstellen und dann auch versuchen, die dortigen Diensthabenden zu unterstützen, wo immer das geht.

    Barenberg: Können Sie uns einen Anhaltspunkt dafür geben, wie lange es schätzungsweise dauern wird, bis man auch mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung das Ausmaß einer solchen Katastrophe überhaupt abschätzen kann?

    Treier: Ja. Ich meine, wir haben damals bei den Tsunamis gesehen, dass das durchaus sogar bis zu einem Jahr dauern kann. Für die Philippinen als Volkswirtschaft insgesamt glaube ich, dass der Rückschlag wirtschaftlich gesehen sich nicht so drastisch auswirken wird. Die Philippinen sind jetzt in der Staatengemeinschaft der ASEAN-Staaten, die 2015 noch enger zusammenrücken und dann auch eine wirtschaftliche Stärke bilden, fest verankert und sie machen sich auf, sich in die Globalisierung stärker zu integrieren, und dann ist das jetzt, was wir jetzt sehen, stärker eine regionale Katastrophe, als das ein Rückschlag für die Volkswirtschaft insgesamt betrifft.

    Barenberg: Sie haben es erwähnt und wir haben es vorhin ja auch nicht nur von dem Korrespondenten, sondern auch von dem Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes vor Ort gehört, dass in den nächsten Wochen zunächst einmal die Nothilfe ansteht und im Vordergrund steht und erst sehr viel später dann die Frage Wiederaufbau. Können Sie uns vielleicht einen Eindruck davon vermitteln, wie wichtig die Regierung in Manila für diesen Wiederaufbau eines Tages sein wird und wie gut sie aus Ihrer Sicht gerüstet ist, um dann auch strukturelle Hilfe zu leisten?

    Treier: Sie sprechen eigentlich mit der Regierung auch eine Schwäche des Landes an, und da geht es den Philippinen wie vielen Schwellenländern, dass sie einen noch nicht wirklich gut funktionierenden Staatsapparat haben, dessen Finanzierung auch nicht so geregelt ist, dass man sich darauf verlassen kann. Es kommt jetzt auf die Regierung an und auf nichts anderes kommt es dabei an. Umso wichtiger ist es, dass die Notversorgung funktionieren kann, und auf den Philippinen haben wir es mit vielen Inseln zu tun, die jetzt betroffen sind. Insofern kann man sich vorstellen, dass Hilfe dann auch über die Luft und über den Seeverkehr laufen muss. Da ist der Staat gefragt, gefragter denn je, und die Philippinen haben, gemessen an der Größe des Landes, einen unterentwickelten Staatsapparat mit einer, ich sage es mal, verbesserungsfähigen Infrastruktur, und das wird man jetzt merken.

    Barenberg: …, sagt Volker Treier, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Vielen Dank, Herr Treier, für das Gespräch.

    Treier: Gerne.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.