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Eiskonzerte in den Dolomiten
Klassik aus dem Gefrierschrank

Das "Ice Music Orchestra" spielt mit Instrumenten, die aus Schnee und Eis gefertigt sind. Ihre Klassik-Konzerte im norditalienischen Trentino, bei minus 12 zwölf Grad auf 2600 Metern Höhe, sind ein einzigartiges Erlebnis.

Von Peter Kaiser | 17.02.2019
    Konzert des "Ice Music Orchestra" in den Dolomiten
    Eisige Klänge: Konzert des Ice Music Orchestra in den Dolomiten (Peter Kaiser / Deutschlandfunk)
    Auf einer Berghöhe von gut 2600 Metern ist es im Januar nicht nur kalt, sondern die Luft ist auch dünn. Doch die Touristen, die hier auf dem Presena-Gletscher im norditalienischen Val di Sole aus dem Skilift aussteigen, haben vielfach gerade ein anderes Ziel als etwa Après-Ski. Sie sind gekommen, um eines der Konzerte des "Ice Music Orchestra" hier zu hören.
    "Eis liefert einem einen Klang wie sich reibende Zähne. Das macht so ein Kribbeln, wie ein kleiner Blitz, und die Haare stehen etwas ab. Eis ist aus dem selben Material gemacht wie wir, das schafft eine perfekte Übertragung zwischen uns und den Eisinstrumenten. Das ist schon ein bisschen speziell."
    Instrumente aus Schnee und Eis
    Sagt Tim Linhardt. Eigentlich wollte der heute 58-Jährige, US-amerikanische Künstler vor einigen Jahren nur eine Eisskulptur eines Musikinstrumentes machen. An Musik selbst dachte er nicht.
    "Aber ich hatte einen Freund, der ist Gitarrenbauer. Und dessen erste Frage war, wie würde das klingen? Diese Frage hat den Rest meines Lebens bestimmt, bis eben hin zu einem solchen Konzert in so einem Theater. Wie würde das klingen?"
    Diese Frage hat aus Tim den wohl derzeit weltweit bekanntesten Instrumentenbauer gemacht. Denn die von ihm gefertigten Violinen, Celli, Schlagzeuge oder Xylophone bestehen aus Schnee und Eis. Auch die Konzerthalle selbst für das "Ice Music Orchestra" hier oben auf dem Presena-Gletscher ist ein riesiger, 200 Besucher fassender Dom aus Eis.
    "Am Anfang waren wir draußen, im Wind, in der Sonne, im Schnee. Doch es ist schwer, qualitativ gute Musik zu machen unter solchen Umständen."
    Konzerte bei minus 12 Grad
    Auch an diesem Donnerstag ist das Konzert mit klassischer Musik ausverkauft, schnell haben die Zuhörer ihren Platz auf den Eisstufen, die mit Gummikissen belegt sind, eingenommen. Es herrschen minus 12 Grad im Dom. Das Konzert beginnt pünktlich, denn die Atemluft, die Körperwärme, und die warmen Finger der Musiker verändern sofort die Instrumente, sagt Cellist Nikola Segatta.
    "Mit minus 12 zu spielen, das ist ein bisschen anders, und die Instrumente sind auch ein bisschen breiter, und den Korpus kann man nicht bewegen."
    Dann legen die sechs Musiker die Finger an die Griffbretter der Violine, des Cellos, der Mandoline. Welch ein Moment. Inmitten der unwirtlichen Berglandschaft der Dolomiten, auf dieser Höhe, umgeben von einer Kathedrale aus Eis und Schnee diese Musik. Die seltsam hell ist, Cellist Segatta:
    "Tim sagt himmlisch, weil das transparent, durchsichtig ist, und kristallartig. Das ist nicht irdisch und warm irgendwie, wie ein Holzinstrument."
    Dazu Tim Linhardt:
    "Das Orchester, ja, unser ganzes Leben ist eine Ode an das Wasser. Ich versuche, dem Eis Leben einzuhauchen. Das ist es, warum das Orchester gebaut wurde. Es macht das Eis lebendig, lässt es vibrieren, für den Moment, bevor es vergeht. Ich denke, es ist fabelhaft, ja, das denke ich darüber."
    Instrumente im Gefrierschrank
    Nach jedem Stück müssen alle Saiteninstrumente immer wieder neu gestimmt werden. Denn die Atemluft der Zuhörer, und die warmen Finger der Musiker deformieren in Sekundenschnelle die Instrumente.
    Nach einer guten halben Stunde ist das Konzert schon vorbei, und die Instrumente müssen in den Kühlschrank.
    "Weil, sie leben im Kühlschrank, wenn sie nicht hier im Iglu sind. Man braucht die Kälte. Das muss unter null sein. Hier zum Beispiel ist es jetzt minus zehn Grad, das letzte Mal haben wir mit minus zwölf gespielt, aber ich glaube bis minus fünf, minus drei kann man spielen. Also das Eis ist lebendig, das bewegt sich, und das könnte brechen, also alles ist möglich."
    Doch die Kürze der Spieldauer hat dem Musikgenuss keinen Abbruch getan, sagen die Besucher:
    "I like it a lot. Very well, very well."
    "Very very much."
    "Very gut, very, very gut..."
    "Gut, gut, gut."
    "Fantastic!"