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Einmal Erdmantel und zurück

Geophysik. - Diamanten, die einmal mehr als 700 Kilometer tief in der Erde entstanden sind, haben Geologen nun unerwartete Einblicke in das Planetenrecycling gegeben. Und zwar geht es um den Kohlenstoff. Der wird auf der Erde in Atmosphäre gespeichert, der Biosphäre, der Hydrosphäre - und im Gestein, von Kalksteinen bis zum größten Reservoir von allen: dem Erdmantel. Alle vier Speicherorte sind an einem komplexen System, dem Kohlenstoffzyklus, beteiligt.

Von Dagmar Röhrlich | 13.10.2011
    Juina ist eine kleine Stadt im Nordwesten Brasiliens. Dort haben sogenannte Kimberlit-Pipes die Erdkruste durchschlagen: tiefreichende vulkanische Schlote, in denen Diamanten stecken. Das Gros dieser Edelsteine, die ja nichts anderes sind als reiner Kohlenstoff, entstand unter den hohen Drücken und Temperaturen in 150, 200 Kilometern Tiefe - also im oberen Erdmantel. In Juina gibt es aber auch ungewöhnliche Diamanten, erklärt Simon Kohn, Geochemiker von der University of Bristol:

    "Wenn man sich diese Diamanten anschaut, erkennt man Einschlüsse, winzige Partikel, die während des Mineralwachstums gefangen wurden. Wir haben ihre chemische Zusammensetzung analysiert. Danach stecken in den Kimberlit-Pipes von Juina Diamanten, die besonders reich an Einschlüssen aus dem unteren Erdmantel sind."

    Laborversuche zeigten, dass diese Diamanten in 770 bis 1440 Kilometern Tiefe gewachsen sein müssen und dann nach oben transportiert wurden. Die Analysen belegen auch, dass der Kohlenstoff, aus dem sie gewachsen sind, einmal im Erdkrustengestein an der Oberfläche gesteckt hat - genauer: in einem uralten Meeresboden. Kohn:

    "Diese Einschlüsse in den Diamanten sind der erste direkte Beweis dafür, dass die Plattentektonik die ozeanische Erdkrustenplatte wirklich bis in den unteren Mantel hinab 'verschluckt', also subduziert. Das ist bislang noch nie beobachtet worden."

    Das ist nur ein Teil des Beweises. Der zweite ist der Kohlenstoff in den Diamanten selbst. Auf der Erde findet man Kohlenstoff nicht nur in der unbelebten Natur, sondern auch in der belebten:

    "Wenn wir uns die Kohlenstoffzusammensetzung dieser Diamanten ansehen, ist das Verhältnis der Isotope charakteristisch verschoben: Sie weisen das chemische Signal für Leben auf, so dass der Kohlenstoff dieser Diamanten einmal in einem Organismus gesteckt haben könnte."

    Damit könnten diese Diamanten gleichzeitig der erste greifbare Beweis dafür sein, dass der Kohlenstoffkreislauf der Erde von der Oberfläche bis in den unteren Erdmantel hinabreicht und somit einen großen Teil des Planetenkörpers umfasst:

    "Wir haben also erstmals Proben von etwas, das ehemals ein Meeresboden an der Erdoberfläche gewesen ist, dann bis in den unteren Mantel hinein subduziert und wieder zurück an die Oberfläche geschafft worden ist."

    Weil der Vulkanismus die Hauptquelle für Kohlendioxid ist und damit den natürlichen Treibhauseffekt reguliert, wollen die Forscher nun anderswo in der Welt weitere supertiefe Diamanten finden. Mit ihrer Hilfe soll dann geklärt werden, wieviel kohlenstoffbeladene Sedimente über die Plattentektonik ins Erdinneren gelangen, wie dieser Teil des Kohlenstoffzyklus genau funktioniert und welche Mengen der Erdmantel als größter Kohlenstoffspeicher in sich birgt.