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Einschulung als Event
Clowns, Feuerspucker und Musiker

Schultüten werden immer größer und neben den Eltern kommen auch Großeltern, Tanten und Onkel zur Einschulung. Der Tag, an dem der Ernst des Lebens beginnt, wird ausgiebig gefeiert. Denn nach dem ersten Unterricht am Morgen, geht die Feier am Nachmittag erst richtig los.

Von Michael Watzke | 13.09.2017
    I-Maennchen bei der Einschulung mit Ihren Schultueten auf dem Schulhof, im Vordergrund ein Kind mit Dinosaurier-Schultuete, Deutschland.
    Die Einschulung ist inzwischen zu einem Event geworden und die Schultüten werden immer größer (imago / blickwinkel)
    Vitus Adrom, 6 Jahre alt, steht auf dem Pausenhof einer Münchner Grundschule. Er tippelt von einem Bein aufs andere, sichtbar aufgeregt:
    "Ja! Weil das mein erster Schultag ist!" - In der Hand hält Vitus, wie alle anderen Kinder auch: "Meine Schultüte." Die soll ihm die Aufregung nehmen, sagt seine Mutter Stefanie Adrom:
    "Weil der Ernst des Lebens losgeht. Es ist gefühlt ein großer Schritt, aber im wahren Leben ist es dann doch nur ein ganz kleiner, erstmal."
    Ein kleiner Schritt, der aber immer größer gefeiert wird. Nicht nur, dass die Schultüten immer voluminöser werden, wie Vitus‘ Oma Maria auf dem Schulhof beobachtet:
    "Da ist eine riesige Schultüte, die die Mutter tragen muss. Aber kommt ja darauf an, was drin ist. Ob’s übertrieben ist, weiß ich nicht."
    Einschulung als Familienfest
    Ab wann ist eine Schulstart-Feier übertrieben? Ulrike Hohl, die Leiterin der Grundschule an der Tumblinger Straße in München, beobachtet einen Trend zum Event:
    "Die Fotografiererei hat stark zugenommen, auch das Filmen. Das hat sich geändert. Inzwischen ist es ein Event geworden. Eltern kommen mit, Großeltern, Tanten, Onkel. In Bayern hält es sich noch im Rahmen, in anderen Bundesländern ist die Einschulung am Samstag und wird zu einer richtigen Familienfete gemacht."
    Das bestätigt Ann-Sophie Schlosser von "Eventpeppers", einer Online-Künstler-Vermittlung. Schlosser vermittelt heute dreimal mehr Clowns und Unterhaltungskünstler an Schulstart-Feiern als noch vor fünf Jahren.
    "Das sind zum Beispiel ganz klassisch für kleine Mädchen Prinzessinnen-Walk-Acts, die als Disney-Eiskönigin Elsa oder Prinzessin Belle aus "die Schöne und das Biest" auf die Veranstaltung kommen. Komplett als Figur verkleidet, mit Kostüm und Haaren. Die unterhalten die Kinder mit verschiedenen Spielen und haben schon durch ihr Erscheinen einen hohen Unterhaltungsfaktor."
    "The bigger, the better"-Trend aus den USA
    Bei Jungs sind vor allem Piraten und Star-Wars-Figuren beliebt. Ann Sophie Schlosser weiß auch von abendlichen Feiern mit Feuerspuckern und Musikern, die Eltern zum Schulstart ausrichten. Die Kinder, um die es eigentlich geht, sind dann schon im Bett. Hoffentlich.
    "Wir erkennen da einen Trend, der aus den USA kommt. Der beschränkt sich auch nicht auf Einschulungsfeiern. Auch Abschlussfeiern werden neuerdings im großen Stil gefeiert, mit eigens gebuchten Rednern und Huthochwerfen. Und genauso ist das jetzt auch hier: Es wird - "the bigger, the better" - amerikanisch gefeiert."
    Dirk Bennert, ein Puppenspieler aus Traunstein, hat gerade erst eine Schulstart-Party mitgestaltet. Vor 25 Erstklässlern und ihren Eltern hat er - ganz klassisch - den Kasperl gegeben.
    "Der hatte eine Schultüte und hat erzählt, dass er gerade seinen ersten Schultag hatte. Dann hat er seine Schultüte ausgeschüttet und geplauscht, und so sind die Kinder ganz spaßig in das Thema Schule hineingekommen."
    Lebensabschnitt, der Ernst mit sich bringt
    Der Spaß ist vielen Eltern wichtig, wenn es um den ersten Schultag geht. Grundschulleiterin Ulrike Hohl kommt der Ernst bisweilen zu kurz.
    "Natürlich soll Schule Spaß machen, aber es ist auch was Anstrengendes. Das Kind erfährt nun, dass es auch Pflichten hat. Es ist ein neuer Lebensabschnitt, der auch ein bisschen Ernst mit sich bringt."
    In der Grundschule an der Tumblingerstraße in München begrüßt der Schulchor die Erstklässler. "Schule ist top", singen die Älteren. "Lernen, Lachen, tolle Sachen machen." Mit großen Augen sitzen die knapp 100 Neulinge auf Holzbänken in der Turnhalle. Schulleiterin Hohl geht mit dem Mikrofon durch die Reihen, stellt die Klassenlehrerinnen vor und nimmt den Schulstartern die Aufregung.
    "Maßstab ist der Wunsch des Kindes"
    "Worauf freust Du Dich denn besonders?" - "Kunst!" - "Was macht man denn da?" - "Malen!" - "Toll!"
    Um die Schüler herum stehen Eltern, Großeltern, Tanten, Familienfreunde. Nach zwei Stunden ist der erste Schultag vorbei - zumindest in der Schule. Dann geht’s zuhause weiter. Entweder mit großem Tamtam - oder ohne, wie bei Vitus, sagt sein Vater Faried Adrom:
    "Bei uns ist es im kleinen Kreis, weil Vitus das so wollte. Wir haben ihn gefragt, was er möchte. Manche wollen sich nachmittags mit ihren Freunden treffen. Andere sind begeistert, wenn die ganze Familie feiert und ausgeht. Maßstab ist der Wunsch des Kindes."