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Einsteins Kühlschrank

Das Bild vom zerstreuten Theoretiker ist nur die halbe Wahrheit. Albert Einstein war auch ein begeisterter Tüftler. Er war an 50 rund Erfindungen beteiligt und meldete mehrere Patente an.

01.01.2005
    Ich habe nie aufgehört, mich mit technischen Dingen zu beschäftigen. Dies war auch für das wissenschaftliche Forschen vorteilhaft.

    Das vergeistigte Jahrhundertgenie, das durch bloßes Nachdenken unser Weltbild revolutioniert; der zerstreute Professor, der nur ungern zum Friseur geht und zu einer Einladung im Weißen Haus ohne Socken erscheint - das ist der Stoff, aus dem der Mythos Albert Einstein gemacht ist. Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Die historische Forschung zeichnet heute ein differenzierteres Bild. Demnach war Einstein kein weltentrückter Theoretiker, sondern ein Mensch, der sich für praktische Dinge interessierte: ein verkappter Ingenieur, der leidenschaftlich gerne an technischen Innovationen tüftelte, die das tägliche Leben erleichtern sollten.

    Einstein der Tüftler

    Einsteins Erfindungsreichtum wäre selbst dann noch beeindruckend, wenn er nie eine seiner bahnbrechenden physikalischen Theorien publiziert hätte. "An bis zu 50 Erfindungen hat Einstein insgesamt mitgewirkt", sagt der Ludwigsburger Ingenieur Karl Wolfgang Graff. Der pensionierte Kältetechniker hat mehrere Jahre lang Archive durchforstet und das Ergebnis seiner Recherchen nun als Doktorarbeit eingereicht. "Einstein hat viel getüftelt, aber immer gemeinsam mit anderen", sagt Graff. Das Spektrum seiner Einfälle reicht von einem Kreiselkompass über eine Reihe verschiedener Kühlmaschinen bis hin zu einer Belichtungsautomatik für Kameras. Einstein der Praktiker: 13 Reichspatente und ein US-Patent tragen direkt oder indirekt seinen Namen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. "Die Zahl der Erfindungen, an denen Einstein aktiv mitgewirkt hat, ist sehr viel größer, als Patente nachzuweisen sind", sagt Karl Wolfgang Graff. Denn obwohl dem ehemaligen Patentprüfer der Ideenschutz seiner Erfindungen am Herzen lag, bemühte er sich immer, seinen Namen aus Patentanträgen und Lizenzverträgen herauszuhalten - für kommerzielle Zwecke wollte er ihn nicht hergeben.

    Einsteins Kühlschrank

    Belegen lässt sich das am Besten anhand von Einsteins Erfindungen in seiner Berliner Zeit. Im Frühjahr 1926 meldet der weltberühmte Nobelpreisträger gemeinsam mit seinem jungen ungarischen Kollegen Leonard Szilard mehrere Patente auf Kühlmaschinen an. Vorausgegangen war eine Zeitungsmeldung über einen tragischen Unfall in Berlin, bei dem ein defekter Kühlschrank eine ganze Familie das Leben gekostet hatte. Durch ein Leck im Kühlsystem war giftiges Schwefeldioxid ausgetreten und hatte die Familie im Schlaf erstickt. Einstein nimmt das Ereignis zum Anlass, zusammen mit Szilard einen Kühlschrank zu entwickeln, der ohne die damals üblichen toxischen Kühlmittel auskommt. Als die Hamburger Firma Citogel einen Prototyp des Einstein-Kühlschranks für die Leipziger Messe baut, muss sie dem Jahrhundertgenie vertraglich zusichern, nicht mit seinem Namen zu werben.

    Das hindert Einstein aber nicht daran, sich weiter einzumischen. Als die AEG die Lizenzrechte an einer von Einsteins Kühlmaschinen erwirbt und das Gerät nachbaut, kommt er regelmäßig zum Fachsimpeln in den Labors vorbei. In Serie geht der Einstein Kühlschrank allerdings nie, weil kurz darauf jene chlorierten Fluor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) als ungiftige Kühlmittel auf den Markt kommen, die später als Ozonkiller in Verruf geraten.

    Einstein - der vergessene Erfinder?

    Um Albert Einsteins Vorliebe für technische Tüfteleien mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, wird Einsteins Kühlbox gerade nachgebaut. Im Auftrag des Berliner Max Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte basteln Physiker der Universität Oldenburg an einem funktionsfähigen Replikat des Geräts, das im Einstein-Jahr 2005 bei einer Ausstellung in Berlin gezeigt werden soll. Da sich die Forscher nur auf Patentschriften, Fotos und historische Dokumente stützen können, ist das keine leichte Aufgabe - schließlich nutzte der Patentprofi Einstein alle Tricks, um seine Erfindungen so zu verschleiern, dass Konkurrenten in die Irre geführt werden. Immerhin: In Vorversuchen konnten die Oldenburger Physiker bereits zeigen, dass sich durch die von Einstein vorgeschlagene Verdampfung von hochkonzentriertem Alkohol tatsächlich Temperaturen bis unterhalb von minus 10 Grad Celsius erzielen lassen. Einsteins Eisschrank hätte also funktioniert. Doch da das Originalgehäuse aus Betonplatten gefertigt war, rechnen die Forscher für das fertige Gerät mit einem Gesamtgewicht von 400 Kilogramm.