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Einwanderungsgesetz
Die Koalition ringt um Regeln für die Zuwanderung von Fachkräften

Der Mangel an Fachkräften, der in den kommenden Jahren noch größer werden wird, treibt die Diskussion über ein Einwanderungsgesetz voran. Besonders der SPD liegt das Vorhaben am Herzen - aber auch weite Teile der Wirtschaft sehen darin ein Kernthema. Nach der Sommerpause will die Koalition Eckpunkte vorstellen.

Von Gudula Geuther | 30.07.2018
    Eine Frau bearbeitet einen Holzbalken für ein Musterhaus, aufgenommen am 14.10.2016 auf der Landesbaumesse RoBau in Rostock.
    Der Fachkräftemangel könnte in den nächsten Jahren noch größer werden, ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz könnte Abhilfe schaffen (dpa / Jens Büttner)
    Die Koalitionspartner kommen von unterschiedlichen Standpunkten, aber sie nähern sich an. Für die SPD geht es um ein Einwanderungsgesetz, seit Jahren ein Herzensanliegen der Genossen.
    "Wir brauchen Regeln für die Einwanderung, Regeln die jeder versteht!"
    Was Thomas Oppermann schon vor zwei Jahren meinte, war ein Punktesystem nach Alter, Beruf, Ausbildungsstand, bei dem der jährliche Bedarf festzulegen wäre. CDU und CSU haben ihre Position in den vergangenen Jahren gewandelt. Schon weit vor der Bundestagswahl einigten sich die Schwesterparteien: Ein Gesetz sollte es geben, allerdings ein Fachkräftezuwanderungsgesetz. Salomonisch löst der Koalitionsvertrag das sprachliche Problem: Was kommt, soll ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz sein. Heute sagt auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Weiß:
    "Wenn diese positive Beschäftigungsentwicklung in den nächsten Jahren anhält, und alle Wirtschaftsforscher sagen uns das voraus, dann werden wir in etlichen Bereichen einen Mangel an Arbeitskräften haben. Und deswegen wollen wir eine geregelte Zuwanderung."
    Aufträge abgelehnt, weil es nicht genügend Fachkräfte gibt
    So sieht es auch die Wirtschaft. Am Wochenende beklagt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, im Interview der Woche des Deutschlandfunks:
    "60 Prozent, also mehr als die Hälfte aller Unternehmen, sagt: Das Thema Fachkräftemangel ist bei uns Kernthema Nummer eins. Vier von zehn Unternehmen in Deutschland müssen inzwischen Aufträge ablehnen, das ist so die Höchststrafe, die Sie einem Unternehmer antun können; müssen Aufträge ablehnen, weil sie nicht genügend Fachkräfte haben."
    Dabei hat Deutschland, verglichen mit anderen Ländern, ein recht liberales Einwanderungsrecht. Für EU-Bürger gilt ohnehin Freizügigkeit. Für andere gilt grob gesagt: Wer besonders gut qualifiziert ist, oder in einem von 61 sogenannten Mangelberufen wie zum Beispiel in der Pflege arbeitet, kann nach Deutschland kommen, wenn er einen Arbeitsvertrag hat. Akademiker können für sechs Monate auch ohne konkretes Arbeitsplatzangebot hier Beschäftigung suchen. Noch in der vergangenen Legislaturperiode hatte es die Union an sich dabei bewenden lassen wollen und mit einem neuen Gesetz allenfalls die verstreuten bestehenden Regeln zusammenfassen wollen. Jetzt wolle man mehr, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor wenigen Tagen. Es gehe darum, auch Fachkräfte zu gewinnen, die weder Akademiker sind noch in Mangelberufen arbeiten. Vorbild könnte dabei eine Sonderregelung sein, die seit 2014 für die Westbalkanstaaten gilt. Die wurden damals zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Es sei nicht nur um Abwehr gegangen, so Angela Merkel.
    "Sondern wir haben auch gesagt: Wer in Deutschland einen Arbeitsplatz nachweisen kann, hat die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen. Und ich glaube dieses Ergänzungsstück kann prototypisch auch für Vereinbarungen mit anderen Ländern sein."
    Gesetz soll Ende des Jahres kommen
    Auch nicht ganz so Qualifizierte sollen also mit Arbeitsplatzzusage kommen können. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, will weiter gehen, mindestens für bestimmte Berufe.
    "Die Idee ist: Die Leute können herkommen, ein halbes Jahr dann auch tatsächlich einen Job suchen und ihre Kompetenzen und ihre Ausbildung anerkennen lassen. Also das muss praktisch und pragmatisch laufen."
    Wobei die Arbeitsplatzsuchenden in diesen sechs Monaten für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen müssten. Der DIHK-Präsident begrüßt diese Idee. Anders Unionspolitiker. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek bezeichnet Arbeitsplatz und Qualifikation am Sonntag im "Tagesspiegel" als das Wesentliche – für Integration und Akzeptanz. Umstritten ist auch noch der sogenannte Spurwechsel. Soll heißen: Auch wer als Flüchtling ins Land gekommen ist, hier keine oder noch keine Flüchtlingsanerkennung, aber Arbeit hat, soll unter Umständen deshalb bleiben dürfen. Die Union hatte das bisher abgelehnt. Einig ist man sich dagegen im Zeitplan: Nach der Sommerpause wollen Horst Seehofer, Hubertus Heil und Wirtschaftsminister Peter Altmaier Eckpunkte vorstellen, Ende des Jahres wollen sie das Gesetz auf den Weg bringen.