Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Einwanderungsgesetz in Portugal
Erntehelfer dürfen bleiben

Einige Erntehelfer in Portugal sind illegal aus Afrika, Osteuropa und Asien eingewandert. Eine Organisation im Alentejo will sie vor Ausbeutung schützen und hilft ihnen, sich schnell legal im Land aufhalten und arbeiten zu dürfen. Möglich macht das ein gelockertes Einwanderungsgesetz.

Von Tilo Wagner | 07.08.2019
Eine Frau und ein Mann bei der Weintraubenernte in der Region Alentejo in Portugal
"Die Erntehelfer verdienen in der Region Alentejo weniger, aber sie wissen den sozialen Frieden zu schätzen" sagt Alberto Matos von der Organisation SOLIM (imago/mrfotos)
Alberto Matos nimmt in der Bezirkshauptstadt Beja im südlichen Alentejo einen Anruf entgegen. Ein Arbeitsmigrant aus Westafrika ist am Telefon - er hat seine Papiere in dem kleinen Büro der Hilfsorganisation "SOLIM" vergessen. Matos kümmert sich seit Jahren um die vielen Tausenden von Erntehelfern, die in der Region südlich des Alqueva-Stausees Arbeit finden.
20.000 Arbeitsmigranten, schätzt Matos, seien im vergangenen Jahr zur Olivenernte nach Beja gekommen, überwiegend aus Indien, Thailand, Nepal, Rumänien, Moldawien und aus Westafrika. Sie würden in Containern leben, erzählt Matos, oder in heruntergekommenen Häusern, viele unter erbärmlichen Bedingungen.
Die Minderheitsregierung hat das Einwanderungsgesetz gelockert
Die Hilfsorganisation bemüht sich, die Erntehelfer so schnell wie möglich mit einem legalen Status auszustatten - und das geht relativ einfach, nachdem die sozialistische Minderheitsregierung auch auf Druck der kleineren Linksparteien das Einwanderungsgesetz liberalisiert hat:
"Rund 50 Prozent der Erntehelfer kommen auf legalem Weg mit einem Touristenvisum nach Portugal. Doch damit dürfen sie eigentlich nicht arbeiten. Wenn der Migrant aber einen Arbeitsvertrag hat und Abgaben an die Sozialversicherung leistet, kann er übers Internet einen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung stellen, und sobald er den Antrag abgeschickt hat, darf er arbeiten. Die Prüfung des Antrages dauert manchmal über eineinhalb Jahre, doch in dieser Wartezeit arbeitet er bereits legal in Portugal."
Nicht alle Zeitarbeitsfirmen und Mittelsmänner, die die Erntehelfer aus dem Ausland nach Portugal bringen, unterstützen ihre Arbeiter bei der Antragsstellung. Sie versuchen so die Sozialabgaben zu umgehen und die Arbeiter in einer juristischen Grauzone zu lassen, um sie einfacher ausbeuten zu können. Trotzdem hat das Arbeitsland Portugal einen guten Ruf, insbesondere bei Flüchtlingen, die aus Afrika kommen:
Sozialer Frieden und feste Aufenthaltsgenehmigung
"Die meisten Flüchtlinge haben das Mittelmeer in Booten überquert und sind nach Spanien, aber vor allem nach Italien gekommen. Dort haben sie häufig eine sehr prekäre Form einer Aufenthaltsgenehmigung bekommen, andere wurden in Sizilien direkt von der Mafia aufgegriffen und ausgebeutet.
Seit gut einem Jahr kommen immer mehr Flüchtlinge aus Italien nach Portugal - das ist sicher ein Ergebnis der fremdenfeindlichen Politik des italienischen Premierministers Salvini. Hier im Alentejo verdienen sie weniger, aber sie wissen den sozialen Frieden zu schätzen, und sie wollen eine feste Aufenthaltsgenehmigung – und das bekommen sie außer in Portugal fast in keinem anderen EU-Land."
Doch obwohl der portugiesische Staat es den Arbeitsmigranten relativ leicht macht, haben sie es gerade am Anfang häufig schwer, nämlich dann, wenn sie an zwielichtige Arbeitgeber geraten. Ein paar Kilometer außerhalb von Beja besucht Alberto Matos eine Unterkunft, wo regelmäßig Erntehelfer wohnen. Ein junger Inder lehnt im Schatten der brennenden Mittagssonne an der Hauswand einer heruntergekommenen Baracke.
"Diese jungen Inder […] werden komplett kontrolliert"
Matos fragt den Mann, wer sein Chef sei. Ein Pakistani? Der Inder nickt und stottert. Man habe ihm verboten, über die Arbeit zu reden, sagt er und schweigt. Alberto Matos drückt ihm eine Visitenkarte in die Hand. "Ich will euch helfen", ruft er ihm noch zu, bevor er wieder in sein Auto steigt.
"Diese jungen Inder werden von den Leuten, die sie hierher gebracht haben, komplett kontrolliert. Sie dürfen scheinbar mit niemandem sprechen und halten sich zunächst daran. Das ist ganz normal, aber in drei Wochen tauchen sie dann bei uns im Büro auf und wollen eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Deshalb ist es wichtig, den Kontakt mit ihnen aufzubauen. Vielleicht werden wir dem Chef mal auf die Finger schauen. Es scheint ein Pakistani zu sein. Und es wäre nicht das erste Mal, dass wir hier in dieser Baracke Beschwerden nachgegangen sind. Wir werden sehen: Der Kampf geht weiter!"