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Eine schicksalhafte Abstimmung

Eine friedliche Beilegung des Nahostkonflikts wird nur möglich sein, wenn die Palästinenser ihren eigenen Staat neben Israel bekommen. Diese Erkenntnis hat sich in den vergangenen Jahren allgemein durchgesetzt. Sie ist aber nicht neu: Am 29. November 1947 stimmte die Vollversammlung der Vereinten Nationen einem Teilungsplan für Palästina zu.

Von Peter Philipp | 29.11.2007
    Die Vereinten Nationen sind an diesem 29. November 1947 gerade erst zwei Jahre alt, als sie sich in ihrer ersten Sondersitzung zu einer schicksalhaften Abstimmung versammeln. Im Plenum der Weltorganisation ist die Spannung zu spüren, obwohl sich an jenem Tag sicher kaum jemand vorstellen kann, welche Tragweite der anstehende Beschluss haben würde. Auf der Tagesordnung steht der Antrag, das historische Palästina aufzuteilen, um dort Platz zu schaffen für einen jüdischen und einen arabischen Staat. Der letzte wichtige Schritt auf dem Weg zur Gründung Israels, aber auch ein Schritt, der dem Nahen Osten und der Welt einen bis heute ungelösten Konflikt bescheren soll.

    Die Weichen sind gestellt: Die Briten, die nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches am Ende des Ersten Weltkrieges ein Völkerbunds-Mandat über Palästina erteilt bekommen haben, sind dieser Aufgabe müde: 1917 hatte London zwar in der so genannten "Balfour Declaration" den Juden das Recht auf eine Heimstätte in Palästina zugestanden, dies geschah aber noch zur Zeit der türkischen Herrschaft dort. Als Mandatsmacht muss Großbritannien nun aber mit den Folgen dieser Erklärung leben:

    Besonders in der Folge der systematischen Judenverfolgung und -ermordung durch Nazi-Deutschland steigt die jüdische Einwanderung nach Palästina kontinuierlich an und damit auch die Spannungen: Es entwickelt sich ein palästinensischer Nationalismus, der diese Einwanderung ablehnt und bekämpft, es kommt zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Juden und auch immer wieder zu Überfällen und Anschlägen jüdischer Untergrund-Organisationen auf britisches Militär und andere Vertreter der Mandatsmacht.
    London sucht nach einem Ausweg.

    Schon 1937 - inmitten einer dreijährigen "Arabischen Revolte" in Palästina - kommt eine britische Untersuchungs-Kommission, die "Peel-Kommission", zum Schluss, dass eine Lösung nur möglich sei, indem das Mandat beendet und Juden wie Arabern ein Staat in Palästina gegeben wird. Die Empfehlungen werden nicht umgesetzt, weil kurz darauf der Zweite Weltkrieg den Nahen Osten zu einer strategisch wichtigen Region macht, auf die London nicht freiwillig verzichten würde.

    Der Krieg und die unmittelbare Zeit danach bringt aber eine weitere Verstärkung der jüdischen Einwanderung mit sich und damit auch der Spannungen. Die Briten fangen einen Teil der Einwanderer - Flüchtlinge aus allen Ecken Europas und Überlebende der Vernichtungslager - ab und internieren sie auf Zypern, andere werden nach Europa zurückgeschickt. Selbst nach Deutschland.

    Weltweit rührt sich Mitgefühl und die Unterstützung für die Idee einer Teilung Palästinas gewinnt an Zustimmung, wenn auch nicht in der arabischen und muslimischen Welt. So erklärt der irakische Außenminister und Präsident der Arabischen Liga, Mohamed Fadil al-Jamali, an jenem 29. November vor der UNO-Generalversammlung:

    " Die arabischen Staaten können diesen Bruch in ihrer Einheit und diese Bedrohung ihrer politischen und wirtschaftlichen Eigenständigkeit nicht dulden. Sie haben ein entscheidendes Mitspracherecht in allen Angelegenheiten, die ihre regionalen Interessen berühren. Deswegen widersetzen sie sich der Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina - heute oder zu jedem anderen Zeitpunkt in der Zukunft". "

    Die Abstimmung spiegelt diese Haltung wider:

    ""Iran - no, ... . Syria - no ... "

    Die Sowjetunion hätte - nach den Worten ihres damaligen UN-Botschafters Andrej Gromyko - eigentlich einen demokratischen Staat für Juden und Araber bevorzugt, sie kommt aber zu dem Schluss, dass beide dazu nicht bereit sind, und Moskau fordert deswegen die Zweistaatenlösung. Auch Washington, bis dahin nicht sonderlich engagiert in der Region, orientiert sich am Befund einer amerikanischen Untersuchungskommission: In Palästina sollten zwei Staaten entstehen. Frankreich stimmt auch dafür. Großbritannien enthält sich der Stimme.

    Das Ergebnis, verlesen vom brasilianischen Sitzungspräsidenten Oswaldo Aranha, ist deswegen eigentlich kaum überraschend: 33 Stimmen dafür, dreizehn dagegen und zehn Enthaltungen:

    In den Straßen von Tel-Aviv bricht lauter Jubel aus und geht in die "Hatikwa" über, die Nationalhymne des Staates, den man sechs Monate später ausrufen würde - am Tag, nachdem der letzte britische Soldat Palästina verlassen hat und nur Stunden, bevor der erste von bisher vier großen Nahostkriegen ausbricht. 60 Jahre später gibt es immer noch keinen Frieden in der Region, inzwischen haben aber die PLO und auch die Arabische Liga das Prinzip von zwei Staaten in Palästina wenigstens grundsätzlich akzeptiert. Nationalistische Kreise in Israel lehnen die Idee ab, für einen Frieden würde aber eine Mehrheit der Israelis dafür stimmen.