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Eisfrosch
Alaskas Zucker-Zauberer

Auf den ersten Blick ist der nordamerikanische Waldfrosch ein eher unscheinbarer Geselle. Seine wahre Größe zeigt er erst im Winter, den er zu Eis erstarrt überlebt. Forscher haben die Tiere dabei jetzt erstmals beobachtet – und entdeckt: Sie sind noch viel robuster als bislang angenommen.

Von Marieke Degen | 04.02.2014
    In Alaska herrschen zur Zeit Temperaturen von minus 20 Grad. Für den nordamerikanischen Waldfrosch kein Problem: Er verbringt den Winter zu Eis erstarrt. Zwei Drittel seines Körpers sind tiefgefroren, sagt der Biologe Don Larson.
    "Die Frösche haben keinerlei Hirnfunktion mehr. Ihre Organe arbeiten nicht, ihr Herz schlägt nicht – in vielerlei Hinsicht sind sie praktisch tot. Dass sie nicht tot sind, merkt man erst, wenn sie im kommenden Frühling wieder auftauen."
    Dass der Frosch diese Prozedur übersteht, verdankt er einem körpereigenen Frostschutzmittel. Und das besteht aus nichts anderem als hoch konzentrierter Glukose – also Zucker.
    "Man könnte aus einem gefrorenen Waldfrosch ein Wassereis machen, es wäre genauso süß. Die Zuckerkonzentration ist extrem hoch. Ein Stückchen Leber vom Waldfrosch ist süßer als Cola."
    Körpertemperatur von bis zu minus 18 Grad
    Don Larson forscht an der Universität von Alaska in Fairbanks. Vor ihm haben sich schon diverse Gruppen mit dem Waldfrosch befasst – dass er gefrieren kann, ist lange bekannt. Bislang haben sich Forscher den Frosch aber nur im Labor näher angeschaut, wo sie mehr oder weniger erfolgreich versucht haben, ihn ebenfalls einzufrieren. Lange dachte man, dass die Frösche tiefgekühlt nur einige Wochen überdauern, und dass viele dabei geschädigt werden oder sterben. Doch dem ist offenbar nicht so, sagt Don Larson. Er hat die Eisstarre der Frösche jetzt zum ersten Mal in der Natur beobachtet. Direkt vor seiner Haustür, in Fairbanks.
    "Wir haben entdeckt, dass die Waldfrösche mehr als sieben Monate im gefrorenen Zustand überdauern können, und das bei niedrigeren Temperaturen als bislang angenommen: Die Frösche hatten eine Körpertemperatur von bis zu minus 18 Grad. Und: Alle 18 Frösche, die wir über zwei Winter verteilt beobachtet hatten, haben unter diesen Bedingungen überlebt. Das hätten wir so nicht erwartet."
    Einfrieren, abtauen und wieder einfrieren
    Das Erfolgsgeheimnis liegt im körpereigenen Frostschutzmittel, der Glukose. Die wird in den Zellen abgelagert. Die Zellen selbst sollen nämlich nicht einfrieren – dann würden sie kaputt gehen. Nur in den Zellzwischenräumen bilden sich Eiskristalle, und die Glukose sorgt dafür, dass die Zellen selbst keine Flüssigkeit verlieren und nicht vertrocknen. Allerdings: Die Frösche müssen dafür enorme Mengen an Glukose herstellen und in ihrem Körper speichern. Und dafür haben sie einen besonderen Trick, wie Don Larson herausgefunden hat."
    Die Frösche produzieren die Glukose erst, wenn es richtig kalt ist. Der Oktober ist für sie eine Art Vorbereitungsphase: Nachts friert es zwar schon, aber tagsüber ist es noch mild. Das heißt, die Frösche frieren nachts ein, tauen aber tagsüber wieder auf – das ganze etwa 15 Mal. Und währenddessen reichern sie ihren Körper mit immer mehr Frostschutzmittel an.
    Erkenntnisse für die Tiefkühltruhe?
    Das ließ sich auch im Labor nachstellen: Die Forscher aus Fairbanks haben die Waldfrösche dann auch immer wieder eingefroren und aufgetaut – und danach ebenfalls hohe Zuckerlevel gemessen. Sie haben aber längst noch nicht alle Rätsel um die tiefgefrorenen Frösche gelöst.
    "Wir müssen jetzt herausfinden, wie genau die Glukoseproduktion angekurbelt wird, sobald es kalt wird – welcher Signalweg dahinter steckt. Und wie es die Frösche schaffen, ihre Zellen so dicht mit Zucker vollzupacken, ohne dass die Zellen Schaden nehmen."
    Vielleicht, sagt Don Larson, können wir von den Gefrierkünsten der Frösche sogar lernen – und irgendwann ein biologisches Frostschutzmittel entwickeln, mit dem sich etwa Fleisch in der Tiefkühltruhe monatelang hält und nach dem Auftauen immer noch schmeckt.