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Eine Karte für die Arktis

Steigende Temperaturen und schmelzendes Meereis: Die Klimaerwärmung macht die Arktis immer zugänglicher. Diese Bedingungen ziehen Öl- und Gasfirmen an, die unter dem Meeresboden große Rohstoffvorkommen vermuten. Um Tiere und Pflanzen vor dramatischen Eingriffen zu schützen, haben Forscher jetzt ökologisch besonders bedeutsame Zonen identifiziert.

Von Monika Seynsche | 18.04.2013
    Die Arktis ist bis heute ein weitgehend weißer Fleck auf den Landkarten der Erde. Und genau das beunruhigt Christopher Krenz.

    "Während unser Wissen über die Arktis noch unvollständig ist, werden heute schon Entscheidungen getroffen, die die Entwicklung der Region auf Jahrzehnte hinaus beeinflussen werden."

    Öl- und Gasbohrlizenzen zum Beispiel würden in Gebieten vergeben, deren ökologische Bedeutung völlig unbekannt sei, sagt der Meeresbiologe der US-amerikanischen Umweltorganisation Oceana. Er und seine Kollegen haben deshalb ein ganzes Jahr damit verbracht, Studien über ein 400.000 Quadratkilometer großes Gebiet der Tschuktschen- und Beaufortsee nördlich von Alaska zu sammeln; wissenschaftliche Artikel, Veröffentlichungen von Regierungs- und Forschungsorganisationen genauso wie Dokumente über das traditionelle Wissen der arktischen Ureinwohner.

    "Wir haben diese Studien durchforstet und alle Informationen über die räumliche Verbreitung von Pflanzen- oder Tierarten in unsere Karten eingetragen, genauso wie über menschliche Jagdgebiete. Dabei war es uns wichtig, sowohl die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien als auch das traditionelle Wissen der Ureinwohner zu berücksichtigen."

    Die Forscher trugen Verbreitungsdaten über Kleinstlebewesen im Ozean zusammen, das Plankton, die Bodenbewohner, Seevögel, Meeressäugetiere, sowie Daten zur Ausbreitung der Meereisdecke und zu den Gebieten, in denen Ureinwohner auf die Jagd gehen.

    "Dadurch bekamen wir eine Vorstellung davon, in welchen Gebieten bestimmte Aktivitäten oder bestimmte Lebewesen häufiger auftreten als in anderen. Dann haben wir unser Untersuchungsgebiet in zehn mal zehn Kilometer große Quadrate aufgeteilt. Für jede dieser Einheiten haben wir ermittelt, ob unsere Arten oder Aktivitäten dort überdurchschnittlich häufig auftraten."

    So erzeugten die Forscher für jede Art und Aktivität Verbreitungskarten. Legt man alle diese Karten übereinander addieren sich die Häufigkeiten und gerade die Gebiete entlang der Küste erscheinen tiefrot. Dass gerade die von großer ökologischer Bedeutung sind, ist allerdings nicht sehr überraschend. Das gibt auch Christopher Krenz zu.

    "Aber das Besondere an unserer Arbeit ist, dass wir all die Informationen in einer Karte zusammengefasst haben. Bislang werden die Entscheidungsträger überhäuft mit verschiedensten Informationen über unterschiedliche Aspekte des Ökosystems. Und das verwirrt natürlich. Wenn Sie über 15 verschiedene Tierarten reden und darüber, welche Region für welche dieser Arten besonders wichtig ist, dann wird jeder Entscheidungsträger spätestens bei der letzten Art verzweifelt die Arme in die Luft werfen und sagen: 'Ganz egal wo ich etwas plane, irgendjemandem wird es auf jeden Fall schaden!'"

    Christopher Krenz' Karte dagegen bündelt die Informationen, sodass Entscheidungsträger auf einen Blick sehen können, in welchen Regionen ein Eingriff dem Ökosystem besonders großen Schaden zufügen würde und welche Gebiete ökologisch weniger bedeutend sind.

    "Wir hoffen, dass mithilfe dieser Karte in Zukunft zum Beispiel Öl- und Gasbohrlizenzen nur noch in solchen Gebieten vergeben werden, die eben nicht zu den ökologisch besonders bedeutenden Regionen zählen."

    Einen ersten Entwurf dieser Karte haben Christopher Krenz und seine Kollegen bereits an Arktisforscher aus verschiedenen Fachrichtungen geschickt. Sobald diese alle Informationen überprüft haben, wollen die Umweltschützer eine finale Version veröffentlichen. Ende dieses Jahres dann sollen die ökologisch bedeutendsten Regionen der amerikanischen Arktis rot aufleuchten.