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Eine künstlerische Existenz

Käthe Gold war eine der großen Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Sprechkunst war legendär. Sie war so musikalisch, staunte ein Kritiker, dass sie in einer Aufführung von Goethes "Egmont" die von Beethoven vertonten Lieder Klärchens zur vollen Orchesterbegleitung singen konnte.

Von Eva Pfister | 11.02.2007
    "Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer / Ich finde sie nimmer und nimmermehr. / Wo ich ihn nicht hab, ist mir das Grab / Die ganze Welt ist mir vergällt. / Mein armer Kopf ist mir verrückt, mein armer Sinn ist mir zerstückt."

    Das Gretchen in Goethes "Faust" war eine der Paraderollen von Käthe Gold. Das unschuldige Mädchen, das in tragische Verstrickungen gerät, wurde so etwas wie das Markenzeichen dieser Schauspielerin, die ihre Bühnenlaufbahn mit vier Jahren an der Wiener Hofoper als Kind der unglücklichen Madame Butterfly begann.

    Katharina Stephanie Gold kam am 11. Februar 1907 als Tochter eines Wiener Schlossermeisters zur Welt. Handwerk war auch ihre große Stärke: Käthe Gold beherrschte die Schauspielkunst in allen Facetten, allerdings war ihr die Virtuosität nicht anzumerken. Ihr Zauber bestand darin, dass sie jede Rolle zu einer Kunstfigur entwickelte, die ganz natürlich wirkte. Ernst Wurm, der 1951 schon eine Biografie über Käthe Gold veröffentlichte, drückte es so aus:

    "Sie verkörperte das natürliche, unschuldige Wesen der Kunst, sie war nur Naturell, eine rein künstlerische Existenz, unbeeinflusst vom Streit der Weltanschauungen."

    Nach ersten Stationen in Bern und Breslau kam Käthe Gold 1932 an die Münchner Kammerspiele, wo sie der deutschen Theaterwelt zuerst als Mädchen Hedwig in Ibsens "Wildente" auffiel. Am Berliner Staatstheater spielte sie dann all die großen Frauengestalten, die zum Rollenfach der "jungen Naiven" gehören, wie das damals am Theater hieß: Das Käthchen von Heilbronn - als hätte Kleist es für sie geschrieben, schwärmten die Kritiker -, Shakespeares Ophelia, das Klärchen in Goethes "Egmont", und das Gretchen in der "Faust"-Inszenierung von Gustaf Gründgens.

    "Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer / Ich finde sie nimmer und nimmermehr / Nach ihm nur schau ich zum Fenster hinaus / nach ihm nur geh ich aus dem Haus / Sein hoher Gang, seine edle Gestalt / Seines Mundes Lächeln, seiner Augen Gewalt / Und seiner Rede Zauberfluss, sein Händedruck und ach sein Kuss!"

    Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 1954, aber das Alter schien Käthe Gold nichts anzuhaben. Als sie 1955 bei den Bad Hersfelder Festspielen die Ophelia in Shakespeares "Hamlet" spielte, war sie immerhin 48 Jahre alt, aber Joachim Kaiser schrieb, dass er nie eine jüngere, mädchenhaftere Ophelia gesehen habe.

    Käthe Gold, die 1997 starb und als 78-Jährige noch auf der Bühne stand, war jedoch kein Wunderkind. Dass auch sie sich ihre Rollen hart erarbeitete, deutet eine Kritik von Herbert Ihering an, der sie 1932 erstmals als Gretchen im Berliner Staatstheater erlebte:

    "Käthe Gold, die schon in Breslau und München das Gretchen spielte, schien in den ersten Worten sich mit mimischen Übernuancierungen helfen zu wollen. Sie zerlegte die Worte mit Mimik. Die Schauspielerin schien mit der Sprecherin zu kämpfen, Empfindung mit Ausdruck, Schulung mit Persönlichkeit.

    Käthe Gold hat Nerven, Instinkt und eine Intelligenz, die scheinbar anders will. So erschien mir die Kerkerszene etwas absichtlich, bis Käthe Gold in Schreien und Ausbrüchen eine Leidenschaft offenbarte, die die Form durchbrach und Sturm und Drang war."

    1944 verabschiedete sich Käthe Gold aus dem kriegszerstörten Berlin und wechselte an das Schauspielhaus in Zürich. Wie sie in jenem Ensemble, das fast durchweg aus Emigranten bestand, aufgenommen wurde, weiß man nicht. Ihr Biograf berichtet nur, sie habe "einige Wahrheiten über die Gefahr ihrer Routine zu hören bekommen". Ihre Rollen wurden nun erwachsener: Sie spielte unter anderem Ibsens Nora und die Undine von Giraudoux. 1947 wechselte Käthe Gold ans Wiener Burgtheater und entwickelte sich zu einer Charakterschauspielerin, die in so schwierigen psychologischen Rollen brillierte wie die der Blanche du Bois in Tennessee Williams "Endstation Sehnsucht".

    Mit 80 Jahren spielte Käthe Gold noch in einer Folge von "Derrick", da hatte sie sich schon von der Bühne zurückgezogen und, wie es heißt, nie wieder ein Theater betreten.