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Eingeschleppte Arten
Mit dem Ballastwasser um die Welt

Die Chinesische Wollhandkrabbe, die Rippenqualle und die Rote Tide sind eingewanderte Arten, die als blinde Passagiere die Weltmeere überquert haben und nun in Europa für Unheil sorgen. Sie versteckten sich im Ballastwasser von Schiffen, das nur selten gereinigt wird. Das soll sich ändern.

Von Monika Seynsche | 29.10.2014
    Ein Mitarbeiter des Wattenmeerhauses in Wilhelmshaven hebt eine ursprünglich aus China stammende Wollhandkrabbe aus dem Aquariumsbecken.
    Die Wollhandkrabbe hat sich im Ballastwasser von Schiffen eingeschlichen (picture alliance / dpa / Ingo Wagner)
    Die Wellen schlagen hoch. Trotzdem liegt der große Tanker ruhig im Wasser. Seine Tanks sind mit Ballastwasser gefüllt. In diesem Wasser allerdings schwimmen jede Menge kleine bis kleinste Lebewesen herum. Damit sie keinen Schaden anrichten, wenn das Wasser am Ziel der Reise wieder abgelassen wird, sollte das Ballastwasser behandelt und die Lebewesen darin abgetötet werden.
    "Mein Name ist Klaas Kaag. Ich bin Forscher am IMARES-Institut für Meeresforschung der Universität von Wageningen. Eine unserer Aufgaben hier ist es, die Wirksamkeit neuer Ballastwasserreinigungssysteme zu testen. Wir schauen also, ob sie so funktionieren, wie sie sollten."
    Ballastwasser wird selten gereinigt
    Das täten sie relativ selten, sagt der Forscher. Die meisten Systeme steckten noch in den Kinderschuhen. Bis heute behandelt so gut wie kein Schiff der Welt sein Ballastwasser. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO hat zwar schon vor zehn Jahren ein Ballastwasser-Übereinkommen verabschiedet, das die Behandlung vorschreibt. Das Regelwerk ist aber bis heute nicht ratifiziert und damit nicht in Kraft, sagt Kaag:
    "Es ist schon seit Jahren die Rede davon, dass die Ratifizierung kurz bevor stehe. Zurzeit gehen wir davon aus, das es irgendwann im nächsten Jahr soweit sein soll. Dann würde das Übereinkommen ein Jahr später in Kraft treten. Das heißt, ab 2016 müssten alle Schiffe ihr Ballastwasser behandeln. Es gibt zurzeit einige Tausend Schiffe, die solche Reinigungssysteme schon an Bord haben, aber sie benutzen sie noch nicht, um Energie zu sparen. Das ist sehr schade, denn wir könnten die Daten dieser Schiffe nutzen, um auszuwerten, wie gut die Ballastwasserreinigungssysteme im Praxistest funktionieren."
    So aber müssen sich die Forscher mit ihren eigenen Daten aus dem Labor begnügen. Prinzipiell werden zwei Arten von Reinigungssystemen entwickelt. Die einen arbeiten mit Hilfe von UV-Licht, die anderen mit Chemikalien, sogenannten Bioziden. Wie gut sie funktionieren, hängt vom Salz- und Sedimentgehalt des Wassers und von dessen Temperatur ab. Kaag:
    "Ich denke es gibt kein System, dass mit jedem Wassertyp zurecht kommt. Deshalb ist es so wichtig, dass sie mit einer Kontrolleinheit ausgerüstet sind, die die Arbeit des Systems überprüft und ein Warnsignal gibt, sobald das System mit dem Wasser vor Ort überfordert ist und das Schiff besser woanders sein Ballastwasser aufnehmen sollte."
    Das Ökosystem Arktis ist besonders gefährdet
    Besonders wichtig sind funktionierende Reinigungssysteme nach Ansicht der Forscher in der Arktis. Dort nimmt der Schiffsverkehr durch das zurückgehende Meereis immer stärker zu. Gleichzeitig reagieren die Ökosysteme dort besonders sensibel auf eingeschleppte Arten. Zurzeit testen Klaas Kaag und seine Kollegen deshalb auf Spitzbergen, wie gut verschiedene Systeme in kaltem Wasser funktionieren. Bislang haben die Forscher Ergebnisse für ein Biozid. Auf dieses reagieren die Organismen im kalten Wasser wesentlich empfindlicher als in wärmeren Regionen.
    "Wenn sich diese Beobachtung für weitere Biozide bestätigt, bedeutet es, dass Sie weniger Chemikalien brauchen, um Organismen aus arktischen Gewässern abzutöten. Aber gleichzeitig müssen Sie auch vorsichtiger sein, wenn sie behandeltes Wasser in der Arktis ablassen, denn es ist für die Ökosysteme dort oben möglicherweise giftiger, als für Ökosysteme in gemäßigten Regionen."
    Bisher wurden alle Reinigungssysteme standardmäßig nur in gemäßigten Regionen getestet. Das aber reiche nicht aus, wenn immer mehr Schiffe in extreme Regionen wie die Arktis aufbrächen, sagt Klaas Kaag.