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Einsam auf der Insel

Die Oper "Ariadne auf Naxos" ist das dritte Gemeinschaftswerk von dem Komponisten Richard Strauss und dem Librettisten Hugo von Hofmannsthal. Die Inszenierung an der Staatsoper anvanciert zu einer Mischung aus Ariadne-Tragödie und Zerbinetta-Komödianten-Truppe.

Von Georg-Friedrich Kühn | 04.12.2011
    Es ist das wohl kostbarste Juwel im Oeuvre von Richard Strauss. Um die Zeitenwende des Ersten Weltkriegs wollte auch er neue Wege gehen, versuchte mit seinem Librettisten Hugo von Hofmannsthal den alten von Wagner geerbten Opern-Panzer abzustreifen, die illusionistische Operndramaturgie einer geschlossenen Form mit einer neuen offeneren aufzubrechen, mythologische Tragödie mit gegenwartsnäherer Komödie im Stile der improvisatorischen Commedia dell’arte zu durchdringen.

    An der Staatsoper Hannover sieht man bei Strauss-Hofmannsthals "Ariadne auf Naxos" nun freilich nur Trümmer. Zu einem neuen Ganzen fügt sich da nichts. Schon der erste Eindruck beim Betreten des Theatersaals ist ernüchternd: auf der offenen Bühne ein langer Tisch mit Stühlen, wie zu einer Probenbesprechung.

    Wenn dann alle Darsteller sich eingefunden haben, taucht eine Figur im Bärenfell auf, die dann losbrabbelt, den Haushofmeister geben zu sollen, und warum er nicht singt, sondern nur den Lautsprecher seines Herren mimt. Kurzfristig sei er eingesprungen, woraufhin das Ensemble dann zu einer Art Aerobic-Übung sich anschickt.

    Mit derlei von weither geholten statt aus dem Stück entwickelten Ideen geht es weiter. Der Tisch dient vor allem als Räkel-Podium, auf dem die Vortänzerin der Komödianten-Truppe, Zerbinetta, Hof hält und den Komponisten bezirzt, der sich derweil etwas andere Sorgen macht: nämlich wie er sein Stück vor dem Zugriff des kunstunsinnigen Mäzens rettet, der ständig verkünden lässt, wie reich er ist und warum er das auch auf der Bühne sehen will.

    Wenn dann nach dem Vorspiel die eigentliche Oper als Mischung aus Ariadne-Tragödie und Zerbinetta-Komödianten-Truppe beginnt, ist auf der Bühne weiter geschäftiges Treiben mit dem Kompositionslehrer als eine Art Zufalls-Regisseur.

    Ariadne hockt meistens am Tisch oder am Boden, gramgebeugt. Die Nymphen fummeln in Cancan-Kleidchen herum. Zerbinetta windet sich für ihren großen Dialog mit Ariadne fast vom Stuhl und macht es sich dann mit Harlekin gemütlich. Gott Bacchus bringt gleich einen Tisch mit, um sich gehörig in Szene zu setzen.

    Am Ende ist es wie am Anfang: Das Ensemble mimt Leibesübungen. Bacchus schaut zu. Ach, und dann ist da noch das anbefohlene Feuerwerk. Lieber allerdings hätte man ein Feuerwerk von Ideen auf der Bühne präsentiert bekommen.

    Aber bei Regisseur Ingo Kerkhof – soweit man von Regie hier sprechen kann – und seinem Team (Anne Neuser: Bühne, Inge Medert: Kostüme) ist alles stumpf, improvisatorische Leichtigkeit wird hier verwechselt mit Dilettantismus den lieben langen Abend lang.

    Immerhin musiziert wird exzellent im Graben. Karen Kamensek versteht die von Strauss über weite Strecken kammermusikalisch angelegte Partitur aufzufächern, ohne ihr den Schmelz zu nehmen.

    Einigen Lorbeer kann sich auch Ina Yoshikawa ersingen mit ihrer großen Zerbinetta-Arie, auch wenn ihre Stimme manchmal etwas gepresst wirkt. Brigitte Hahn findet in ihren Ariadne-Soli den großen Atem, hat allerdings Mühe mit den Tiefen. Ein nur schmetternder Tenor ist Robert Künzli als Bacchus.

    Vom Publikum gab’s am Ende vor allem Beifall, nur vereinzelte Buhs. Hätte der reiche Wiener Mäzen auch diese Aufführung bezahlen müssen, er hätte sie wirklich überbezahlt. Aber die Abwesenheit von Kunst hat ja in der Kunst auch ihre lautstarke Lobby.