Donnerstag, 18. April 2024

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Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan

Meurer: Am Wochenende hat die Anti-Terror-Allianz unter Führung der USA ihre bislang größte Bodenoffensive in Afghanistan begonnen. Das Pentagon, das US-Verteidigungsministerium, teilte in Washington in der Nacht mit: an dieser Offensive nehmen auch deutsche Soldaten teil. - Am Telefon begrüße ich nun Helmut Wieczorek, den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Bundestages. Er ist SPD-Bundestagsabgeordneter. Guten Morgen Herr Wieczorek!

04.03.2002
    Wieczorek: Guten Morgen.

    Meurer: Haben Sie mit einem solchen Einsatz gerechnet?

    Wieczorek: Mit einem Einsatz haben wir schon gerechnet. Allerdings kam er zeitlich für uns doch auch überraschend.

    Meurer: Mit welchem Zeitpunkt hätten Sie gerechnet?

    Wieczorek: Wir haben damit gerechnet, dass das ganze sich in Afghanistan noch etwas mehr beruhigen würde, und haben gehofft, dass es nicht zum großflächigen Einsatz kommen kann.

    Meurer: Gehen Sie davon aus, dass es sich hier um Soldaten der KSK, des Kommandos Spezialkräfte handelt?

    Wieczorek: Das kann ich im Moment überhaupt nicht sagen. Mir ist nur bekannt, dass unsere Soldaten sich insofern beteiligt haben, als sie ganz wesentlich dazu beigetragen haben, dass der Transport von Verwundeten in Krankenhäuser stattfinden konnte. Das war wohl eine der wesentlichsten Aufgaben, die unsere Soldaten innerhalb dieser Handlungen gehabt haben. Dafür haben wir eigentlich auch gute Voraussetzungen.

    Meurer: Es gab ja in der letzten Streit um die Informationspolitik der Hardthöhe. Wünschen Sie sich, dass Sie über diesen Einsatz, von dem jetzt die Rede ist, näher informiert werden?

    Wieczorek: Ich werde regelmäßig informiert, aber auf der anderen Seite sage ich Ihnen sehr deutlich: die Befehls- und Kommandogewalt für Soldaten liegt bei der Administration. Sie liegt nicht auf der Seite der Politik. Die Politik darf sich auch nicht in operative Angelegenheiten einmischen, die die Führung der Armee zu verantworten hat. Es kann einfach nicht sein, dass Politiker, die ja in jedem Falle Amateure sind - auch ich bin ein Amateur in Verteidigungsfragen, obwohl ich Vorsitzender des Verteidigungsausschusses bin -, hier Ratschläge geben. Ich würde mich nicht dazu hergeben, auch nur einen entferntesten Ratschlag über operative Angelegenheiten des Einsatzes von Soldaten zu machen.

    Meurer: Nur bedeutet informiert werden, Herr Wieczorek, schon einmischen?

    Wieczorek: Natürlich werden wir informiert und die Information der Hardthöhe dem Parlament gegenüber, ausgedrückt durch den Verteidigungsausschuss, ist nicht zu beanstanden.

    Meurer: Schließen Sie aus, dass es diesmal wieder Ärger mit der Opposition geben wird?

    Wieczorek: Nein. Wir haben eigentlich mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss auch keine Probleme, wenn es darum geht nachzuweisen, welche Informationen laufen und gelaufen sind. Nein, daran glaube ich überhaupt nicht.

    Meurer: Stehen die deutschen Soldaten - können Sie das sagen - unter dem Kommando amerikanischer Militärs?

    Wieczorek: Die deutschen Soldaten stehen unter dem Kommando amerikanischer Soldaten. Das kann durchaus bei den einzelnen operativen Gelegenheiten der Fall sein. Insgesamt unterstehen sie natürlich der Leitung der Führungsnation, die für diesen Bereich ausgewählt ist, und das ist nach wie vor Großbritannien.

    Meurer: Am Wochenende wurde bekannt, Herr Wieczorek für Sie vielleicht nicht neu, dass die Angehörigen von deutschen Soldaten in Afghanistan, von KSK-Leuten, zu Hause unter Druck gesetzt werden, dass es Drohbriefe gebe. Wie kann man den Angehörigen und Familien helfen?

    Wieczorek: Das ist für uns eine ganz, ganz schwierige Situation, denn es kann doch einfach nicht sein, dass die Menschen in unserem Land so emotionalisiert werden, dass sie nicht mehr den Schutz der Betroffenen im Vordergrund haben, sondern die Nachricht als Sensation abgepresst wird und damit auch die Menschen gefährdet werden. Es ist tatsächlich so, dass bei einigen Familien sogar eine Aussiedlung zeitweise stattgefunden hat und sie eine neue Identität bekommen haben, um sie zu schützen vor solchen Belästigungen, die schon in den Bereich der Gefährdung gehen.

    Meurer: Die Belästigungen gehen von Journalisten aus? Verstehe ich Sie recht?

    Wieczorek: Ob jeder, der dort belästigt und sich Journalist nennt, auch Journalist ist, das möchte ich bezweifeln, denn ich habe nach wie vor ein gutes Verhältnis zu Journalisten und ich glaube nicht, dass ein guter, ordentlicher Journalist, der seiner Informationspflicht genügt, zu solchen Mitteln greift. Es nennen sich aber auch eine ganze Reihe Journalisten, denen ich dieses Privileg nicht geben würde.

    Meurer: Was kann man tun? Den Presserat einschalten?

    Wieczorek: Den Presserat werden wir auf alle Fälle einschalten. Das kann so nicht weitergehen. Das hat allerdings die Hardthöhe schon angeleiert, aber genau sagen kann ich das nicht. Aber dass es notwendig ist, das auf alle Fälle!

    Meurer: Das war Helmut Wieczorek, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im deutschen Bundestag (SPD). - Herr Wieczorek, danke Ihnen herzlich und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio