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Einer der spektakulärsten Kriminalfälle der Nachkriegsgeschichte

Am 25. April 1962 wurde vor dem Landgericht München der Doppelmord-Prozess gegen Vera Brühne und Johann Ferbach eröffnet. Beide wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch um den Fall rankten sich noch Jahrzehnte später Spekulationen und Verschwörungstheorien.

Von Otto Langels | 25.04.2012
    Eine erlesene Dame trat ein, und neben ihr, verdächtigt, ihr Liebhaber und Mittäter gewesen zu sein, ein schlichter Handwerkertyp, unscheinbar. Zwei Menschen, die man nicht zusammenbringen konnte. Die erste Reaktion war, wie kann diese Frau hierherkommen?
    Der Gerichtsreporter Gerhard Mauz war im Saal des Münchener Landgerichts, als am 25. April 1962 der Prozess gegen Vera Brühne und Johann Ferbach eröffnet wurde. Die beiden waren des Mordes an dem Münchener Arzt Otto Praun und seiner Haushälterin Elfriede Kloo angeklagt. Vera Brühne, war damals Anfang 50, eine Frau, die die Aufmerksamkeit der Prozessbeobachter auf sich zog.

    "Sie ist eine faszinierende, eindrucksvolle Frau gewesen. Frau Brühne war eine Frau, die von einem Geschick war, von einem virtuosen Geschick, mit Menschen umzugehen, vor allem mit Männern umzugehen."

    Als allein stehende Frau begleitete sie häufig ältere solvente Herren und ließ sich von ihnen aushalten. Vera Brühne war gewissermaßen eine Vorläuferin des heutigen "Escort-Service", von der Öffentlichkeit damals abschätzig als "Lebedame" be-zeichnet, sie war in den Jahren um 1960 eine Provokation der biederen Bundesrepublik, eine Projektionsfläche für erotische Fantasien.

    Zeitweilig war Vera Brühne die Geliebte des Münchener Arztes Otto Praun gewesen, eines vermögenden Mannes mit einer Villa am Starnberger See und einem Landhaus in Spanien.

    Am 20. April 1960 wurden Praun und Elfriede Kloo in der Villa erschossen aufgefunden. Die Polizei ging von Mord und anschließendem Selbstmord aus und verzichtete auf eine genaue Spurensicherung. Erst als im Testament des Arztes Vera Brühne als Erbin der spanischen Finca auftauchte, wurde Otto Prauns Sohn misstrauisch und beantragte die Exhumierung der Leiche. Im Kopf entdeckte man zwei Einschüsse. Ein Selbstmord schien ausgeschlossen.

    Nun gerieten Vera Brühne und ihr Jugendfreund Johann Ferbach unter Verdacht. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage, die Medien sorgten für immenses Aufsehen.

    Als der spektakuläre Prozess im April 1962 begann, brach der Verkehr vor dem Gericht zusammen.

    "Hier tauchte ein Typ von Prozess auf, den es in Frankreich immer schon gegeben hat, den es in Amerika schon immer gegeben hat, den man aber bei uns so nicht gehabt hat."

    Die Boulevardpresse hatte die Angeklagten bereits vor Prozessbeginn als Schuldige vorverurteilt. Vor Gericht wurden sie von mehreren Zeugen belastet. Sie konnten für die Tatzeit kein Alibi vorweisen und verwickelten sich in Widersprüche. Zwar war die Indizienkette lückenhaft, aber Vera Brühne hatte ein Motiv: Otto Praun hatte die ihr testamentarisch zugedachte spanische Finca angeblich verkaufen wollen.

    Am 4. Juni 1962 verkündete das Münchener Landgericht das Urteil:

    "Im Namen des Volkes ergeht Urteil: Ferbach, Johann, geboren am 9.8.1913, wohnhaft in Köln; zweitens Brühne, Vera Maria, geboren am 6.2.1910, geschiedene deutsche Hausfrau, sind schuldig zweier in Mittäterschaft begangener Verbrechen des Mordes. Sie werden zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt."

    "Aber ich bin doch unschuldig", flüsterte Vera Brühne, als sie das Urteil vernahm. Alle Versuche, eine Wiederaufnahme des Verfahrens durchzusetzen, scheiterten jedoch. Johann Ferbach starb 1970 im Gefängnis, Vera Brühne wurde 1979 nach 18-jähriger Haft vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß begnadigt. Die Zweifel aber blieben, ob sie die Morde tatsächlich begangen hatten.

    Um den Fall rankten sich noch Jahrzehnte später Spekulationen und Verschwörungstheorien. Neue Zeugen und Verdächtige tauchten auf, Otto Praun wurden Kontakte zu Geheimdiensten und Verwicklungen in dubiose Waffengeschäfte nachgesagt. Medizinische Gutachter errechneten einen erheblich späteren Todeszeitpunkt, für den die Verurteilten aber ein Alibi hatten. Die Sprechstundenhilfe des Arztes, eine Kronzeugin der Anklage, kam unter mysteriösen Umständen ums Leben. Die Ungereimtheiten ließen sich aber nie aufklären.

    Bis zu ihrem Tod im Jahr 2001 beteuerte Vera Brühne ihre Unschuld.