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Eine Magazin nicht nur für Expatriates

Drei junge Journalisten aus Moskau, New York und England gründeten "Berliner", das erste englischsprachige Stadtmagazin Berlins, das später wegen eines drohenden Namensstreits umgetauft wurde in "Exberliner". Seitdem ist das Monatsheft zu einer festen Größe avanciert.

Von David Goeßmann | 08.08.2009
    Auf einem Foto: der neue Musikdirektor der Deutschen Oper Berlin. Im Stil eines Football-Players hält er einen Walkürenhelm unterm Arm. Blattmacherin Nadja Vancauwenberghe und Designerin Paula Germain planen die nächste Ausgabe von Exberliner. Schwerpunktthema: Oper.

    Frech, meinungsfreudig und aus einer internationalen Perspektive kommentiert Exberliner seit Jahren die deutsche Hauptstadt. Die Cover des Magazins sind bunt, verspielt und überraschend. Die Texte schnell, humorvoll und bissig. Ioana Veleanu, eine der drei Gründerinnen von Exberliner.

    Ioanna Veleanu: "Exberliner sollte eine Mischung von ‚New Yorker’ und dem ‚Village Voice’ werden. Wir wollten die amerikanische Idee eines Umsonst-Magazins importieren. Aber schnell stellte sich heraus, dass das in Deutschland nicht funktioniert. Was nichts kostet, hat hier keinen Wert, jedenfalls war das vor sieben Jahren so. Wir entschieden also sehr schnell, dass wir unsere Strategie ändern mußten. Und seit das Heft im Kiosk liegt, damals kosteste es zwei Euro, ging es rapide bergauf. Seitdem nimmt man uns ernst."

    Die Mischung aus harten Journalismus und Avantgarde-Stadtmagazin ging auf. 84 Ausgaben des englischsprachigen Berlin-Magazins sind bisher erschienen. Mit einer monatlichen Auflage von 20.000 Exemplaren. Auch nach sieben Jahren ist von Müdigkeit im Exberliner-Büro in einem DDR-Plattenbau in Berlins Mitte nicht viel zu spüren. Im Gegenteil.

    Das Monatsheft hat sich gerade von seinem Hochglanzlook verabschiedet und erscheint nun im matten, größer geschnittenen Zeitungsformat. Mehr Platz für Metropolen-Lokaljournalismus, sagt Nadja Vancauwenberghe. Die 39-Jährige hatte lange für internationale Nachrichtenagenturen gearbeitet, bevor sie Exberliner mit aus der Taufe hob.

    Nadja Vancauwenberghe: "”Wir arbeiten über Sachen, die wir nachprüfen können. Wir kriegen Informationen aus erster Hand. Exberliner ist Vorort-Journalismus. Wenn man über die eigene Region schreibt, kannst du zu den Menschen gehen und hast Zugang zu den primären Quellen. Das ist heute im Journalismus selten. Die meisten Journalisten verlassen nicht das Büro. Man kriegt das Material von den Agenturen, das nur noch recycelt wird. Wir sind zwar geographisch limitiert mit einem Stadtmagazin, aber unser Anspruch ist das nicht.""

    Man versuche immer wieder Geschichten aufzuspüren, die bisher vernachlässigt würden "Groundbreaking stories", sagt die gebürte Französin Vancauvenberghe, die lange in Moskau gelebt hat. Vor vier Jahren habe man eine Ausgabe mit dem Titel "Black Berlin" produziert. Darin sei es um die Situation von Schwarzen gegangen. Andere Medien wären danach auf das Thema aufgesprungen, sagt Vancauvenberghe nicht ohne Stolz.

    Es ist der andere Blick, wenn nicht von außen, so doch von der Seitenlinie auf Berlin, der das Magazin auszeichnet. Alles nur nicht langweilig will man sein. Die Redaktion von Exberliner begibt sich daher Monat für Monat auf journalistische Entdeckungsreisen, spürt dem "Verbrechen in Berlin", dem "Tod in Berlin" oder dem grünen Berlin nach. Fragt: Wie liberal ist die Hauptstadt eigentlich, was halten Taxifahrer von den neuen Trendvierteln und was steckt wirklich hinter der Modestadt an der Spree? Auf den Interviewseiten findet man eher Lou Reed und Paul Auster als Ben Becker als Gesprächpartner. Maurice Frank, Herausgeber von Exberliner:

    Maurice Frank: "”Wir bieten mit Exberliner einen attraktiven Nischenmarkt. Berlin wird immer internationaler. Wir haben einen sehr zugkräftige Leserschaft für die Anzeigenkunden in der Stadt. Die Leute, die Exberliner lesen, wollen wirklich wissen, was hier passiert. Sie wollen Essen gehen, sie wollen ausgehen, sie wollen einkaufen. Vieles dreht sich um Geld ausgeben.""

    Und daher gibt’s auch jede Menge Restaurant-, Film- und Clubkritiken in Exberliner. In der Survival-Kolumne kann man lernen, wie man sich in Deutschland krankenversichert inklusive Abriss über das deutsche Gesundheitssystem. Alles mit einem Schuss Humor und mit Spin natürlich.

    Aber Exberliner ist mehr als ein Guide durch den Großstadtdschungel für die sogenannten Expatriats, die internationale Community. Das Magazin hat eine englischsprachige Magazinkultur nach Berlin gebracht. Frech und kompromisslos. Und wird das wohl auch noch die nächsten sieben Jahre tun.