Donnerstag, 18. April 2024

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"Eines langen Tages Reise in die Nacht"

Manchmal können solche Sätze gefährlich sein: "Wen interessiert dies hier eigentlich" sagt der Schauspieler Jens Harzer als Sohn Edmund im Salzburger Landestheater und zeigt dabei ins Publikum. Was wohl ironisch gemeint ist, kann man nichts desto trotz bei Eugene O´Neills "Eines langen Tages Reise in die Nacht" zumindest partiell ernsthaft fragen: wen soll diese symbolschwanger und schicksalsschwül aufgeladene Familientragödie mit schwerlastigem Ausgang eigentlich noch interessieren, oder anders gefragt, was muss man tun, damit uns die am eigenen Versagen höllisch leidenden und dabei alkoholsüchtigen männlichen Familienmitglieder –sprich Vater und Söhne – sowie die morphiumverfallene Mutterfigur in ihrem ganzen Pathos noch berühren können.

Von Sven Ricklefs | 15.08.2004
    Wie muss man diese Abgrundsfahrt einer Familie gestalten, einer Familie, die eigentlich in der Verdrängung verharren will und sich dennoch die Masken herunterreißt, hinter denen alle Schuld und Schuldzuweisung, alles Versagen, aller Hass aller Neid alle Angst und alle Zärtlichkeit verborgen liegen, die manchmal allerdings im symbolischen Übergestus des Autors auch unterzugehen drohen. In Salzburg hat Regisseur Elmar Goerden darauf keine wirklich eindeutige Antwort finden können. Statt szenisch den Gefahren des Stückes entgegenzusteuern, hat er manche ohnehin pasthos-seligen Momente noch durch dräuende Musik und flirrende Lichteffekte überdeutlich akzentuiert. Zudem ist er zu sehr in jene Falle getappt, die die vermeintlich so populäre Cornelia Froeboess wohl für jeden Regisseur bedeutet.

    Die Schauspielerin, die ja bekanntermaßen heftig zum Outrieren neigt, gibt in dieser Rolle der Morphingebeutelten dem Affen solchen Zucker, das es ein Graus ist: In einem quälend pathetischen Gestus suhlt sie sich sichtbar in dem, was sie für das Leid ihrer Figur hält.

    Mary: war kerngesund, bevor Edmund auf die Welt kam. Und dann das Reisen mit dir, eine Spielzeit nach der anderen. Woche um Woche jede Nacht woanders, im Schlafwagen, in verkommenen Hotels, miserables Essen und dann auch noch die Geburten in Hotelzimmern……

    Das zweite Problem, das diese Produktion zur Zeit hat, ist die Tatsache, dass der Schauspieler Helmut Griem, der eigentlich für die Rolle des Vaters vorgesehen war, nach 8wöchiger Probenzeit krankheitsbedingt ausfiel und von dem Filmschauspieler Vadim Glowna ersetzt wurde. Der nun steht nach nur 12 Probentagen verständlicher Weise etwas hilflos im Stück herum und gibt kaum mehr ab als einen Stichwortgeber. Nun gilt Elmar Goerden gemeinhin als neokonservativer und dabei als texttreuer Schauspielerregisseur und muss letztlich mit zwei Ausfällen im Zentrum seiner Inszenierung zurande kommen.

    Keine leichte Aufgabe. Dass er dies immer wieder auch schafft, verdankt er den beiden Darstellern der Söhne, Jens Harzer und Rainer Bock, die den ganzen traurigen Witz ihrer Figuren zu vermitteln wissen, ohne je peinlich zu sein: ihr frühes Scheitern macht sie immer wieder auch zu ironischen Clowns und ihre Zärtlichkeit füreinander kann sich im Bruchteil auch in heftigen Hass verwandeln. Und mit ihnen gelingt Goerden auch die Herausarbeitung jenes Aspekts, der "eines langen Tages Reise in die Nacht" auch oder wieder für uns interessant machen könnte, denn O´Neill wollte mit seinen Stücken immer auch über die Psychologie hinaus in die Metaphysik und trifft mit dieser Sehnsucht sicherlich mitten hinein in eine Leerstelle, die unsere Zeit heute auszeichnet.

    Trotzdem bleibt ein Zweifel, ob Eines langen Tages Reise in die Nacht nun unbedingt noch auf die Bühne gehört und die Frage stellt sich besonders, wenn man bedenkt, dass diese Inszenierung eine Co-Produktion mit Dieter Dorns Bayerischem Staatsschauspiel ist. Denn in München spielte man dieses Stück vor nicht einmal sieben Jahren schon einmal, da allerdings an den Münchner Kammerspielen, aber auch da hieß der damalige Intendant Dieter Dorn, und der Regisseur hieß Helmut Griem, dass dieser mit seiner Version auf starke Kritik stieß, scheint ihn sichtbar noch einmal herausgefordert zu haben. So also ködert man Stars, wenn sie nicht gerade krank werden.