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Eizellen aus dem Labor
Japanische Forscher verwandeln Stammzellen in reife Eizellen

Viele Menschen wünschen sich Kinder, doch nicht immer klappt das auf natürlichem Wege. Die Reproduktionsmedizin kann hier helfen. Forscher aus Japan stellen aktuell im Fachmagazin Nature eine Methode vor, die es prinzipiell auch gleichgeschlechtlichen Paaren erlauben könnte, Nachwuchs zu zeugen. Der Haken bei der Sache: Bisher funktioniert es nur bei Mäusen - und das nicht besonders gut.

Michael Lange und Peter Dabrock im Gespräch mit Arndt Reuning | 18.10.2016
    Keimfreies Labor an der Kyoto Universität in Japan. Mit einer Pipette werden Stammzellen in Petrischalen gefüllt.
    Keimfreies Labor an der Kyoto Universität in Japan. Mit einer Pipette werden Stammzellen in Petrischalen gefüllt. (imago/Medicimage)
    Was ist das Besondere an dieser Methode aus Japan?
    Für Biologen sind Eizellen ganz besondere Zellen, gewissermaßen die Königin unter den Zellen, weil sie nach Befruchtung tatsächlich den ganzen Menschen hervorbringen können. Das heißt: Wenn man eine Eizelle aus Stammzellen herstellt, muss alles stimmen. Das ist sozusagen die Kür. Und die ist den japanischen Forschern nach zehn Jahren Forschung gelungen. Und deshalb wird das in der Wissenschaft erstmal bejubelt, dass diese Ergebnisse vorliegen. Und was noch interessanter ist: Es gelingt nicht nur mit embryonalen Stammzellen, sondern auch mit Zellen die reprogrammiert wurden. In diesem Fall aus einem Mäuseschwanz.
    Wie funktioniert das denn ganz genau? Wie werden aus Zellen im Mäuseschwanz reife Eizellen?
    Das sind Zellen der Haut, die lassen sich reprogrammieren und werden wieder jugendlich gemacht. Das ist eine bekannte Technik, die "IPS": Induzierte Pluripotente Stammzellen. Da gab es sogar schon einen Nobelpreis für, vor vier Jahren. Und damit werden die Zellen wieder jugendlich. Sie lassen sich in verschiedene Typen umwandeln. Dann kommt das Besondere: Die Zellen sollten sich in Richtung Eizelle weiterentwickeln. Sie mussten von zwei Chromosomensätzen auf einen reduziert werden und mussten eine ganz genau gesteuerte Entwicklung durchmachen. Die Japanischen Forscher haben da sehr viel experimentiert mit viel Versuch und Irrtum. Sie mussten auch einige Zellen aus dem Eierstock hinzufügen. Es funktioniert also außerhalb des Körpers, aber nicht ganz ohne biologische Zellen. Und sie mussten einen ganz spezifischen Cocktail herstellen aus verschiedenen Wachstumsfaktoren, aus Hormonen, und erst als das alles stimmte, entwickelten sich die Zellen ganz langsam in Richtung reife Eizellen. Und diese Eizellen waren dann tatsächlich befruchtungsfähig und haben zur Geburt vieler kleiner Mäuse geführt.
    Die Methode funktioniert, aber wie ausgereift, wie sicher ist sie denn überhaupt?
    Sie war sehr aufwendig. Und sie scheint auch fehleranfällig zu sein. Das sieht man, wenn man sich die Daten genauer anschaut. Insgesamt waren 316 Versuche notwendig, um letztlich elf gesunde Mäuse hervor zu bringen. Einige haben auch selbst schon wieder Nachwuchs, das heißt, das scheint tatsächlich funktioniert zu haben, ein etwas höheres Geburtsgewicht. Das erinnert tatsächlich ein wenig ans Klonen. Und auch die geringe Erfolgsquote erinnert ein wenig daran. Beim Klonen hatte man zu Beginn ebenfalls eine ganz schlechte Erfolgsquote und es hat lange gedauert, diese auch nur leicht zu verbessern. Diese Technik ist noch nicht ideal. Es hat bisher nur überhaupt funktioniert. Man weiß jetzt, wie es im Prinzip geht.
    Und es sind Ergebnisse aus Tierversuchen. Können sie sich vorstellen, dass man eine solche Methode auch auf menschliche Zellen übertragen könnte?
    Die Wissenschaftler, die man fragt geben da unterschiedliche Antworten. Ganz klar ist: Im Prinzip ist es möglich. Es sind Säugetierzellen, das lässt sich alles durchführen. Die Wissenschaftler weisen aber darauf hin, dass sich der Hormoncocktail nicht übertragen lässt. Es müsste für den Menschen ein eigener Cocktail entwickelt werden und auch die Methode müsste leicht abgewandelt werden. Die Japaner sprechen dabei von mindestens zehn Jahren und sie sagen, sie wollen das nicht versuchen. Andere Teams aber sagen, sie wollen das machen, zum Beispiel aus Israel.
    Da muss man darauf achten, dass die Qualitätskontrolle funktioniert. Die natürliche Qualitätskontrolle, die normalerweise im Eierstock funktioniert, die fällt aus und als Ersatz dafür müsste die Präimplantationsdiagostik (PID) eingeführt werden. Ein durchaus umstrittenes Verfahren in dem Embryonen aussortiert werden. Diese Methode würde mit eingesetzt, wenn die Methode auf den Menschen übertragen würde.
    Interview mit dem Ethikrat-Vorsitzenden Peter Dabrock
    Aus der Sicht des Ethikrat-Vorsitzenden Professor Peter Dabrock vom Fachbereich Theologie der Universität Erlangen, werfen die Experimente wichtige ethische Fragen auf, die er im Gespräch mit Arndt Reuning erörtert.
    Arndt Reuning: Wer könnte in Zukunft von einer neuartigen Quelle von Eizellen profitieren?
    Peter Dabrock: Rein technisch betrachtet könnte es so sein, dass lesbische und schwule Paare genetisch eigene Kinder bekommen können. Allerdings brauchen natürlich die Schwulenpaare dafür eine Leihmutter, was aber in vielen Ländern - in den USA unter anderem - erlaubt ist.
    Reuning : Es ist ja im Gespräch auch schon angeklungen, die Qualität der befruchteten Eizellen müsste überprüft werden, ehe sie der Mutter implantiert werden. Man könnte sich nun ja auch vorstellen, ganz andere Eigenschaften dieser Zellen zuvor zu prüfen. Es könnte so eine Art Designerbaby entstehen. Wäre das möglich?!!
    Dabrock: Ja. Wenn Eizellen demnächst im Überfluss vorhanden sind, könnte man sich vorstellen in Ländern die nicht so restriktiv wie wir, ich finde aus guten Gründen, tun. Dort könnte man sich sagen: Ja, mein Gott, wenn wir so viele Arbeitszellen haben, Spermien gibt es sowieso im Überfluss. Dann stellen wir erst mal eine ganze Batterie von solchen Eizellen her. Und gucken dann qua einer ausgedehnten Präimplantationsdiagnostik, welche die 'Fittesten' sind. Rein technisch betrachtet, bietet dieses neue Verfahren alle Möglichkeiten. Wenn wir jetzt von Designerbabys sprechen, muss aber in jedem Fall der Präimplantationsdiagnostik in breitem Umfang den Weg geebnet werden.
    Reuning: Sie sind Theologe und Bioethiker. Wie bewerten sie diese Methode von dieser Warte aus?
    Dabrock: Ich habe vielleicht einen gewissen Bias, eine Voreingenommenheit, dass ich immer etwas skeptisch bin, wenn man eine Sache direkt in den Himmel lobt, oder sie gleich verteufelt. Ich frage mich immer, was kann man der Sache an Gutem und was an schlechtem abgewinnen. Ich glaube viele von uns haben zunächst mal die Intuition, das sei eine ganz problematische Sache. Und dann muss man ein bisschen den Advocatus der anderen Seite spielen und fragen, was könnte vielleicht Interessantes daran sein. Woran zunächst noch mal etwas Deutlicher wird: Fortpflanzung wird durch diese Technologie noch mal von klassisch-biologischen Grundlagen entfernt. Das kann man Bedauern, man könnte aber auch sagen, dass dadurch die Bedeutung der sozialen Qualität der Beziehungen gestärkt wird. Also Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, Verantwortung, treue usw. Also dass diese Gesichtspunkte immer mehr ins Zentrum rücken. Weg von den biologischen Grundlagen, die weiter weniger selbstverständlich werden. Also es wird alles ein wenig unselbstverständlicher. Auf der einen Seite ist das eine Gefährdung, auf der anderen ist es eine Chance.
    Reuning: Rechnen sie denn damit, dass wir hier Deutschen einer ähnliche Situation gegenüberstehen könnten wie bei den Stammzellen? Nämlich dass es unseriöse Anbieter versprechen auf diese Weise einen Kinderwunsch zu erfüllen und sich fürstlich dafür bezahlen zu lassen?
    Dabrock : Ich glaube sprechen damit einen wichtigen Punkt an. Diese Technik, der Hype auf diese Technik, der jetzt stattfindet, zeigt, dass Reproduktionsmedizin ein Thema ist, dass viele Menschen existenziell Bewegt. Die Möglichkeit zu haben, eigene genetische Kinder zu bekommen, ist ein Urwunsch des Menschen. Und, dass in einem solchen Feld, wo Menschen so tiefe Sehnsüchte haben, immer auch Scharlatane herumtollen, die dieses Tiefe Sehnen missbräuchlich ausnutzen, muss man einfach sagen. Das gibt es und das wird vermutlich auch noch mal verstärkt werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.