Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Eingeschleppte Pflanzenarten in Australien

In Australien verursachen in jedem Jahr außer Kontrolle geratene Unkräuter einen Schaden von mehr als drei Milliarden Mark - allein in der Landwirtschaft. Der Schaden an der Umwelt ist gar nicht zu beziffern: Denn , wenn die einheimische Flora von fremden Arten wie dem südafrikanischen großblättrigen Asparagus oder der Mimose überwuchert wird. Das Problem der eingeschleppten Pflanzen hat sogar noch eine ganz andere Dimension: Weder Kängurus noch Koalas oder sonst irgendeines der einheimischen australischen Tiere fressen sie. Ersetzen die Fremdlinge also - wie im Kakadu-Nationalpark - die australischen Pflanzen auf weiten Flächen, kann das auch für die Tierwelt böse Folgen haben. Deshalb wird jetzt im westaustralischen Perth ein Hochsicherheitslabor samt Hochsicherheitstreibhaus eröffnet. Träger ist die Forschungsorganisation CSIRO (Einzelbuchstaben), das australische Pendant der Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland.

19.11.2001
    Die Schleuse öffnet sich zu einem neuen Hochsicherheitslabor in Perth. Hier soll das Arsenal gegen die pflanzlichen Neubürger Australiens zusammengestellt werden. Denn viele Pflanzen, die versehentlich oder auch gezielt als Nutz- und Zierpflanze eingeführt worden sind, geraten außer Kontrolle. Der Grund: In der neuen Umgebung fehlen die natürlichen Regulationsmechanismen, also die von Krankheiten und Freßfeinde. Paul Yeoh, der Quarantäne-Manager, führt durch das Gebäude.

    Das Gebäude steht unter Unterdruck. Wann immer man eine Tür öffnet, wird die Luft in den Raum gesaugt. ....

    ...damit kein Insekt und keine Pilzspore entweicht. Das Labor ist von der Außenwelt abgeschottet. Das Abwasser wird im Gebäude sterilisiert - und selbst die Daten werden nur per Datenleitung oder Fax aus dem Sicherheitstrakt in die Büros übertragen. Der ganze Aufwand wird betrieben, um nach den Unkräutern die auch deren Krankheiten und Fressfeinde zu importieren - und zwar die, die ansonsten im Ökosystem keinen Schaden anrichten. Sogar Hochsicherheits-Treibhäuser sind vorhanden. Die Forscher arbeiten mit Insekten, aber lieber mit den spezifischeren Pflanzen- und Pilzerkrankungen.

    Was in Perth studiert wird, hat im Ursprungsland der Pflanze bereits erste Versuche positiv durchlaufen. Tim Roodburn von der CSIRO-Abteilung zur biologischen Kontrolle von Unkräutern.

    Wenn wir etwa in Europa arbeiten, stützen wir uns auf das vorhandene Wissen, welches Insekt ein Unkraut frißt und wie sehr es auf unsere Schadpflanze spezialisiert ist. So haben wir in unserem Laboratorium in Montpellier mit der Artischocke gearbeitet, die ja eine Distel ist und eine Nutzpflanze. Wollen wir in Australien gegen Disteln vorgehen, dürfen wir nur Mittel einsetzen, die die ebenfalls hier angepflanzten Artischocke in Ruhe lassen. Was den ersten Durchgang positiv durchläuft, kommt in unsere Hochsicherheitslabors nach Australien und wird dort weiter getestet.

    Diese Vorsicht ist angebracht.

    Uns beunruhigt, dass wir eine große Menge von fremden Pflanzen bei uns haben, die noch nicht zu Unkräutern geworden sind. Aber sie könnten urplötzlich zu einer Gefahr werden.

    Wie das etwa bei dem bridal creeper geschah, der in Europa als großblättriger Asparagus im Bindegrün eingesetzt wird. 150 Jahre lang lebte er unfällig in Australien, ehe er vor 20 Jahren alles zu überwuchern begann. Warum, ist unbekannt. In den 70er Jahren wurden auch die Mimosen "virulent". Hier scheint die Ursache klar - auch wenn der Zusammenhang auf den ersten Blick erstaunlich ist:

    Bei der Mimose soll die Ursache sein, dass die Büffel außer Kontrolle geraten sind. Sie wühlten den Boden um, so dass die Pflanze nach den Regenfällen einen idealen Nährboden vorfand und sich unkontrolliert vermehrte.

    Die Experten von CSIRO befürchten, dass es unter den Neophyten viele solcher "Schläfer" gibt, die ihr zweites Gesicht erst spät unter Beweis stellen. Um das für die Zukunft zu vermeiden werden die als Waffen gedachten, zielspezifischen Organismen über Generationen im Hochsicherheitslabor getestet. Erst wenn sie weder Krankheiten noch Vermehrungsprobleme mit sich bringen, ist es perfekt, denn:

    Das schöne an der biologischen Kontrolle ist, dass die zur Bekämpfung eingeführten Pilze oder Insekten von ihrem Zielorganismus abhängen. Nimmt das "Zielunkraut" ab, nimmt auch das Insekt oder der Pilz ab. Es ist wie bei der Fuchs- und Hase-Geschichte. Als die Zahl der Hasen abnahm, verschwanden auch die Füchse und so setzt sich der Kreislauf fort.

    Wenn die Forscher mit ihrer Arbeit fertig sind, dann sind sie zu 99.99 Prozent sicher, dass die eingeführten Organismen sicher sind - für die nächsten hundert Jahre.