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Einer der berühmtesten Bigband-Chefs Amerikas

Kein anderer weißer Bandleader hat sich so lange behaupten können im Jazz wie er. Als singender und tanzender Kinderstar lernte Woody Herman das Showbusiness von der Pike auf. Mit seiner Offenheit für Neues gelang es ihm, sein Orchester 50 Jahre lang in der Oberliga des Bigband-Jazz zu halten.

Von Karl Lippegaus | 16.05.2013
    Woody Herman: "In meinem achten Sommer, es war 1921, beschloss mein Vater, es sei Zeit für die Karriere, die er nie gehabt hatte. Er schleppte mich zu einer Talentprobe. Ich trat mit sechs oder sieben anderen Kindern und einer alten Schauspielerin auf. Von da ab war ich unterwegs."

    Aus dem Jungen, den alle Woody nannten, wurde einer der berühmtesten Bigbandchefs Amerikas. Mehrere Hundert Musiker gingen in fünfzig Jahren durch sein berühmtes Orchester, die Woody Herman Band. Am 16. Mai 1913 kam er in Milwaukee zur Welt: als Sohn einer polnischen Mutter aus Deutschland und eines deutschstämmigen Amerikaners. Der Vater Otto Herrmann liebte das Showbusiness und übertrug seine Passion fürs Singen und Tanzen auf den Sohn.

    Mit fünfzehn Jahren war Woody Herman schon mit diversen Bands unterwegs. Dann kam er zu Isham Jones und seinem Orchester. Als Jones sich 1936 nur noch aufs Komponieren verlegte, wählten die Musiker Woody Herman zum neuen Bandleader. Der Songschreiber Ralph Burns:

    "Woody hat mir so viel beigebracht. Man packt zu viel rein in die Songs, wenn man noch jung ist. Woody kürzte rigoros - im Studio oder sogar auf der Bühne. Er kannte seine Grenzen als Musiker. Nie hieß es, ‚Ich bin der King'. Es war mehr wie ‚Ich bin der Vater'. Er war ein großer Psychologe. Er wusste, wie man die Leute manipulierte – und uns, sodass wir unser Bestes gaben."

    Die Woody Herman Band wurde eine Talentschmiede. Es war eine große Auszeichnung für einen jungen Jazzmusiker, wenn er dazu gehören durfte. Swing war ungeheuer populär und die Leute standen Schlange, wenn die Band in eine neue Stadt kam. Besonders während des Zweiten Weltkriegs stieg das Verlangen nach Swing.

    "Fellas, this is Woody Herman. Now that the shooting's all over, the band would like to shoot a V-disc your way… Leute, hier spricht Woody Herman. Jetzt wo das Schießen ein Ende hat, würde unsere Band gerne ihre neue Platte zu euch rüber schießen. … I hope you like it.”"
    Der Bassist Chubby Jackson stieß 1943 zur Band:

    "Wir liebten Woody. Er war der große Koordinator. Er wollte keinem Musiker vorschreiben, wie er zu spielen hatte. ‚Lasst ihn machen', sagte er zu uns, ‚und stellt euch darauf ein.'"

    Woody Herman war eine Frohnatur, er hatte früh seine große Liebe, Charlotte Neste, eine Tänzerin, gefunden, er kannte keine Drogenprobleme, verschmähte aber auch keinen Whisky. So happy wie er klang auch seine Band. Große Solisten wie Stan Getz und Zoot Sims wurden durch ihn bekannt. 1945 schrieb kein Geringerer als Igor Strawinsky für Woody Herman das berühmte "Ebony Concerto".

    Allein im Jahr 1946 machte die Woody Herman Herd – die "Herde", wie sie ein Sportreporter getauft hatte – eine Million Dollar. Für seine Familie kaufte er Humphrey Bogart eine Villa in Laurel Canyon in Kalifornien ab. Doch weil er praktisch vierzig Wochen im Jahr unterwegs war und sie ihn sehr vermisste, hatte sich seine Frau aufs Trinken und Pillenschlucken verlegt.

    "Die einzige Art, wie ich ihr helfen konnte, war nach Hause zu kommen. Also löste ich die Band auf."
    Seine Offenheit für Ne
    ues war der Garant für die Langlebigkeit seines Jazz. 1947 formierte er die zweite Bigband, die Second Herd. Ihr größter Coup war das berühmte "Four Brothers" mit dem wahnwitzigen vierstimmigen Saxofonsatz.

    ""Ich fragte mich, wie weit ich gehen konnte, mit diesem neuen Bebop-Sound … Ich wollte nicht etwas wiederholen, was ich schon gemacht hatte … Ich wollte nie Nostalgie verkaufen."

    Kein anderer weißer Bandleader hat sich so lange behaupten können im Jazz. Und keinem anderen als Woody Herman gelang es, auf derart subtile Weise einen Bogen zu spannen: von den Anfängen bis zu den diskret durchgeführten Modernisierungen in späteren Jahren.