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Eine Spende für den Snus

Snus ist eine Art Lutschtabak, der in Schweden legal ist, in der EU aber verboten- noch. Denn die Tabakindustrie wittert europaweite Gewinne und hat ihre Lobbyisten in Brüssel auf das Thema angesetzt. Dabei scheint aber nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen.

Von Alexander Budde | 25.10.2012
    Snus ist so Schwedisch wie Maibaum, Froschtanz und Heringshappen. Das wollen zumindest jene gern glauben machen, die am schwedischen Lutschtabak verdienen. Im kleinen Tabakladen von Tony Zeghbe in der Stockholmer Vorstadt brummen zwei Kühlschränke, randvoll mit einem Sortiment der angesagten Sorten:

    Rund 60 Dosen für umgerechnet rund vier Euro das Stück gehen bei Tony täglich über den Ladentisch. Der gebürtige Syrer kam vor 20 Jahren in den Norden - und verinnerlichte auch die Untugenden der Wikinger-Nachfahren:

    "Ich snuse selbst vom Morgen bis zum Abend. Man nimmt den Tabak aus der Dose, knetet ihn mit den Fingern zu einem Ball und legt sich den unter die Lippe. Eine halbe Stunde hält die Wirkung an. Mit einer Dose am Tag komme ich aus."

    Als eines der ersten Länder in Europa hat Schweden 2005 ein umfassendes Rauchverbot in Kneipen und Restaurants erlassen. Seither verkauft Tony zwar weniger Zigaretten aber umso mehr Snus. Tabakkonzerne wie Swedish Match wittern mit ihren rauchfreien Produkten Morgenluft. Auch bei den skandinavischen Nachbarn und in den USA erfreue sich rauchfreier Tabak wachsender Beliebtheit, betont Lars-Erik Rutqvist, ein vom Konzern beschäftigter Krebsforscher:

    "Wie alle Lebensmittel kann auch der Snus unerwünschte Effekte haben, nicht anders als bei Kartoffelchips oder Kaffee. Aber wir Wissenschaftler sind uns einig, dass man das Risiko für Gesundheitsschäden ganz erheblich reduziert, wenn man Snus statt Zigaretten nimmt."

    Snus als schonendes Hausmittel zur Rauchentwöhnung - mit diesem Argument wirbt der Marktführer für die europaweite Zulassung. Denn bislang darf er nur in Schweden konsumiert werden, der Vertrieb ins europäische Ausland ist verboten. Patrik Hildingsson, ein Sprecher von Swedish Match in Brüssel, bestätigt, dass der Konzern eine Reihe von Lobbyisten beschäftigt, die für das Produkt und seine Freigabe in Europa werben. Doch das Angebot, dass einer Beraterin der Firma Anfang des Jahres unterbreitet worden sei, habe ihn als Steuerzahler und Staatsbürger wütend gemacht, so stellt es Hildingsson in einem Interview mit dem Schwedischen Rundfunk dar:

    "Die wissenschaftlichen Fakten sprechen für den Snus-Konsum. Die Gesetze, die Prinzipien des inneren Marktes sprechen für die Freigabe. Aber hier wurde uns signalisiert, dass es sich um eine rein politische Entscheidung gewisser Amtsträger handelt. Und da hätten wir die Wahl: bezahlen oder nicht bezahlen. Will sagen: Das Snus-Verbot sollte käuflich sein. Dieses Angebot wurde so deutlich vorgetragen und war mit so vielen Informationen versehen, dass wir es für glaubhaft hielten."

    Der maltesische Geschäftsmann Silvio Zammit, ein angeblich enger Vertrauter seines Landsmanns John Dalli, soll die Offerte unterbreitet haben, berichtet das Boulevardblatt "Aftonbladet". Hildingsson bestätigt eine Summe von 60 Millionen Euro, die gefordert worden seien. John Dalli ist am Dienstag voriger Woche als EU-Gesundheitskommissar zurückgetreten. Denn Swedish Match zahlte das Schmiergeld nicht. Stattdessen habe man umfangreiche Unterlagen an die EU-Kommission weitergereicht, die wiederum die europäische Antibetrugsbehörde OLAF eingeschaltet habe, sagt Hildingsson.

    OLAF erkenne nach mehrmonatigen Ermittlungen eindeutige Indizien, dass Dalli von der Offerte gewusst habe, ohne sie zu unterbinden, betont Behördenchef Giovanni Kessler. Doch Dalli weist alle Vorwürfe zurück und sieht sich selbst als Opfer einer Intrige. Und damit nicht genug. Organisationen der Anti-Tabak-Lobby berichten, dass in ihre Räumlichkeiten in Brüssel eingebrochen worden sei. Unterlagen zur überfälligen Reform der Tabak-Direktive seien gestohlen worden. Dalli wollte sie in Kürze vorlegen. Sie sollte deutlichere Warnhinweise vor den Gesundheitsrisiken des Tabakkonsums vorschreiben. Doch nun liegt das Vorhaben auf Eis. Davon profitiert zunächst einmal die Tabak-Lobby. Doch Christofer Fjellner, den man getrost einen Freund des Snus nennen darf, zeigt sich empört. Als Abgeordneter im Europaparlament müht sich der Konservative seit Jahren, den schwedischen Lutschtabak salonfähig zu machen:

    "Ich fühle eine unerhörte Enttäuschung. So lange habe ich versucht, mit Fakten und Argumenten für die Freigabe des Snus zu werben. Und nun dürfen wir feststellen, dass es hier ums Geld gehen soll. Ich gehe davon aus, dass wir keine Tabaks-Direktive bekommen, für die dieser Kommissar verantwortlich war. Ich halte es für selbstverständlich, dass die Kommission nun die Snus-Frage ernst nehmen und dem Snus nun endlich eine Chance geben wird."