Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Einwanderer mit überlegenen Waffen

Ökologie. - Geholt, um in Gewächshäusern die Blattläuse kleinzuhalten, hat sich der asiatische Marienkäfer zu einer großen Bedrohung für seine europäischen Verwandten entwickelt. Forscher haben jetzt das Geheimnis seines durchschlagenden Erfolgs entschlüsselt. Einer von ihnen, Heiko Vogel vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena, erläutert es im Gespräch mit Ralf Krauter.

Heiko Vogel im Gespräch mit Ralf Krauter | 17.05.2013
    Krauter: Herr Vogel, was genau macht die asiatischen Marienkäfer zu so erfolgreichen Bioinvasoren?

    Vogel: Wir denken, dass es verschiedene Dinge sind, die das wirklich ausmachen. Zum einen das unheimlich starke Immunsystem von dem asiatischen Marienkäfer. Das sind zwei verschiedene Ebenen, die das abdecken. Zum einen diese chemische Komponente, Harmonin, das in der Hämolymphe in sehr großer Menge vorkommt. Und die andere Ebene des sehr starken Immunsystems sind diese Unmengen an mikrobiellen Peptiden, die der asiatische Marienkäfer in sich hat, und die er auch bei Bedarf sehr stark hochfahren kann.

    Krauter: Harmonin hatten Sie gerade erwähnt. Was ist das für ein Stoff?

    Vogel: Das ist ein Alkaloid, wird auch als Abwehrsubstanz genutzt. Auch einheimische Marienkäfer haben verwandte Substanzen, wir selber merken es ja auch, wenn wir Marienkäfer insgesamt anfassen und leicht quetschen, riechen die sehr unangenehm. Das ist diese Abwehrsubstanz. Aber eben der asiatische Marienkäfer hat den Unterschied, dass dieses Harmonin, dieses Alkaloid, auch noch gleichzeitig antibakterielle Wirkung hat.

    Krauter: Das heißt, der asiatische Marienkäfer hat ein sehr gut funktionierendes Immunsystem. Ist das der alleinige, der entscheidende Vorteil?

    Vogel: Nein, das ist ein wichtiger Vorteil. Für Insekten insgesamt spielen Krankheitserreger eine sehr wichtige Rolle. Also da können ganze große Populationen zusammenbrechen, weil ein Krankheitserreger durch die gesamte Population fegt. Und das ist natürlich ein sehr wichtiger Faktor. Aber der andere Faktor ist, wie er sich gegen Konkurrenten durchsetzen kann, in dem Fall gegen die einheimischen Marienkäfer. Und da kommen eben diese Mikrosporidien, diese kleinen Pilze ins Spiel, die in sehr hohen Menge eben in der Hämolymphe, im Blut der asiatische Marienkäfer vorkommen.

    Krauter: Das sind Erreger, die eigentlich Insekten schädigen, diesem asiatischen Marienkäfer aber offenbar nichts anhaben können?

    Vogel: Genau. Also, normalerweise, wenn ich ein Insekt analysieren würde und dann würde ich sehen, dass da diese Unmengen an Mikrosporidien-Sporen im Blutkreislauf vorkommen, dann würde ich sagen: Dieses Insekt ist tot. Und das wäre normalerweise auch der Fall, aber dem asiatischen Marienkäfer macht das nichts aus. Diese Mikrosporidien sind inaktiv, die sind als Sporen quasi inaktiv in seiner Hämolymphe in sehr, sehr großer Menge vorhanden. Und egal, welchen Käfer wir analysiert haben, jede Population, jedes Individuum hat diese großen Mengen an Mikrosporidien.

    Krauter: Das heißt, diese Invasoren aus Fernost, die tragen sozusagen eine Biowaffe in sich, gegen die sie selbst immun sind, die aber, wenn sie in die Umgebung freigesetzt wird, andere in Mitleidenschaft ziehen kann.

    Vogel: Genau, so sieht es aus. Und das interessante ist ja, dass Marienkäfer insgesamt sehr gerne andere Marienkäfereier und -larven fressen. Das ist optimale Nahrung für sie. In dem Fall wird es aber zum Problem, zum sehr großen Problem für die einheimischen Marienkäfer, weil, wenn sie das versuchen bei diesen asiatischen Marienkäfern, dann bekommen sie mehr oder minder die volle Ladung an Mikrosporidien ab und sterben daran eben. Und umgekehrt ist es aber kein Problem für den asiatischen Marienkäfer die einheimischen Arten zu fressen. Und das macht der asiatische Marienkäfer auch, weil er sehr, sehr aggressiv ist auch vom Verhalten her.

    Krauter: Klingt für Laien nach einem klaren Wettbewerbsvorteil für den sehr erfolgreichen Bioinvasor, den asiatischen Marienkäfer. Heißt das, dass über kurz oder lang die einheimischen Arten vielleicht komplett verdrängt werden?

    Vogel: Komplett verdrängt weiß ich nicht genau. Aber es passiert schon, dass sie sehr stark verdrängt werden, nicht nur hier in Deutschland, sondern überall, wo der asiatische Marienkäfer sich ausbreitet. Zum Beispiel hat man das auch sehr, sehr genau analysiert, wie der asiatische Marienkäfer in Großbritannien zum Beispiel die einheimischen Arten verdrängt. Und da scheint es wirklich extrem zu sein. Hier in Deutschland ist aber auch der Fall, der Zweipunkt- oder der der Siebenpunkt-Marienkäfer, die eigentlich jeder kennt, werden auch verdrängt, ganz klar, wo der asiatische Marienkäfer in großen Mengen auftaucht.

    Krauter: Also das war jetzt, wenn man es retrospektiv betrachtet, eigentlich ein Fehler, die ins Land zu holen letztlich, um Blattläuse zu bekämpfen?

    Vogel: Richtig. Ich meine, das ist ja gemacht gewesen für Gewächshäuser. Es funktioniert wunderbar: Die Anzahl an Blattläusen, die der asiatische Marienkäfer vertilgt, ist immens. Deswegen sind sie supergute biologische Schädlingsbekämpfer. Aber natürlich weiß man eigentlich aus Erfahrung, dass die immer entkommen werden aus Gewächshäusern. Das heißt also, da ist immer die Frage, wenn sie entkommen Und man weiß dass sie das immer tun werden - was passiert dann? Und wenn man das vorher nicht versucht irgendwie zu analysieren, dann ist es natürlich generell ein Problem. Wenn man keine Ahnung hat, was passiert, sollte man sich überlegen, ob man das wirklich macht.