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Einsatz für die Hemdlosen

Argentinien ist peronistisch. Das bezieht sich auf den legendären General Juan Domingo Perón, der das Land bis zum Militärputsch 1955 mit harter Hand regierte. Aber das Volk liebte vor allem seine Frau, die Schauspielerin Eva Duarte. Bis heute. Sie verstarb am 26. Juli 1952.

Von Gaby Weber | 26.07.2012
    Für das Volk war sie "Evita", der Engel der "Hemdlosen", der Landarbeiter, der Dienstboten. María Eva Duarte, die Ehefrau des argentinischen Präsidenten Juan Domingo Perón starb mit nur 33 Jahren am 26. Juli 1952. Ihr Leichnam wurde in der Gewerkschaftszentrale aufgebahrt. Und auf den Straßen baute man ihr Altäre, so Pablo Vázquez, Sprecher des Museums Eva Perón:

    "Der Leichenzug dauerte zwei Wochen, ununterbrochen. An ihm nahmen drei Millionen Menschen teil, in einem Land, in dem damals nur 18 Millionen lebten. Arbeiter und Frauen trugen den Sarg auf ihren Schultern, vom Kongress über die Mai-Allee zur Plaza de Mayo. Man erwies ihr alle Ehren, die sonst nur einem Staatsoberhaupt gewährt werden."

    Evita hatte ihren Mann von der Idee der sozialen Gerechtigkeit überzeugt. Die Frauen erhielten das Wahlrecht und jedes Jahr wurden die Löhne erhöht. In den gewerkschaftseigenen Hotels machten auch die Armen Urlaub.

    "Alles was wir heute unter einem Wohlfahrtsstaat verstehen - Recht auf Urlaub, Arbeitspausen, Sozialversicherung, 13. Monatsgehalt, der Acht-Stunden-Tag und Mindestlöhne für die bis dahin rechtlosen Landarbeiter - all dies erhält das Volk von Perón."

    Die Gedenkstätte ist in einer Villa untergebracht, in der Eva Perón ein "Heim für alleinstehende Mädchen" eingerichtet hatte. Touristen bevölkern die Säle, Postkarten und Broschüren liegen zum Verkauf aus. Die Führungen und Videoaufzeichnungen sind in spanisch, mit englischen Untertiteln. Gleich am Eingang eine Vitrine, Eva mit Heiligenschein. Aus einem Fernseher erschallen ihre Reden.

    ""Die einfachen Leute wissen gut, dass sie vor Perón Sklaven waren. Und dass ihnen Perón die Hoffnung auf ein besseres Leben gegeben hat. Und sie wissen sehr genau, wer ihre Feinde sind, die Opportunisten, die Vaterlandsverräter, die Reaktionäre. Sie verschwören sich, um das Volk zu unterjochen."

    Präsident Perón regierte mit harter Hand, unterdrückte nicht nur die Landeigner, sondern auch die Gewerkschaften, die nicht auf seiner Linie waren. Und er beschränkte die Pressefreiheit. 1951 erkrankte Eva Perón an Krebs. Vom Tod gezeichnet hielt sie vom Balkon des Regierungspalastes herab ihre letzte Rede:

    "Ich danke euch im Namen der Erniedrigten. Und ich wünsche mit meiner ganzen Seele, dass ihr mit Perón glücklich werdet. Bis zum Tod. Betet, dass ich wieder zu Kräften komme, nicht für mich und nicht für Perón, sondern für die Hemdlosen."

    Ihr Tod 1952 fiel mit dem wirtschaftlichen Niedergang des Landes zusammen, drei Jahre später putschten die Militärs. Es folgten Diktaturen und Wirtschaftskrisen, doch der "Mythos Evita" blieb lebendig. Vor neun Jahren zog der Peronist Néstor Kirchner mit seiner Frau Cristina in den Präsidentenpalast ein.

    In die Tangokneipe "Tasso" hat die Gruppe "Oesterheld" bewährte Kader eingeladen. Die "Oesterhelds" gehörten in den siebziger Jahren zur peronistischen Stadtguerilla "Montoneros", viele wurden ermordet und gelten als Märtyrer. Man singt mit erhobener Faust den "peronistischen Marsch".

    An der Wand hängen Plakate von General Perón, der seine Eva umarmt. Und neben ihm prangt der vor zwei Jahren verstorbene Néstor Kirchner, der seine Cristina umarmt. Sie ist heute Präsidentin des Landes. Man verzeiht ihr, dass sie im Designeroutfit Reden über "soziale Gerechtigkeit" hält – denn auch Eva Perón war im Pelzmantel in die Slums gezogen, um die "Hemdlosen" über ihre Rechte aufzuklären.

    Die Kirchners erklärten die Amnestiegesetze für ungültig, warfen die Vertreter des Internationalen Währungsfonds aus dem Land und erhöhten die Löhne. Ihre Anhänger demonstrieren fast jeden Tag in Buenos Aires. Auf ihren Transparenten steht: "Bewegung Evita", "Peronistische Jugend", "Evita-Montoneros". Und immer ist, übergroß, ein Bild präsent: von einer schönen blonden Frau.

    "Wir sind die Kinder von Perón und Evita" – heißt es in Sprechchören, "der Kampf geht weiter."