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Einreisende aus Nicht-Risikogebieten
Ende der kostenlosen Corona-Tests

In den letzten Wochen wurden mehr als doppelt so viele Menschen auf Corona getestet wie in den Monaten zuvor. Doch die Kapazitäten der Testlabore stoßen an ihre Grenzen. Deshalb haben sich Bund und Länder jetzt auf eine neue Teststrategie verständigt.

Von Arndt Reuning | 27.08.2020
Eine Krankenpflegerin hält einen Covid-19 Test in der Hand.
Ressourcenverschiebung: Ab Mitte September sollen Rückkehrer aus Nicht-Risikogebieten nicht mehr kostenlos getestet werden (Getty / iStockphoto)
Ab dem 15. September soll Schluss sein mit kostenlosen Corona-Tests für Menschen, die aus Nicht-Risikogebieten einreisen. Das dürften dann auch deutlich weniger sein, denn die Sommerferien sind dann in allen Bundesländern zu Ende. Dieses Modell hatte Bundesgesundheitsminister Spahn bereits vorgeschlagen, und jetzt wird dieser Vorschlag tatsächlich umgesetzt.
Warum werden die Gratis-Tests beendet?
Ein wichtiger Faktor dabei ist wohl, dass die Zahl der Tests in den vergangenen Wochen deutlich angestiegen war – und das hatte zu gewissen Engpässen geführt. Darauf hatte das Robert-Koch-Institut hingewiesen im Epidemiologischen Bulletin Nummer 34 dieses Jahres.
Das RKI erhebt die Zahl der wöchentlichen Tests in Deutschland. Die lag lange Zeit um die 400.000, mal mehr, mal weniger. Ab Kalenderwoche 27, also Anfang Juli, steigen sie dann über 500.000. Und in Kalenderwoche 32 und 33 geht es nochmal deutlich aufwärts auf 875.000.
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Außerdem schreibt das Robert-Koch-Institut, es habe einen Rückstau gegeben bei den Proben, die abzuarbeiten waren, in der zweiten Augustwoche, von rund 17.000 Proben. 41 Labore haben angegeben, dass sie Lieferschwierigkeiten für Reagenzien hatten, die für diese Tests benötigt werden.
Was sagen die Testlabore zur neuen Teststrategie?
Die sind organisiert im ALM, den "Akkreditierten Laboren in der Medizin". Und dieser Verein hatte vorgestern schon Spahns Forderung unterstützt, die Teststrategie für Reiserückkehrer anzupassen.
Testzahlen und Rückstau hätten sich in der vergangenen Woche noch einmal deutlich erhöht. Das stelle einen Druck auf das System dar, der nicht länger auszuhalten sei. Wenn jetzt große regionale Ausbrüche hinzukämen, könne das die Testlabore in die Knie zwingen. Es müsse jetzt darum gehen, gezieltere Teststrategien umzusetzen, vor allem Menschen mit Symptomen zu testen, und viel konsequenter auf die AHA-Regeln zu achten, also Abstand – Hygiene – Alltagsmasken.
Eine Pflegekraft in Mailand nimmt an einer Corona-Teststation im San-Paolo-Krankenhaus einen Abstrich.
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Welche Engpässe gibt es in den Testlaboren?
Darüber habe ich mit Prof. Jan Kramer gesprochen aus dem ALM-Vorstand. Er leitet außerdem eines der großen Labore in Deutschland, wo SARS-CoV-2-Tests durchgeführt werden. Er sagte, es ist eine Frage der Arbeitskräfte, der Geräte, der Verbrauchsmaterialien und der Reagenzien. Ganz klar: die Menschen, die in den Laboren arbeiten, müssen im Moment einen Sprint hinlegen. Wir haben allerdings einen Marathon vor uns. Da gilt es dann, durchzuhalten. Das kann das Personal nicht, wenn es ständig Spitzengeschwindigkeit laufen muss, argumentiert Jan Kramer.
Für die Verbrauchsmaterialien und Reagenzien gibt es für jedes Labor üblicherweise ein festes Kontingent. Verbrauchsmaterialien, das sind vor allem Plastikartikel, allen voran die Pipettenspitzen, also diese kleinen Plastikhütchen, in denen die Proben und Reagenzien gehandhabt werden. Die fehlen dann übrigens auch für ganz andere medizinische Tests, die nichts mit Corona zu tun haben.
Und bei den Reagenzien kann es durchaus vorkommen, dass die Kapazität der Testgeräte unter Umständen gar nicht vollständig genutzt werden kann, weil Chemikalien fehlen.
Welche Chemikalien werden in den Testlaboren knapp?
Zum einen Reagenzien, die man braucht, um das Erbgut der Viren zu isolieren, also ihre RNA. Wenn man einen Rachenabstrich nimmt, dann klebt am Tupfer eine Mischung aus menschlichen Zellen, aus Schleim und möglicherweise Viren. Da muss man dann sozusagen erst einmal aufräumen und die Viren-RNA abtrennen.
Und zum zweiten geht es um die Reagenzien für die PCR, die Polymerase-Kettenreaktion. Wenn die Viren-RNA isoliert ist, dann vervielfältigen die Fachleute im Labor mit der PCR zielgenau nur diejenigen Abschnitte im Virenerbgut, die charakteristisch sind für SARS-CoV2, um sie dann nachzuweisen.
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Hier kommt es immer wieder zu Engpässen bei den Primern. Das sind die Moleküle, die Anfang und Ende der Zielsequenz markieren. Und es fehlt immer wieder mal an der Polymerase selbst, also an dem Enzym, das für die eigentliche Vervielfältigung der typischen Erbgutabschnitte zuständig ist.
Deswegen machen sich die Laborbetreiber Sorgen. Auch vor dem Hintergrund der Situation, die im Herbst möglicherweise auf uns zukommt. Und angesichts der internationalen Lage. Denn der Markt für diese Materialien und Geräte ist natürlich global.
Wie sehen die Teststrategien in anderen Ländern aus?
Wo viel getestet wird, steht man vor ähnlichen Herausforderungen. In den USA hat die Seuchenschutzbehörde CDC in dieser Woche zunächst eher unbeachtet ihre Richtlinien geändert. Demnach sollen nur noch Menschen getestet werden, wenn sie Symptome zeigen – selbst wenn sie nachweislich dem Virus ausgesetzt waren.
Welche Alternativen zur momentanen Teststrategie gibt es?
Dazu hat sich der Verband der Diagnostica-Industrie, VDGH, heute geäußert. Sie setzen unter anderem Hoffnung auf neue Technologien als Ergänzung zur PCR. Zum Beispiel Antigen-Tests, die also den Erreger selbst nachweisen. Erste Tests dieser Art dürften wohl im Herbst zur Verfügung stehen.
Das wären dann Nachweise, die man selbst vornehmen könnte. Vom Prinzip her so ähnlich wie ein Schwangerschaftstest. Man würde morgens aufstehen, etwas Speichel in ein Teströhrchen mit Reagenzien spucken, etwa fünfzehn Minuten warten, dann einen Teststreifen aus Papier hineinhalten. Und ein Farbumschlag würde dann anzeigen, ob man infiziert ist. Und wenn diese Tests billig genug wären, könnte man sich sogar mehrmals wöchentlich testen. Der Ein-Dollar-Test heißt diese Strategie.
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