Donnerstag, 25. April 2024

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"Eine Verantwortung für Europa"

Deutschland besteht nach den Worten von Verteidigungsminister Franz-Josef Jung auf einer Beteiligung weiterer EU-Staaten an einer militärischen Mission im Kongo. Die Bundesrepublik und Frankreich sollten nicht allein Truppen iin den Kongo schicken. Nach Ansicht des CDU-Politikers sollte das Mandat der Vereinten Nationen im Zweifelsfall auch Kampfmissionen einschließen.

Moderation: Burkhard Birke | 07.03.2006
    Burkhard Birke: Im Kongo, im Herzen Afrikas, tobt der wohl blutigste Krieg des Kontinents, und das will wahrhaftig etwas heißen, denken wir allein an den Konflikt in Darfur. Zwischen 3 und 4,7 Millionen Menschen – so schätzt die amerikanische Hilfsorganisation "International Rescue Commitee" – sind dem Kongo-Krieg seit 1998 zum Opfer gefallen. Immer wieder schwappen auch die Konflikte der Nachbarländer, etwa der Ruandas zwischen Tutsis und Hutus, auf das einst von den Belgiern beherrschte zentralafrikanische Land über. Der Kongo ist reich an Rohstoffen, an Edelsteinen und an Konfliktpotenzial. Nun sollen demnächst die ersten demokratischen Wahlen seit 1960 abgehalten werden.

    Genau über diese gute Idee beraten im österreichischen Innsbruck die EU-Verteidigungsminister im Rahmen einer informellen Tagung seit gestern. Und dort in Innsbruck bin ich jetzt mit Franz-Josef Jung von der CDU, dem Verteidigungsminister, verbunden. Einen schönen guten Morgen, Herr Jung!

    Franz-Josef Jung: Guten Morgen, Herr Birke!

    Birke: Herr Jung, sind Sie nun bereit, Deutschland als Führungsmacht für einen EU-Kongo-Einsatz zu empfehlen?

    Jung: Wir beraten gerade die Frage eines Einsatzes der Europäischen Union, wobei wir vier Bedingungen genannt haben, und zwar erstens, dass die kongolesische Regierung einen solchen Einsatz für notwendig und richtig hält, also einem solchen Einsatz zustimmt, zweitens, dass ein klares Mandat der Vereinten Nationen beschlossen wird, drittens, dass wir uns konzentrieren auf Kinshasa und auf eine zeitliche Befristung über die Wahlen und die Regierungsbildung von zirka vier Monaten, und viertens, dass eine größere Beteiligung aller europäischen Staaten stattfindet, weil ich denke das ist eine Verantwortung, die Europa hier insgesamt zu tragen hat und eben nicht nur Deutschland allein.

    Birke: Weshalb ist für Europa diese Verantwortung so wichtig? Was haben wir im Kongo zu tun?

    Jung: Ich denke, dass gerade die unmittelbare Nähe von Europa zu Afrika, wenn Sie sich beispielsweise die Situation von Gibraltar vor Augen führen, auch dort die Flüchtlingsströme deutlich machen, dass Europa ein großes Interesse hat an einer positiven Entwicklung in Afrika, auch an einer stabilisierten Entwicklung. Deshalb sind wir bei-spielsweise auch im Sudan oder in Darfur tätig, um dort die afrikanische Union zu unterstützen, um hier stabilisierende Situationen zu er-reichen. Sie haben ja gerade in Ihrem Bericht gesagt, in welcher Art und Weise dort über drei Millionen Menschen getötet worden sind, welche Auseinandersetzungen dort stattgefunden haben. Deshalb glaube ich, hat Europa ein Interesse an einer demokratischen Entwicklung im Kongo, an einer stabilisierenden Entwicklung. Dies dient insgesamt einer friedlichen Situation und das ist glaube ich die gesamte Verantwortung, die dort Europa zu tragen hat.

    Birke: Stabilisierung, das ist also das Schlagwort. Deutschland muss jetzt nicht nur am Hindukusch verteidigt werden, um ein geflügeltes Wort Ihres Amtsvorgängers Struck aufzugreifen, sondern man muss jetzt auch die deutschen Interessen im Bereich Menschenrechte im Kongo verteidigen?

    Jung: Ja, das ist ähnlich wie in Afghanistan. In Afghanistan leisten wir ebenfalls eine unterstützende stabilisierende Funktion, damit das Land selbst in der Lage ist, für seine Sicherheit zu sorgen. Das gilt genauso und ähnlich in Afrika, und das ist genau die Voraussetzung im Kongo. Sie wissen, dass dort Monuc-Soldaten der UNO tätig sind, 16.800, die schon einen erheblichen Beitrag zu einer positiveren Entwicklung geleistet haben. Jetzt geht es aber darum, ob im Zusammenhang mit den Wahlen und der Regierungsbildung eine zusätzliche Stabilisierung durch die Europäische Union notwendig ist. Und das ist genau der Punkt, der jetzt zur Beratung ansteht.

    Birke: Wie viele Truppen halten Sie für nötig, denn Kongo ist ein Land so groß wie Westafrika mit all den Konflikten, die wir eben gehört haben?

    Jung: Es geht darum – und deshalb war ja auch eine Erkundungsmission unmittelbar im Kongo -, ob jetzt sozusagen ein Signal, eine Botschaft gesendet wird, eine stabilisierende Botschaft der Europäischen Union, die in etwa den Bereich zunächst einmal von 1000 bis 1500 Soldaten umfasst. Aber dieses Signal, sagt die so genannte fact-finding-mission ist der entscheidende Beitrag dazu, dass es eben nicht zu Unruhen kommt, weil deutlich wird, dass Europa hier auch an einer stabilisierenden Wirkung interessiert ist. Aber ich sage noch einmal: Das geht nur in Übereinstimmung mit der kongolesischen Regierung und mit einem klaren Mandat der Vereinten Nationen.

    Birke: Dieses Mandat, muss das auch Kampfhandlungen mit einschließen, sollte es zwischen rivalisierenden Kandidaten und Banden zu Konflikten kommen?

    Jung: Das ist ebenfalls ein Beratungspunkt, aber ich denke wenn es ein entsprechendes Mandat gibt, muss dies auch dazu beitragen, dass Soldaten hier zu einer friedlichen Situation beitragen können.

    Birke: Das heißt durchaus auch Kampfmission im Zweifelsfall?

    Jung: Dies würde das im Zweifel mit einschließen.

    Birke: Bei der letzten Kongo-Mission hatten die Franzosen, die ja auch sehr tropen- und afrikaerfahren sind, das Oberkommando. Jetzt werden Sie, werden die Deutschen aber bedrängt, die Führungsrolle zu übernehmen. Sind Sie dazu bereit?

    Jung: Wir diskutieren zurzeit erst über die Voraussetzungen – das habe ich gerade gesagt – und zweitens dann, wie der Einsatz erfolgt, wie gegebenenfalls ein Führungskommando aufgebaut wird und wie dann auch ein Kommando vor Ort aussehen sollte. Das sind aber zurzeit die Fragen, die wir gemeinsam diskutieren. Ich habe klar und deutlich gemacht, wir werden uns als Bundesrepublik Deutschland einer Verantwortung in Europa nicht entziehen, aber wir bestehen darauf, dass es eine gemeinsame Verantwortung ist und dass nicht sozusagen, wie es damals geplant war, Deutschland mit 1500 Soldaten und gegebenenfalls Frankreich noch mit ein paar Soldaten diesen Auftrag zu erfüllen hat, sondern hier geht es darum, dass es eine Gesamtverantwortung für Europa gibt und die muss sich dann auch im Einsatz so darstellen.

    Birke: Haben denn Ihre Kollegen aus den anderen EU-Ländern schon signalisiert, dass sie bereit sind, Truppen zu schicken?

    Jung: Es gibt erste Signale, aber ich habe gerade jetzt gleich ein Gespräch mit Generalsekretär Solana, der hier bemüht ist, ein entsprechendes Engagement auch der anderen Staaten mit zu erreichen. Ich gehe davon aus, dass er eine derartige Bereitschaft mir gegenüber signalisieren kann.

    Birke: Das wäre doch eigentlich auch ein idealer Testfall für die deutsch-französische Brigade, dass man sagt, man macht ein gemeinsames Kommando?

    Jung: Also ich sage ihnen noch einmal: Ich glaube es ist eine Verantwortung für Europa und nicht nur eine Verantwortung, die Deutschland und Frankreich alleine trifft. Deshalb bestehen wir darauf, dass es hier eine europäische Gesamtverantwortung gibt.

    Birke: Herr Jung, die Bundeswehr ist ja auch sehr stark in Afghanistan engagiert. Jetzt hat der Oberkommandierende der NATO, Jones, gesagt, der Einsatz soll auf ganz Afghanistan ausgeweitet werden. Kommen hier neue Aufgaben auf die Bundeswehr zu?

    Jung: Ja. Wir haben eine klare Gesamtverantwortung jetzt vereinbart für Afghanistan, weil wir ein Interesse daran haben, dass dieses Land insgesamt stabilisiert wird und sozusagen der Prozess ein afghanisches Gesicht bekommt und seine eigene Sicherheit gewährleisten kann. Wir werden damit als Bundeswehr zusätzlich verlegen in den Norden von Afghanistan. Wir sind ja jetzt im Bereich Kundus und Faisabad. Dies schließt ein Mazar e Sharif, so dass wir eine Verantwortung übernehmen für die Nordregion. Andere Staaten Europas oder im gesamten Bündnis übernehmen Verantwortung in anderen Re-gionen dieses Landes. Und wir versuchen damit, eine Stabilisierung von Afghanistan insgesamt zu erreichen. Ich bin ganz optimistisch, dass dieser Weg auch positiv eingeschlagen werden kann.

    Birke: Das heißt Sie haben eben auch gerade bestätigt, dass die deutschen Truppen in Afghanistan aufgestockt werden. Habe ich Sie da richtig verstanden, Herr Jung?

    Jung: Nein, da haben Sie mich nicht richtig verstanden. Wir haben in etwa jetzt 2500 Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan, konzentriert aber im Wesentlichen auch im Bereich Kabul. Dort werden wir verlegen in die Nordregion. Und es wird in etwa bei dieser Truppen-stärke bleiben. Das kann sich um 100 hin- und her verschieben. Das ist aber nicht das Thema. Vom Grundsatz bleibt es in dieser Verantwortung, wie wir sie vereinbart haben.

    Birke: Also mehr Verantwortung bei gleicher Truppenzahl. – Blicken wir noch auf Bosnien, wo wir ja auch präsent sind mit unseren Soldaten. Da wird Ihr österreichischer Kollege Günther Platter zitiert, der von einer Reduktion der derzeitigen Truppen der EU von 6700 auf 2500 spricht. Können Sie das bestätigen, dass dort die Reduktion der Präsenz beabsichtigt ist?

    Jung: Nein, das kann ich nicht bestätigen, weil wir gerade gestern darüber hier auch in der Konferenz gesprochen haben. Sie wissen, dass wir 940 Soldatinnen und Soldaten in dem Kontingent der Europäischen Union für Bosnien-Herzegowina, als Eufor der Europäischen Union, hier haben. Hier hat der neue Oberrepräsentant Christian Schwarz-Schilling eine wichtige Aufgabe vor sich. Wir werden Wahlen haben im Oktober in Bosnien-Herzegowina und wir sollten vor diesen Wahlen nicht über eine Truppenreduzierung reden, sondern wir sollten danach die Entwicklung abwarten, und dann könnte sich die Frage neu stellen.

    Birke: Franz-Josef Jung war das von der CDU, Verteidigungsminister, direkt live aus Innsbruck, wo die EU-Verteidigungsminister über einen Kongo-Einsatz beraten. Vielen Dank für dieses Gespräch und auf Wiederhören nach Innsbruck.